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Ein Gespenst geht um… – Autor*in Patricia Eckermann im Interview

Ein Gespenst geht um… – Autor*in Patricia Eckermann im Interview

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  • In Patricia Eckermanns Roman „Elektro Krause“ treiben Nazigeister ihr Unwesen. Was nach Fantasy klingt, ist es leider nicht.
Portraitfoto mit Patricia Eckermann. Trägt eine schwarze Brille und eine gelbe Lederjacke

Anlässlich des Black History Months fand am Freitag den 03. Februar 2023 eine Lesung mit Patricia Eckermann und Prof. Dr. Tiffany N. Florvil an der Universität Bamberg statt. Unter dem Motto „Geister der Vergangenheit“ wurde die – damals wie heute – vorhandene Diskriminierung von Schwarzen thematisiert.

Wir haben uns mit Patricia Eckermann darüber unterhalten, warum Jugendbücher wichtig sind, wie Fantasy politisch sein kann und warum Humor Türen öffnet.

Warum schreibst du?

Patricia Eckermann: Schon seit ich klein bin, habe ich viel gelesen, viele Serien geguckt und Hörspiele gehört. Ich habe immer hunderttausend Geschichten im Kopf und den ganzen Schreibtisch voll mit Zetteln, was ich noch alles gerne schreiben möchte. Das Schreiben hilft mir, diese Kreativität rauszulassen. Ich möchte auch einen Beitrag dazu leisten Menschen wie mich sichtbarer zu machen. Ich hoffe einfach, dass viele denken: „Ach guck mal, die Eckermann hat ein Buch geschrieben, das kann ich auch!“. Dass möglichst viele andere Leute ihre Perspektiven dazu steuern, sodass die Literatur jünger wird, nicht mehr so weiß, nicht mehr so männlich. Dass sie queerer wird. Auch, dass mehr Menschen mit Behinderung ihre Sicht auf die Welt darstellen. Es beruhigt mich zu wissen, ich habe alles versucht, um mehr Gleichberechtigung reinzubringen.

Warum hast du dich dafür entschieden, einen Roman zu schreiben, der sich eher an Jugendliche und junge Erwachsene richtet?

Ich glaube, dass Bücher Welten in den Köpfen eröffnen können und Menschen aufgeschlossener machen gegenüber Dingen, die sie noch nicht kennen. Je jünger ein Mensch ist, desto mehr Offenheit bringt er mit. Je älter, desto festgefahrener ist er und man kann nicht mehr so leicht sagen: „Du hast jetzt immer so gedacht, aber es ist eigentlich so, willst du nicht vielleicht deine Perspektive erweitern?“. Bei Kindern und Jugendlichen ist noch Neugier da. Wenn wir die Welt verändern wollen, sollten wir uns um die Kinder und Jugendlichen kümmern. Die werden dann schon dafür sorgen, dass sie ihre Eltern und Großeltern auch ein bisschen umerziehen.

Erziehen ist ein hartes Wort.

Das stimmt. Das hat immer was von: Es muss diesen Effekt haben. Das meine ich nicht. Für mich persönlich ist es langweilig, wenn etwas nur unterhalten will, ohne etwas auszusagen. Mein Anspruch ist, eine Botschaft rüberzubringen, die ich so verstecken möchte, dass sie nicht offensichtlich ist. Das ist bei Elektro Krause ein bisschen schwierig, weil es schon die ein oder andere Stelle gibt, wo es so “Siehst du Timmy…” – mäßig wird, aber das hat sich bei dieser Geschichte einfach angeboten. Außerdem: Wenn ich als Schwarze Person in einer bestimmten Zeit schreibe, dann erzähle ich auch etwas über diese Zeit oder über meine Perspektive auf die Zeit. Das kann man immer politisch auffassen und gilt auch für alle marginalisierten Personen. Es ist immer eine Art von politischer Schreibe, ob man will oder nicht.

Also kann man nicht unpolitisch sein?

Ja, ich glaub schon. Ich denke, es ist auch das Problem unserer aktuellen Gesellschaft. Noch zu viele Menschen, die nicht von Diskriminierungsformen wie Rassismen betroffen sind, sagen: „Ach, ich bin unpolitisch, ich halt mich da raus“. Ich glaube das Raushalten bedeutet, die andere Seite zu unterstützen. Gerade als Kulturschaffende muss man Haltung beziehen. Anders geht es nicht.

Und warum ausgerechnet Fantasy?

Zum einen mag ich persönlich Fantasy und Science-Fiction – ich bin als Trekkie auf die Welt gekommen und werde es vermutlich auch bleiben. Zum anderen fand ich es gut Nazigeister auftauchen zu lassen, weil es im doppelten Sinne stimmt. Die Nazis aus der Vergangenheit hängen noch wie Geister über der Republik und scheinen mit den verschiedenen politischen Strömungen, Parteien und Organisationen, die gerade erstarken, in einem guten Austausch zu stehen. Da ist Elektro Krause gar nicht so fantastisch, wie ich es mir anfangs mal ausgedacht hatte. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Bereitschaft sich auf etwas Neues einzulassen von Leser*innen, die gerne Science-Fiction oder Fantasy lesen, größer ist. Ich wollte keine realistische Geschichte darüber schreiben, wie es mir mit deutschen Nazis und Rassisten ergangen ist. Diese “Opferporngeschichten” sind nicht das, was ich gerne erzählen möchte. Wir haben davon schon eine ganze Menge und das ist auch gut so. Aber es kommt jetzt darauf an, dass wir uns in alle anderen Literaturgenres einschreiben.

Cover vom Roman Elektro Krause. Der Titel ist in Neonfarben. Darunter eine Schwarze Frau mit weißer Sonnenbrille.
Auch das Buchcover lässt sich sehen; Foto: Jean Müller
Wie kam es zur Buch-Idee?

Es hatte wieder einen Anschlag gegeben auf nicht-weiß und nicht-deutsch gelesene Menschen in Deutschland. Mit den typischen Reaktionen: Die Politiker*innen reden davon, dass es ein Anschlag auf uns alle war. In den Medien ist es das beherrschende Thema und niemand weiß, wie es dazu kommen konnte. Wir Betroffenen wissen, das hält sich jetzt vielleicht ein oder zwei Wochen, bis wir wieder in Vergessenheit geraten sind. Je nach dem, was für eine andere Titelsau durchs Dorf getrieben wird. Gleichzeitig schwelte schon über einige Zeit die Diskussion, ob denn das N-Wort wirklich so schlimm ist. Da gibt es Umfragen, wo eine Zeitung sagt, die Mehrheit der Deutschen findet das nicht schlimm. Das verwundert niemanden, der Schwarz ist. Wir sind in der Minderzahl. Wenn wir gleich viele Leute wären wie weiße Menschen, dann würde diese Umfrage anders ausgehen. Ich wollte mit der Geschichte den Leuten erzählen, dass wir schon in den 80er-Jahren dieselben Probleme hatten. Wir schauen immer auf die Vergangenheit und sagen: „Wir wissen heute viel mehr, wir sind so viel besser.“ Doch wenn du dann fragst, wie haben Menschen geherrscht, wie haben Menschen unter Herrscher*innen gelitten und was waren so die Themen der Zeit? Dann siehst du: Es war und ist eigentlich immer dasselbe.

Vor deiner beruflichen Tätigkeit hast du mitunter Pädagogik studiert. Inwiefern nutzt du dein pädagogisches Wissen im Alltag?

Ich bin viel an Fernsehsets unterwegs und muss zwischen Menschen vermitteln, wie den Moderator*innen, dem Sender, der Produktionsfirma und anderen, die etwas nicht gesagt oder anders ausgedrückt haben wollen. Da hilft es mit Menschen umgehen zu können. In der Pädagogik habe ich mich ein bisschen mit tiefenpsychologischen Interviews befasst, das hat mir bei dem ein oder anderen Gespräch geholfen. Nicht nur im Job, sondern auch wenn ich mit Menschen über Rassismus und Diskriminierung spreche. Ich habe gelernt nicht immer auf den ersten Impuls zu reagieren und dann aus mir rauszuspringen, wenn ich eigentlich deeskalieren oder irgendwas vermitteln möchte.

Elektro Krause ist ein recht amüsantes Buch. Welche Rolle spielt für dich Humor in der Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus?

Für mich ist Humor total wichtig. Damit können viel mehr Sachen angesprochen und vermittelt werden. Wenn wir alle über uns selbst lachen können, haben wir es leichter einen Konsens mit anderen Menschen zu finden und vielleicht einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Man sieht es auch im Kabarett: Gute Kabarettist*innen schaffen es mit Humor richtig krasse Themen anzusprechen, sodass man gemeinsam lachen kann und dies eine Verbindung schafft. Ohne Humor wird es schnell wieder langweilig und schwierig Sachen aufzunehmen. Ich hoffe, dass man nach dem Lesen des Buches denkt: „Es war unterhaltsam, ich habe mir zwei drei Dinge durch den Kopf gehen lassen, an die ich vorher nicht gedacht habe“.

Manchmal wird Humor angewandt, um reale Probleme zu verharmlosen.

Ja, das geht gar nicht. Humor ist eine Gratwanderung, was man dann wieder bei Kabarettist*innen sieht, die es nicht schaffen, das richtige Maß zu finden. Es ist immer eine Frage über wen sich Humor lustig macht. Momentan wird diskutiert, ob Humor nicht nach unten treten, sondern sich über „die da oben“ lustig machen sollte. Weil es einfach besser zu ertragen ist und nicht spaltet. Wenn ich zusammen mit Menschen bin, die auch marginalisiert werden und wir uns über diese Themen austauschen, dann fallen da schon Sprüche, die witzig sind. Wir teilen alle dieselben Erfahrungen und wir haben alle dasselbe Ziel, aber wir machen es uns leicht, indem wir lachen und nicht zusammen weinen, das könnten wir ja auch. Das Lachen beflügelt einen eher als das Weinen, obwohl Weinen natürlich auch völlig in Ordnung ist.

Die Figur Kassy steht vor der großen Herausforderung, die fünfte Reiterin der Apokalypse besiegen zu müssen. Gemeint ist das Dilemma, als Schwarze in Europa aufzuwachsen und damit marginalisiert, aber gleichzeitig privilegiert zu sein gegenüber Schwarzen außerhalb Europas. Wie findet sie aus diesem Dilemma heraus?

Das ist eine super Frage. Eine zufriedenstellende, finale Lösung gibt es nicht, weil wir dieses Dilemma aushalten müssen. Letztendlich geht es jedem von uns so. Beispiel Klamottenkäufe: Wenn ich sage ich gehe nicht mehr bei Primark einkaufen, bin ich dann raus aus dem Ausbeutungsgame? Sind die Klamotten auf denen Ökotex steht wirklich so sicher? Wenn wir mal ehrlich sind, sind wir nicht so einhundertprozentig ethisch und moralisch, wie ich mir das wünschen würde. Finanzielle Interessen sorgen immer dafür, dass am Ende doch wieder Menschen ausgebeutet werden. Wir leben im Falschen und versuchen Gutes zu tun. Da ist die Frage, ob das möglich ist. Ich kann nie die richtig gute, linke, Ich-helfe-der-ganzen-Welt-Patricia sein und Kassy kann das auch nicht, weil wir hier leben und damit zu den Verursacher*innen gehören. Momentan findet in unserer Gesellschaft ein extremes Auseinanderdriften statt. Du musst dich entweder hier oder dort verorten und die dazwischen werden von beiden Seiten eher abgelehnt. Aber man kann nicht das ein oder andere Extrem, besonders gut oder besonders böse sein. Wir alle halten uns dazwischen auf.

Du möchtest mehr über Patricia Eckermann erfahren?

Dann schau doch mal hier vorbei:

Instagram: @feireficia

Im Web: patricia eckermann – antagonisten

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