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Jiddisch für Anfänger*innen

Jiddisch für Anfänger*innen

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  • Eine Sprache, die seit Jahrzehnten in Vergessenheit geraten schien, wird durch eine Netflix-Serie neu ins Bewusstsein der Menschen gerufen. Genau das ist dem Jiddischen im letzten Frühjahr durch „Unorthodox“ geschehen. Doch woher kommt diese Sprache – und was sollten wir über sie wissen?
Diesen Artikel gibt’s auch zum Anhören:

Abzocke“, „Kaff“ oder auch „vermasseln“ –in unserer heutigen Alltagssprache finden sich zahlreiche Spuren des Jiddischen.  Doch während Gallizismen, also französischstämmige Worte, oder Anglizismen für die meisten Menschen direkt erkennbar sind, verhält sich dies mit vielen der Begriffe jiddischen Ursprungs anders. Und auch, wenn Sprecher*innen des Deutschen jiddische Gespräche hören, scheinen sie einiges davon zu verstehen oder zumindest Begriffe wiederzuerkennen. Dies hat eine logische Ursache: Denn sowohl das Jiddische als auch das Deutsche zählen zu den westgermanischen Sprachen. Und anders als viele denken, ist Jiddisch kein Dialekt des Deutschen, sondern eine eigene Sprache, die auf eine etwa tausendjährige Geschichte zurückblickt.

Eine eigene Sprache mit tausendjähriger Geschichte

Das Jiddische entwickelte sich zwischen dem neunten und zwölften Jahrhundert aus dem Mittelhochdeutschen. Der genaue Ursprung der Sprache ist ansonsten unbekannt. Vermutet wird aber, dass sich der Sprachgebrauch in Süddeutschland entwickelte – als Mischung aus dem damals alltäglichen Mittelhochdeutsch mit hebräischen und aramäischen Elementen. Schnell wurde Jiddisch eine Art „Alltagssprache“ in den jüdischen Ghettos des Spätmittelalters, während das Hebräische nur zu religiösen Anlässen genutzt wurde. Bis heute zeigt sich die Verbundenheit des Hebräischen und des Jiddischen in der Schrift: Denn auch Jiddisch wird mit hebräischen Schriftzeichen geschrieben.

Während der Pestpandemien des Spätmittelalters floh ein großer Teil der jüdischen Einwohner*innen Mitteleuropas vor Pogromen und Verfolgung in östliche Gebiete des Kontinents. So lässt sich erklären, weshalb zahlreiche slawische Elemente Einzug in den jiddischen Sprachgebrauch fanden. Zudem entwickelte sich das Jiddische ab diesem Zeitpunkt in zwei große Dialekte: Das Westjiddische, das sich weiterhin stark am Deutschen orientierte, und das vorherrschende Ostjiddisch, auch Neujiddisch genannt.

Die jiddische Sprache wird bis heute aktiv gesprochen – zum Beispiel in New York

Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 wird die Zahl der jiddischsprechenden Menschen auf etwa 12 Millionen Sprecher*innen geschätzt. Diese lebten vor allem in Osteuropa und den USA. Die meisten von ihnen wurden in der Shoah ermordet.  Vor allem durch die jüdischen Gemeinden Nordamerikas bestand die jiddische Sprache dennoch weiter und wurde weiterhin aktiv gesprochen – und wird es bis heute. Das durch „Unorthodox“ prominent gewordene Beispiel sind die ultra-orthodoxen Jüd*innen im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn, in Williamsburg.

Dass wir in unserem heute gesprochenen Deutsch viele Wörter jiddischen Ursprungs kaum mehr erkennen, liegt an der langen, parallelen Geschichte der beiden Sprachen, die sich in einem ähnlichen Gebiet entwickelten. Was jedoch nicht vergessen werden sollte, ist: Jiddische Wörter wurden im Deutschen auch immer wieder direkter Ausdruck von Antisemitismus. Gezielt wurden die jiddischen Begriffe zum Spott jüdischen Menschen gegenüber gebraucht. Dies zeigt sich teilweise bis heute an der Konnotation einiger jiddisch-stämmiger Bezeichnungen, so zum Beispiel „Ische“. Während das Wort, das aus dem Hebräischen kommt, im Jiddischen einfach nur „junge Frau“ bedeutet, wird es mittlerweile besonders als abwertender Ausdruck für eine Bekannte oder Liebschaft verwendet.

Für einen sensiblen und bewussten Umgang mit Sprache ist es darum sinnvoll, einen Überblick über einige der verbreitetsten Begriffe im Deutschen zu haben, die aus dem Jiddischen entlehnt sind: