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Immer am Imkern – Alltag eines jungen Imkers

Immer am Imkern – Alltag eines jungen Imkers

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  • Wie wird man Imker*in? Was kann ich tun, um die Bienen zu unterstützen? Gibt es Dinge, auf die ich beim Honigkauf achten sollte? Ich habe mich mit einem jungen Nebenerwerbsimker getroffen und nachgehakt.

Sonnenschein, ein leichter Wind, es riecht nach Blumen und Sommer. Wenn ich ein paar Schritte weiter gehe, kann ich die Alpen sehen. Um mich herum summt es, denn ich besuche einen von Luis Reckziegels Bienenständen. Luis, 24, hält Bienen, seit er 16 ist. Was als außergewöhnliches Hobby für einen Jugendlichen begann, ist nun viel mehr. Mit zwölf Jahren hat er sich das erste Mal mit Bienen und dem Imkern befasst. Er war jahrelang in der Imker AG seiner Realschule und hat sich dann während der Ausbildung zum Fachinformatiker als Ausgleich wieder den Bienen zugewendet.

Obwohl er einen 38-Stunden-Job hat, ist Luis dieses Jahr mit ca. sechzig Völkern in die Saison gestartet und somit Imker im Nebenerwerb. Seine Völker umfassen im Winter ca. 800.000 bis eine Millionen Bienen. Dieselbe Anzahl Völker wird im Sommer von zwischen 2,5 und 3 Millionen Bienen bewohnt, da die Volksstärke nach dem Winter bis zur Sommersonnenwende rasant zunimmt.

Luis Reckziegel

Bienen 24/7

Doch warum wird man Imker*in? Es kann viele Gründe geben, unter anderem die Liebe zu den Bienen oder den Aspekt des Umweltschutzes. Zwar findet Luis es schön, dass man als Imker*in ein Lebensmittel produziert, doch der Spaßfaktor und die Begeisterung für die Arbeit mit den Bienen stehen für ihn im Vordergrund. „Die Bienen müssen sich nicht nach mir richten, sondern ich mich nach den Bienen. Ich halte die ja nicht, sondern ich versuche, die zu führen oder zu lenken.“ Das erfordert ein intensives Verständnis dafür, wie die Bienenvölker sich verhalten und reagieren.

Vielleicht überkommt einen jetzt die Lust sich auch als Imker*in zu versuchen, doch davon, sich einfach ein Bienenvolk in den Garten zu stellen, rät Luis vehement ab. „Die Idee sich Bienen anzuschaffen, sollte ähnlich gut überlegt sein, wie die Anschaffung eines Hundes.“ Sobald man ein Bienenvolk hat, übernimmt man riesige Verantwortung nicht nur für das eigene Volk, sondern auch für alle umliegenden. Denn Bienen halten sich nicht an Grundstücksgrenzen. Allein wegen der ansteckenden Krankheiten, wie der Amerikanischen Faulbrut, von denen die Völker betroffen sein können, sollte man sich nicht einfach Bienen zulegen. Doch dazu mehr in einem späteren Artikel der Serie. Außerdem ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass „wenn man Bienen hat und die es einem angetan haben, sie sich mit Gewalt in jeden Bereich des Lebens drängen.“ Zeit für andere Hobbies bleibt da nicht mehr.

Immer am Schaffen

Ein durchschnittlicher Imkerei-Tag besteht bei Luis neben der Arbeit an den Völkern mittlerweile auch zu einem nicht unerheblichen Teil aus Autofahren. Nachdem er an einem Freitag bis mittags im Büro gearbeitet hat, geht es zuerst ins Lager. Dort werden alle nötigen Materialien eingepackt, dann fährt er zu den verschiedenen Ständen. Die sechzig Völker stehen nicht alle an einem Fleck, sondern sind auf ca. zehn Plätze verteilt, von denen aber nur sechs richtige „Wirtschaftsstände“ mit jeweils rund zehn Völkern sind. Die restlichen vier Stände werden für Jungvölker und Königinnenzucht verwendet. Im Mai und Juni macht Luis zum Beispiel die Schwarmkontrolle. Dabei schaut er in jedes Volk hinein und checkt ab, wie es diesem im Moment geht. Manchmal müssen Ableger gemacht werden. Dabei handelt es sich um Jungvölker, die kleiner sind als normale Völker und der Bestandsverjüngung, dem Verlustausgleich und dem Verkauf anJungimker dienen. Sollte dem Volk der Platz für Honig ausgehen, dann fügt Luis neue Honigräume hinzu. Das alles dauert dann schon mal bis abends und nach einem Feierabendbier am letzten Stand kommt Luis meistens erst gegen 22 Uhr nach Hause. Je nachdem wie problemlos die Durchsicht lief, geht es am Samstagmorgen direkt weiter. So lange bei den Wirtschaftsvölkern alles gut läuft, machen diese wenig Arbeit. Viel zu tun gibt es eher bei den Völkern, die nicht so gut laufen, bei den Jungvölkern und der Königinnenzucht. Zum Saisonende im Juli und August hat Luis sehr viel mehr Arbeit. Bei der Einwinterung der Bienen und der Behandlung der Bienen gegen die Varroa-Milbe, ein Parasit, der bei übermäßiger Belastung dem Volk schaden kann, folgt manchmal ein 16-Stunden-Tag auf den nächsten. Da die Imkerei in den meisten Fällen ein Termingeschäft ist, gibt es den Ausspruch „Ich mach das jetzt nicht, ich habe da jetzt keine Lust drauf“ nicht. Es ist egal, ob es zwölf Grad kalt ist und nieselt oder 35 Grad im Schatten hat, „es muss halt einfach gemacht werden.“

Imker = Organisationstalent

Die Arbeit am Volk, wie zum Beispiel die Durchsicht, nimmt aber eher den kleineren Teil der Zeit in Anspruch. Sobald die Imkerei nicht mehr im Hobbybereich betrieben wird, geht die meiste Zeit für die Jungvölkerbildung, die Königinnenzucht, die Materialwartung, die Honigverarbeitung und die Organisation drauf. Wie gut man die Völker im August/September „einwintert“, entscheidet signifikant darüber, wie gut das nächste Frühjahr wird. Und das alles zu managen ist richtig viel Arbeit. „Man muss da versuchen jeden Ablauf so gut es geht zu optimieren, sonst kommt man da zeitlich einfach nicht mehr hinterher.“ Je mehr Völker ein*e Imker*in hat, umso weniger Zeit verbringt sie*er während der Saison mit der Arbeit an diesen, denn auch das Material muss gewartet und hergerichtet und der Honig verarbeitet werden. Zwar ist Imkern am Anfang ein Hobby, bei dem man viel für sich ist, doch je größer die Imkerei wird, umso mehr muss man mit Menschen in Kontakt treten, wenn man den Honig in Selbstvermarktung absetzt. Es müssen passende Vertriebswege gefunden und neue Stände für die Bienen ausgekundschaftet werden.

Winterurlaub: Fehlanzeige!

Wer jetzt denkt, dass Imker*innen nur im Sommer was zu tun haben, irrt sich. Die Bienen beanspruchen Luis das ganze Jahr über. „Im Winter muss man zwar nur immer hoffen, dass alles gut geht“, aber auch in der kalten Jahreszeit überprüft ein*e Imker*in regelmäßig den Futterstand an den Völkern und schaut nach, ob alles in Ordnung ist, wenn der Wind mal etwas heftiger geweht hat. Hinzu kommt, dass jetzt die Honigverarbeitung ansteht, denn die Temperaturen passen und Zeit hat Luis auch. „Wenn man im Sommer erst acht Stunden gearbeitet hat und dann noch sechs Stunden Bienen gemacht hat und dann kommst du nach Hause und sollst noch drei Stunden Honig machen … irgendwann sprengt das den Rahmen.“ Deswegen wird der etwas ruhigere Winter für diese Aufgabe genutzt.

Wenig Geld und große Träume

Zwar wird Honig als Superfood und flüssiges Gold betitelt, doch Geld verdient Luis mit seinen sechzig Völkern bisher nicht. Selbst nach über fünf Jahren ist er immer noch in den roten Zahlen. Landwirtschaft ist immer ein „Pokern mit der Natur“ und das trifft auch auf die Imkerei zu. 2019 bis 2021, sagt Luis, waren schlechte Honigjahre im Allgäu. Der Start in die Saison 2022 war „nicht gut aber im Vergleich zu den letzten drei Jahren ein Segen“. In einem sehr guten Jahr gibt es 20mal so viel Honig pro Volk wie in einem sehr schlechten, was eine große Spanne ist. Im Moment reicht Luis Umsatz gerade mal, um die laufenden Kosten zu decken. Allerdings hat er dann immer noch keine neuen Maschinen angeschafft, seine alten gewartet, oder die knapp 60.000 Euro Anfangsinvestitionen ausgeglichen. 

Ein Wunsch von Luis wäre es, dass „die Leute wieder sehen, was Honig eigentlich für ein edles Lebensmittel ist, das da produziert wird und dass das auch wieder wertgeschätzt wird. Es war ja nicht umsonst viele Jahrtausende in einigen Kulturen die Speise der Götter.“ Leider ist das Verständnis für den Arbeitsaufwand und die Bereitschaft, für ein gutes Lebensmittel Geld zu bezahlen, zurückgegangen. Für die Imker*innen wäre es aber wichtig, dass sich das wieder ändert. Weiterhin hofft Luis, dass es wieder regelmäßigeren Niederschlag gibt und sich die Natur „ein bisschen einkriegt.“ Er selbst hat große Pläne, denn sein persönliches Ziel wäre ein solider Nebenerwerb als Imker mit 70 Völkern, was er dann hoffentlich auch „gut nebenher auf die Kette bekommt.“

Ihr wollt mehr wissen? Luis findet ihr auf Instagram unter @honigfaktur oder im Internet unter honigfaktur.de. Dort nimmt er euch mit auf die Autofahrten durchs wunderschöne Allgäu und gewährt einen Einblick hinter die Kulissen seiner Imkerei. Seinen Honig könnt ihr sogar bei ihm bestellen, dafür schreibt ihr am besten eine Mail an luis@honigfaktur.de oder eine DM auf Instagram.

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