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Angetrieben durch Wut- FLINTA* im Aktivismus: Teil 2
Dunkel Hell

Angetrieben durch Wut- FLINTA* im Aktivismus: Teil 2

Klimakrise, Patriarchat, soziale Ungleichheit – Gründe, wütend zu sein, gibt es für FLINTA* mehr als genug. Ihre Wut wird aber oft nicht ernst genommen. Aktivist*innen erzählen, welche Rolle die Emotion in ihrem Engagement spielt.

Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Wutentbrannt – FLINTA zwischen Ärger und Antrieb”, in der wir Wut und die unterschiedliche Wahrnehmung von Wut bei Frauen*, Lesben und intersexuellen, nicht binären, trans und agender Personen (FLINTA*) im Vergleich zu cis Männern beleuchten.

FLINTA* von KIBA Bamberg: 

Ein politisch linkes Weltbild haben, macht häufig wütend: Wütend auf rassistische, sexistische, queerfeindliche, ableistische Strukturen, wütend auf den Kapitalismus, wütend auf ein System, in dem sozialer Fortschritt so langsam vor sich geht, dass mensch es auch Stillstand nennen könnte.  Als FLINTA* zu existieren, macht mindestens genauso häufig wütend: Wütend auf das Patriarchat, wütend auf Heteronormativität, wütend auf Transfeindlichkeit. Patriarchale Strukturen sind auch in der linken Szene tief verankert, und wir alle haben die Folgen davon erlebt. Wenn wir beim Plenum schon wieder die ganze Zeit von Männern unterbrochen werden, wenn wir von übergriffigem Verhalten von anderen Linken berichten und nicht ernst genommen werden, wenn wir weggeschickt werden, wenn wir bei Demos in die erste Reihe wollen, wenn unsere Stimmen einfach nicht gehört werden, weil wir FLINTA* sind, dann macht das extra wütend. Viele von uns nutzen Wut als Antrieb für Aktivismus, beziehungsweise den Aktivismus als Ventil für Wut. Ohne die Energie in Organisationen zu stecken oder manchmal bei Demos einfach rauszubrüllen, würden wir wahrscheinlich irgendwann explodieren.   Gemeinsam mit anderen FLINTA* wütend zu sein, ist oft eine sehr befreiende Erfahrung, auch wenn wir alle verschieden sind und verschiedene Erfahrungen gemacht haben, gibt es ein gemeinsames Grundverständnis für unsere Wut. Diese Geschwisterschaft ist ebenfalls ein großer Antrieb, weiterhin politisch aktiv und wütend zu sein.

Lena Werner moderiert regelmäßig Demonstrationen der Ortsgruppe von Fridays For Future. Fotos: Kim Becker

Lena Werner von Fridays For Future Bamberg:

Ich glaube, für mich ist Wut sogar fast der hauptsächliche Antrieb für meinen Aktivismus, oft mischt sich diese mit Enttäuschung, Kopfschütteln und Angst.  Ganz oft schaut man auf die aktuelle Politik, auf den Ist-Zustand der Welt, und merkt einfach, dass es so nicht weitergehen kann. Bei mir kommt diese Wut ganz oft auf, wenn Politiker*innen Klimaschutz nicht ernst nehmen und höchstens als ein “nice-to-have” behandeln, wenn es gerade im Wahlprogramm schön klingt und gerade keine andere Krise gibt. Dann weiß ich nicht, ob ich weinen oder schreien soll, weil es verdammt noch mal um Menschenleben geht, weil die Klimakrise längst kein Zukunftsproblem mehr ist und weil es jetzt brennt – und trotzdem nicht ernstgenommen wird… Uns rennt die Zeit davon und wir können uns ein einfaches “weiter wie bisher” nicht leisten. Bei diesem Thema kann auch schnell eine gewisse Machtlosigkeit sowie Angst und Verdrängung aufkommen, aber mein Aktivismus hilft mir dabei, immer und immer wieder an dieses Thema zu erinnern und die Politik und die Bevölkerung auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Außerdem helfen laute Demosprüche richtig gut, um Wut und Stress rauszulassen!

FLINTA* der Amnesty International Hochschulgruppe Bamberg:

Die Wut in uns ist bei jedem ein Teil des Aktivismus von Amnesty International – ob als Antreiber des Engagements oder als Folge des Engagements. Zum einen die Wut, die einige von uns zum Aktivismus antreibt, weil sie Ungleichheit und Ungerechtigkeiten in Form von Menschenrechtsverletzungen innerhalb der eigenen Gesellschaft oder auch in Gesellschaften in anderen Ländern sehen und handeln wollen. Zum anderen die Wut in uns, weil man als Einzelperson kaum etwas an den wahrgenommenen Verletzungen der Menschenrechte verändern kann. Das Engagement hilft uns im kleinen Rahmen, diese Ohnmacht und die Wut zu minimieren. Außerdem die Wut in uns, die bei manchen erst entsteht, weil man im aktivistischen Engagement nicht immer zu schnellem Erfolg kommt. Das intensive Auseinandersetzen mit Themen sowie die Wahrnehmung weiterer Menschenrechtsverletzungen verstärken die Wut. Daher freut man sich auch über kleine Schritte des Erfolgs. Die Wut in uns wird nie so stark sein, wie die Empathie und das Interesse, sich für andere einzusetzen.

Die Omas gegen Rechts Bamberg sind auf Demonstrationen immer leicht zu erkennen: Mit Banner, Schirmen, Flaggen und Ansteckern sind sie Teil vieler Aktionen.

Elisabeth Rösner von den Omas gegen Rechts Bamberg:

Unsere Ortsgruppe von Omas gegen Rechts hat sich auch deshalb gegründet, weil wir darüber wütend waren und noch sind, wie gleichgültig rechte Tendenzen in der Gesellschaft ignoriert werden. Nach rechts ist die Sehschärfe und das Gesichtsfeld stark eingeschränkt. Am Beispiel von Lichtenhagen lässt sich die Verantwortungslosigkeit gut nachvollziehen. Ein grölender Mob applaudiert den Brandstiftern. So darf es nicht weitergehen! Wir mischen uns ein. Und wir setzen uns ein, gegen Diskriminierung jeder Art. Dabei haben wir immer den Wunsch vor Augen, jüngeren Generationen durch unsere Lebenserfahrung die Fehlentwicklungen aufzuzeigen. Ein paar von uns Omas haben schon mal bemerkt, dass ihre Wut belächelt oder als “Hysterie” abgestempelt wird. Das hindert uns aber nicht – im Gegenteil: Wir bündeln in der Gruppe unsere Wut und wandeln sie in Aktionen um. Als Korrektiv stellen wir uns gegen Frauenbilder, die an die Nazizeit erinnern und von bestimmten Parteien vorgetragen werden, und gegen rechte Hetze.

Parand Khamissifar engagiert sich in einer Gruppe Bamberger Iraner*innen.

Parand Khamissifar von Bamberger Iraner*innen: 

Als eine stark erlebende Emotion kann Wut manchmal den Menschen die Kraft geben, etwas zu ändern oder eine bestimmte Situation zu verbessern. Als eine iranische Frau mit unzähligen bitteren und schmerzhaften Erfahrungen und Erinnerungen im Schatten der islamischen Republik, kenne ich das Gefühl von Wut sehr gut. Besonders nach dem Tod von Mahsa/Jina Amini und den darauffolgenden massiven Demonstrationen im Iran, erlebte ich die höchste Intensität von Wut. Natürlich treibt mich Wut dazu an, mit aller Kraft für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen und zum Kämpfen hat man tausend Möglichkeiten. „Jede Person sollte von ihrem Standpunkt einen Schritt vorkommen.“ Dieser Satz ist unter den Iranern seit Beginn der Freiheitsbewegung im Iran zu einem Motto geworden und so motiviert mich Wut, nach diesem Motto alles zu tun, was ich kann, obwohl ich nicht mehr im Iran bin. 

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