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Bienen: Zwischen Hoffnung und Artenschutz
Dunkel Hell

Bienen: Zwischen Hoffnung und Artenschutz

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  • Wie wird man Imker*in? Was kann ich tun, um die Bienen zu unterstützen? Gibt es Dinge, auf die ich beim Honigkauf achten sollte? Ich habe mich mit einem jungen Nebenerwerbsimker getroffen und nachgehakt.

Save the bees! Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass die menschliche Spezies von den kleinen Insekten abhängig ist. Doch wie kann ich als „Normalsterbliche*r“ dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhalten? Und was hat es eigentlich mit dem Flügelschnitt auf sich? Luis Reckziegel stand mir Rede und Antwort und hat einen kleinen Einblick in die komplexe Lebenswelt der Biene gewährt.

Forscher der Nottingham Trent University in Großbritannien haben herausgefunden, dass Bienen hupen, wenn sie im Stock aneinander laufen. Das ist und bleibt mein Lieblingsfakt über Bienen. Doch was fasziniert Luis an ihnen? „Bienen arbeiten immer, sogar im Winter.“ Und geschlafen wird im Volk auch nicht, sondern nur geruht.

Von Bienchen und Blümchen

Aber wie ist das jetzt mit der Bienensterblichkeit? Sind die Menschen dazu verdammt zu verschwinden, weil die Biene aussterben wird? Nur halb. Die Honigbiene, die einzige staatenbildende Bienenart, ist in Deutschland nicht vom Aussterben bedroht. Auch in den Städten gibt es genug Honigbienen, was die Berliner Innenstadt beweist, denn laut Professor Bienenfeld der HU Berlin herrscht hier die größte Bienenvölkerdichte in ganz Deutschland. Anders sieht es allerdings bei den Wildbienen, die keinen Honig produzieren aus und nicht zu verwechseln sind mit wild lebenden Honigbienen. In Deutschland gibt es über 500 Wildbienenarten (https://www.wildbiene.org/wildbienen/), die in Symbiose mit verschiedenen Pflanzen leben. Die Pflanze verlässt sich also darauf, dass die Biene ihre Pollen verteilt, und die Biene verlässt sich darauf, dass die Pflanze ihren Nektar und Pollen zur Verfügung stellt. Manche Wildbienen leben in Symbiose mit mehreren Pflanzen, während andere nur mit wenigen kooperieren.

Die gute Nachricht ist, dass jede*r etwas tun kann, um den Lebensraum und die Pflanzen der Wildbienen zu erhalten. Blütenmischungen sind eine von Luis Empfehlungen. Diese enthalten Samen für Blüten, die die Lebensgrundlage von solitären Wildbienen bilden. Während Honigbienen sich schon mal bis zu siebenKilometer von ihrem Heim entfernen, fliegt die Solitärbiene nur 50 bis 300 Meter weit (https://www.bienenretter.de/wildbienen/). Es gibt viele verschiedene Blütenmischungen auf dem Markt, Luis Tipp ist die Blühmischung der LWG Veitshöchheim, die im Internet erhältlich ist. Im Garten kann ein Teil des Rasens durch Blühfläche ersetzt und so den Bienen eine Freude gemacht werden. Doch auch wenn nur ein Balkon oder eine Fensterbank zur Verfügung steht, kann jede*r einen Teil zur Erhaltung der Wildbienen beitragen. Die Blühmischungen können nämlich auch in einen Balkonkasten gepflanzt werden und Ringelblumen, die sich auch gut als Bienenunterstützung eignen, lassen sich leicht auf der Fensterbank ziehen und sind im Supermarkt, Bioladen und Baumarkt erhältlich.

Eine weitere Empfehlung von Luis ist ein Insektenhotel. Diese Hotels bieten Nistmöglichkeiten für verschiedene Solitärbienen sowie andere Insekten und können auch daheim selbst gebaut werden. Genau wie bei den Blühmischungen ist es auch hier egal ob man auf dem Land oder in der Stadt wohnt, doch spielt für die Besiedlung der Standort eine große Rolle. Da am besten auf die Anleitung achten und sich auch daranhalten. Wer etwas mehr Informationen möchte, kann mal in das Buch „Mein Insektenhotel“ von Melanie von Orlow reinschauen. Als weitere Nisthilfe eignen sich auch alte Ziegelsteine, in die Löcher gebohrt werden. Einige Mauerbienenarten nisten in Rissen in Hauswänden oder suchen sich Löcher in Stein- oder Felswänden. Ein besiedeltes Loch erkennt man meistens daran, dass das Einflugloch der Röhre von der Biene zugebaut wurde. Als Otto Normalverbraucher*in kann also mit Blühmischungen, Insektenhotels und alten Ziegelsteinen ein Beitrag zur Erhaltung der Wildbienen geleistet werden.

The Circle of Life 

Die Honigbiene ist ein fester Bestandteil der Natur und wird auch so schnell nicht aussterben, doch manche Imker*innen verzeichnen im Winter hohe Verluste. In der kalten Jahreszeit sterben immer viele Bienen, sagt Luis, doch achtet man als Imker*in vor allem darauf, dass nicht zu viele Bienen von einem Volk sterben oder gar ein ganzes Volk. Auch Bienen haben nur einen begrenzten Lebenszyklus. Die meisten Bienen sterben an Altersschwäche und laut Luis ist es unwahrscheinlich, dass er im Sommer dieselbe Biene in einem Volk mehr als zwei Mal sieht. Während die Sommerbiene sich innerhalb von 30 Tagen tot arbeitet, halten Winterbienen bis zu sieben Monate lang durch. Nachdem sie im September/Oktober erbrütet wurden, leben und arbeiten die Winterbienen bis in den April hinein. Die Bienensterblichkeit im Winter ist also gar nicht so hoch, wie immer angenommen. „Es gibt immer Imker, die über hohe Winterverluste berichten. Aber das liegt nicht an den Bienen. Wenn ein Volk stirbt, dann ist in den meisten Fällen der Imker schuld.“

Schutzmechanismus

Ein*e Imker*in hofft und achtet im Winter primär darauf, dass alles gut geht. Sollten aber doch mal ganze Völker eingehen, dann passiert das meistens noch vor dem Jahreswechsel und daran sind meist die Varroa-Milben schuld. Wenn die Milbenlast in einem Volk zu hoch ist, „fliegt es sich kahl“. Dann kann es vorkommen, dass der*die Imker*in zur Winterbehandlung in die Kiste schaut und „dann ist da keine Biene mehr drin“. 

Doch wie kann das sein? Bienen sehen sich selbst als Superorganismus, erklärt Luis. Sobald eine Biene merkt, dass sie krank ist, erkennt sie „das ist schlecht“ und denkt sich „Ich mag die anderen nicht anstecken. Ich flieg raus“. Die infizierte Biene nimmt Rücksicht auf ihre Mitbienen und verlässt das Volk, um die anderen nicht zu infizieren und um ihnen keine Mehrarbeit mit dem Leichnam zu bescheren. Draußen stirbt die Biene dann. So kann es sein, dass ein ganzes Volk von diesem Kahlflug betroffen ist. 

Die Völker, bei denen die Milbenlast niedrig gehalten wird, schaffen es normalerweise bis zum Sommer. Doch ein weiteres Hindernis wartet auf die Winterbienen: der Futterabriss. Wenn es zu lange zu kalt war, kann es sein, dass es die Bienen nicht bis auf die nächste Futterwabe schaffen oder, „dass die Bienen auf vollen Futterwaben verhungern, weil es zu kühl oder das Volk zu schwach ist, um das Futter anzuwärmen und aufzunehmen.“ Deswegen achtet Luis darauf nur starke und milbenarme Völker einzuwintern, damit er im Frühjahr keine Verluste verzeichnen muss. Sollte ein Volk zu schwach sein, wird es mit einem anderen Volk vereinigt und wie die restlichen Völker für den Winter gegen die Milbe behandelt und aufgefüttert.

Schwärmen und Sterben?

Wenn die Winterbienen nun ihre Arbeit getan haben und das Wetter wieder wärmer wird, die Blumen blühen und die Sommerbienen fleißig Honig machen, dann kann es passieren, dass ein Volk zu stark wird und schwärmt. „Ein Teil der Bienen haut dann mit der alten Königin ab,“ während sich der verbliebene Teil eine neue Königin nachzieht. Früher hat das auch wunderbar funktioniert, denn das geschwärmte Volk ist einfach in eine Felsspalte oder eine Baumhöhle gezogen. Heutzutage wird das Schwärmen aber zum Problem, da es einerseits kaum noch Nistplätze für Bienen gibt und alte tote Bäume, die Wohnraum bieten würden, sofort gefällt werden. Den Bienen fehlt es an Behausungsmöglichkeiten.

Andererseits kann sich ein geschwärmtes Volk zu einem unkontrollierbaren Krankheitsherd entwickeln. Im einfachsten Fall ist es die Milbe, die ein Volk schwächt und tötet, wenn sie nicht behandelt wird. Ein schwaches Volk wird früher oder später einfach von anderen Völkern ausgeraubt. Die gesunden Bienen bedienen sich am Honig des kranken Volkes und schleppen dadurch die Milbe mit zu ihrem eigenen Volk. Das wäre die milde Variante.

Schlimmer für die Imker*innen und die Bienen ist es, wenn es sich bei der verschleppten Krankheit um Seuchen, wie zum Beispiel die Amerikanische Faulbrut (AFB) handelt. In den letzten Jahren haben die Imker*innen die Faulbrut einigermaßen gut in den Griff bekommen, doch früher wurden teilweise lebende Völker angezündet, um die Faulbrutsporen abzutöten und die Ausbreitung einzudämmen. Heutzutage wird ein Volk komplett saniert, wenn es infiziert ist. Die Kisten werden entkeimt und die Pilzsporen somit abgetötet. Der Krankheitsherd wird abgeschwefelt und verbrannt. Wenn jetzt aber einige Meter weiter ein Volk, das von der Amerikanischen Faulbrut betroffen ist, in einem toten Baum wohnt, dann fliegen die eben sanierten Bienen wieder zu dem kranken Volk, holen sich da den Honig und bringen den Erreger sofort wieder mit. Deswegen ist es wichtig, dass der Krankheitsherd gefunden wird. „Für einen Hobbyimker mit drei Völkern ist das vielleicht eine spannende Erfahrung, eine einmalige Sanierung zu machen. Aber wenn es im Bereich des Berufsimkers ist, der da seine 400 Völker stehen hat, und die sind alle krank… Da hängen Existenzen dran.“

Kontrovers: Der Flügelschnitt

Als Imker*in möchte man das Schwärmen von Völkern verhindern, denn die Völker werden dadurch schwächer. Außerdem möchte man die Völkerzahl gerne halten. Wenn es trotz vorherigen schwarmdämpfenden Schritten zu akutem Schwarmtrieb kommt, dann stehen den Imker*innen zahlreiche Maßnahmen zur Verfügung. Zum Beispiel kann die alte Königin aus dem Volk rausgenommen werden, um einen Ableger vom Volk zu machen. Eine heiß und kontrovers diskutierte Variante der Schwarmverhinderung ist der Flügelschnitt. Hier ist anzumerken, dass der Schnitt das Volk nur daran hindert zu Schwärmen, sollte es so weit kommen, aber reduziert nicht die Schwarmstimmung. Durch das Schneiden des Flügels der Königin kann diese nicht mehr fliegen. Wenn ein Volk dann schwärmen will, trudelt die Königin nur auf dem Boden herum und nach einiger Zeit merken die Bienen, dass das doch nichts wird und „krabbeln im Normalfall alle zusammen wieder gesammelt zurück in die Kiste.“ Zwar ist der Flügelschnitt bei der Königin so, wie wenn man beim Menschen den Fingernagel schneidet – sie spürt dabei nichts. Allerdings nimmt man der Königin dadurch die Freiheit zu fliegen. „Ist es jetzt besser der Königin ein Stück vom Flügel wegzuschneiden oder ist es besser, dass dieser Schwarm rausgeht und irgendwo dann im Herbst in einem Baumstumpf jämmerlich verreckt aus Futtermangel und Milbendruck?“ Diese Frage kann jede*r Imker*in für sich selbst beantworten. Luis schätzt, dass den Flügelschnitt nur zehn bis zwanzig Prozent der Imker*innen machen. Er hat noch nie einen Flügel geschnitten und kommt auch so gut klar.

Ihr wollt mehr wissen? Luis findet ihr auf Instagram unter @honigfaktur oder im Internet unter honigfaktur.de. Dort nimmt er euch mit auf die Autofahrten durchs wunderschöne Allgäu und gewährt einen Einblick hinter die Kulissen seiner Imkerei. Seinen Honig könnt ihr sogar bei ihm bestellen, dafür schreibt ihr am besten eine Mail an luis@honigfaktur.de oder eine DM auf Instagram.

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