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Uni Bamberg (Taylor’s Version)

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  • Was Harvard kann, kann Otto-Friedrich schon lange. Jörn Glasenapp bietet seit dem Sommer 2023 etwas an, was an der ältesten Uni der USA als Neuheit verkauft wird: ein ganzes Seminar nur über Taylor Swift.

Herr Glasenapp, was ist Ihr aktueller Lieblingssong von Taylor Swift?

Jörn Glasenapp: Wow! Eine wirklich schwierige Frage! Ich glaube, es ist „Blank Space“. Bei dem Lied bin ich mir am sichersten, dass es noch lange einer meiner großen Lieblinge bleibt, knapp gefolgt von „Cruel Summer“ und „We Are Never Ever Getting Back Together“. „Blank Space“ finde ich melodisch unglaublich stark, er ist fantastisch produziert und liefert enorme textliche Raffinesse. Letztlich steht dies nur beispielhaft für eine Reihe Swift-Songs…

Was fasziniert Sie am meisten an Taylor Swift?

Ganz einfach: Sie ist eine großartige Songwriterin. Es gibt wenige Musiker*innen, die Melodien von so einem hohen Wiedererkennungswert komponieren, gleichzeitig aber auch immer originell bleiben. Bereits der Song „Love Story“ von ihrem zweiten Album ist dafür ein gutes Beispiel: Es ist geprägt von melodischer Einfachheit, vor allem natürlich im Refrain, der es einem schwer macht zu glauben, dass es seine eingängige Hookline nicht schon lange vorher gegeben hat.

Wie erklären Sie es sich, dass Taylor Swift seit einiger Zeit auch vom seriösen Feuilleton, etwa der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung, gefeiert wird?

Ich glaube, dass es an ihren zwei Alben „Folkore“ und „Evermore“ liegt, die während der Pandemie erschienen sind. Sie bewegte sich mit ihnen vom eher ‚weiblich‘ konnotierten Pop, den wir auf den Alben „1989“, oder „Lover“ hören, in den Indie-Bereich. Und der gilt nach wie vor eher als ‚männliche‘ Domäne. Hinzu kam die Zusammenarbeit mit Indie-Größen wie Aaron Dessner von „The National“ oder Justin Vernon von „Bon Iver“. Die Konsequenz: Nun ‚durfte‘ man auch als Nicht-Mainstream-Musikhörer*in Swift gut finden. Ich bin da zwiegespalten. Ja, „Folklore“ und „Evermore“ sind toll, aber ich finde, es sagt schon viel aus, dass Taylor Swift erst ihre nun wirklich breite Palette um den Indie-Bereich erweitern musste, um als Musikerin von der breiten Öffentlichkeit ernst genommen zu werden.

Taylor Swift hat sich über die Zeit immer wieder weiterentwickelt und neu erfunden. Hätte sie das auch als Mann gemusst?

Ich glaube, nein. Denn es gilt im Popbereich nach wie vor die misogyne Regel: Der Veränderungsdruck ist bei Frauen im Vergleich zu Männern viel stärker. Man schaue sich nur Bruce Springsteen, Metallica oder die Toten Hosen an… 

Ist Taylor Swift eine Feministin?

Sie spricht sich durchaus als Feministin aus – in Reden, Statements und auch in ihren Songs. „The Man“ vom „Lover“-Album ist dafür ein gutes Beispiel. Allzu viele Tracks dieser Art gibt es bei Swift aber nicht, da sind andere Künstler*innen erheblich stärker profiliert. Beyoncé zum Beispiel hat diesbezüglich erheblich mehr zu bieten.

Taylor Swifts Eras Tour ist ein voller Erfolg mit über 170 Tour-Terminen in den Jahren 2023 und 2024. Zusätzlich wurde Taylor Swift vom Time-Magazine zur „Person of the Year“ ernannt. Was ist ihr Schlüssel zum Erfolg?

Taylor Swift will den Hit. Und sie schafft es, immer wieder Hits zu generieren. Diese werden von den Massen begeistert aufgenommen. Denn Swift ist meiner Meinung nach eine der besten Songwriter*innen überhaupt, egal ob kompositorisch, musikalisch oder lyrisch. Zudem ist sie eine Person, die unglaublich gut mit anderen zusammenarbeiten kann. Man denke an ihre Kollaborationen mit Produzent Max Martin, den Swift vor allem auf „1989“ zur besten Leistung seiner Karriere gepusht hat. Und dann ihr Kontinuität: Neben Taylor Swift fallen mir nur die Rolling Stones, die Beatles und David Bowie ein, die zehn große relevante Alben hintereinander herausgebracht haben.

Viele Fans fühlen sich Taylor Swift sehr nahe und haben das Gefühl, sie zu kennen. Dabei ist sie ein fremder Mensch. Wie schafft sie es, dieses Gefühl zu erzeugen?

Swift ist eine Künstlerin, die auf die Nähe zu den Fans extrem viel Wert legt. Egal was sie tut, Taylor Swift transportiert immer das Gefühl: „Ich bin zwar hier auf der Bühne, aber eigentlich gehöre ich zu euch!“ Perfektionismus strahlt sie dagegen nicht so stark aus. Es ist geradezu umgekehrt. Das ist unter anderem in ihrem tollen Musikvideo zu „Shake It Off“ erkennbar, in dem sie ein Nicht-Mithalten-Können bzw. -Wollen auf urkomische Art und Weise zur Schau stellt. Oder denken Sie an den bekannt gewordenen Apple-Werbeclip, in dem sie auf einem Laufband heftig hinfällt. Das passiert uns allen mal. Dass es auch einem Star passiert, schafft Nähe.

Inwiefern könnte man Taylor Swift kritisch betrachten?

Ich würde sagen, dass sie 2016 nicht gegen Donald Trump politisch Stellung bezogen hat, war ein Fehler, den sie glücklicherweise seit 2018 wiedergutzumachen sucht. Sicher, Künstler*innen haben das Recht, sich politisch nicht zu äußern. Ich bin gespannt, was Swift tut, wenn Trump in ein paar Monaten zum Kandidaten der Republikaner gewählt werden sollte…

Foto von Jörn Glasenapp
Jörn Glasenapp ist Lehrstuhlinhaber für Literatur und Medien und bekennender Swiftie; Foto; Privat

Sie haben ein Buch über Taylor Swift geschrieben: Worum geht es darin genau?

Das Buch ist dreigeteilt. Der erste Teil behandelt die einzelnen Alben oder „Eras“ Swifts, vom Debüt 2006 bis zum neuesten Album „Midnights“. Ich gehe Album für Album chronologisch durch und berücksichtige die Musik, die Texte, die Videos und den einen oder anderen Skandal, in den Swift im Laufe ihrer Karriere verwickelt war.

Der zweite Teil befasst sich mit der politischen Ebene. Ich behandle unter anderem Swifts spätes Engagement gegen Donald Trump und Trumpismus sowie ihr Eintreten für feministische Belange und LGBTQ-Rechte. Zum Abschluss gehe ich auf die Fans, die sogenannten „Swifties“ ein. Die dürfen selbstverständlich nicht fehlen, denn Taylor Swift ist eine der wenigen Künstler*innen, bei der die Fans ebenfalls als Attraktion gelten können.

Sie haben sogar zweimal die Eras Tour besucht. Wie war das Erlebnis?

Ich habe sie in Las Vegas gesehen, relativ am Anfang der Tour, und das war schon wirklich grandios. Der Sound war fantastisch. Nashville war jedoch auch wunderbar. Sie haben dort ein großes, tolles Stadion, aber im Gegensatz zu dem in Las Vegas ist es oben offen. Am Abend des Konzerts war es sehr windig, weshalb die Musik teils regelrecht “weggeweht” wurde. Die „Swifties“ in Nashville zu erleben – also in der Stadt, in der Taylor Swift zum Star wurde – hat sich angefühlt wie ein Swift-Heimspiel!

Fun & Facts

  • Taylor Swift ist 1989 in Reading, Pennsylvania geboren. Um ihre Karriere ins Rollen zu bringen, zog sie schon in jungen Jahren mit ihrer Familie in die Musik-Hochburg Nashville.
  • Die sogenannten „Swifties“ sind die Fans von Taylor Swift
  • Die Eras Tour ist Taylor Swifts aktuelle Konzerttour. Da sie seit dem Beginn der Corona-Pandemie zwei neue Alben herausgebracht hat und viele ihrer alten Alben aufgrund eines Rechtsstreits neu aufgenommen und herausgebracht hat, spielt sie auf der Tour nicht nur ein Album, sondern ausgewählte Songs aus ihrem ganzen Sortiment.
  • In dem Musikvideo zu ihrem Song „Shake it off“ ist Taylor Swift mit Tänzern unterschiedlicher Tanzstile zu sehen und tanzt wortwörtlich immer aus der Reihe.
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