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Europawahl 2024: Gebt der Jugend das Kommando!

Europawahl 2024: Gebt der Jugend das Kommando!

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  • „Kann ein junger Mensch die Konsequenzen seines Handelns überblicken?“, Alexander Hoffmann von der CSU zweifelt da. Ich denke: Wer schon in der Bundeswehr dienen darf, wer schon Parteimitglied sein darf, der*die darf auf jeden Fall auch wählen gehen. Ein Kommentar.

Vor einem Jahr gab es im Bundestag eine hitzige Debatte – angeregt durch eine Entschließung des EU-Parlaments: Dürfen Minderjährige bei der Europawahl wählen? CDU und AfD waren dagegen. Durch die Zustimmung von Ampel und Linken setzte der Bundestag dennoch eine Senkung des Wahlalters durch. In drei Wochen ist Europawahl und erstmals darf dafür in Deutschland ab 16 Jahren gewählt werden. Endlich, finde ich!

Wahlalter auch in anderen Ländern schon unter 16 Jahren

Bisher dürfen bei der EU-Wahl sonst nur in Österreich, Malta und Belgien Bürger*innen ab 16 Jahren und in Griechenland ab 17 Jahren wählen. Dass es in diesen Ländern erlaubt ist, hat gute Gründe! Warum sollten Jugendliche nicht wählen dürfen? Politik betrifft sie auch. Selbst in der EU: Erasmus, Interrail, Normen von Ladekabeln oder Klimaschutzmaßnahmen. Dinge, die in der EU passieren, interessieren und betreffen junge Menschen. Sie sollten mitbestimmen dürfen. Und wenn wir uns den demografischen Wandel anschauen, werden sonst bald immer mehr ältere Menschen über die Zukunft von jungen Menschen entscheiden.

Gegner*innen einer Wahlalterssenkung befürchten, dass Jugendliche noch nicht reif genug seien. Aha! Die Entwicklungsforschung sagt, dass 16- und 17-Jährige schon die gleiche Reife haben wie Volljährige. Nur in ihrer Wahlentscheidung sind sie unsicherer als ältere Menschen. Und das ist ja auch total logisch und wahrscheinlich auch gut! Denn was ist schon Demokratie, wenn ich mein Kreuz aus Gewohnheit einfach jedes Mal bei meiner Stammpartei setze? Grübeln vor der Wahl regt zum Informieren an!

Man solle das Wahlalter an die Volljährigkeit knüpfen, vorher traue man den Jugendlichen auch viele andere Dinge nicht zu, heißt es bei der CDU. Dabei ist die Verknüpfung zwischen Volljährigkeit und Wahlalter eine willkürlich konstruierte. Als man die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren erhielt, lag das Wahlalter auch schon bei 18 Jahren. So so.

Niedriges Wahlalter als Chance?

Wenn ich mir anschaue, wie junge Menschen bei der Landtagswahl 2024 in Bayern gewählt haben, sah es auch nicht so aus, als würden sie das Ruder rumreißen, das ist mir bewusst: 16 Prozent AfD. Im Gegensatz dazu nur 7 Prozent bei den Ü70. Aber was sind die Gründe? Zukunftsangst, Klimawandel, Jugendarmut, Inflation, Kriege oder ist es einfach „Verblödung“?

Wenn es Letzteres ist, dann könnte das aktive Wahlrecht ab 16 eine Chance sein: Auch wenn es erstmal so aussieht, als ob viele Jugendliche noch nicht so richtig verstanden hätten, was die EU für ein Schatz ist – laut einer Studie stimmen nur 45 Prozent der Aussage „Deutschland wäre ohne die EU besser dran“ überhaupt nicht zu. Aber wer politisch aktiv mitentscheiden darf, der wird sich auch mehr mit Politik beschäftigen. Und gerade mit 16 und 17, wenn man noch zur Schule geht, ist man dafür im besten Kontext. Demokratie ist eben ein Lernfeld.

Eine richtige Entscheidung also, dass jetzt endlich jüngere Menschen das EU-Parlament mit wählen dürfen. Meinetwegen darf die Politik ruhig noch mutiger sein: Wie wäre es, diese Regelung auch bei der Bundestagswahl und den Landtagswahlen in den Ländern umzusetzen, in denen bisher erst ab 18 gewählt werden darf?

Das Alter ist nicht der einzige Faktor!

Manche Verbände wie das Deutsche Kinderhilfswerk fordern sogar das aktive Wahlrecht ab 14. „Ja, wo wollen wir denn da hinkommen?“, „Drehen die jetzt völlig am Rad?“, werden reaktionäre Kräfte jetzt rufen. Da frage ich mich: Worum geht es in dieser Debatte wirklich? Um sachliche Argumente oder eher darum, sein konservatives Profil zu schärfen? Man munkelt.

Vielleicht müssen wir uns einfach darauf einigen, dass Verantwortung und Wahlverhalten individuell sind, sicherlich von Alter beeinflusst, aber nicht bestimmt werden. Den 16-Jährigen, der nicht zur Wahl geht, weil er lieber ausschlafen will, gibt es genauso wie den 56-Jährigen, der „aus Protest“ sein Kreuz für die AfD setzt. Es gibt den 17-Jährigen, der politikfanatisch ist und den 40-Jährigen, den Politik überhaupt nicht juckt.

Herbert Grönemeyer würde sagen: „Gebt den Kindern das Kommando“. Wo doch sowieso gerade alle so unzufrieden sind mit „denen da oben“, da kann doch gar nichts Schlimmeres passieren… (da würden mir jetzt bestimmt auch Merz und Söder zustimmen). Probieren wir es einfach aus.

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