Glücklicherweise arbeitet eine Freundin mittlerweile in Amsterdam – nach ein paar Tagen Bedenk- und Planungszeit begab ich mich Samstagmorgens zur Fernbushaltestelle. Der Busfahrer wollte mich mit meinem kleinen Rucksack nicht in den Bus lassen, weil der zu schwer war – schwachsinnig, aber war halt so. Die 10 Stunden Busfahrt waren dank des sächselnden, in das Mikrofon hauchenden Busfahrers erträglich – leider durfte ich am Bahnhof erstmal eine gute halbe Stunde warten, weil die Freundin die vorige Nacht viel zu viel geraucht und sich dadurch verspätet hatte.
Überhaupt scheint Gras in Amsterdam absolut omnipräsent zu sein – an jeder zweiten Straßenecke in Amsterdam stinkt es hart nach Gras! Ich hatte erwartet, dass es sich im Wesentlichen auf die Partymeilen und Coffeeshops beschränkt, aber man riecht es beim Supermarkt, auf der Fähre, am Bahnhof, auf der Hauptstraße, in den Grachten etc. pp.
Ich lasse mich von meiner Begleitung zum einzigen Coffeeshop führen, der fertige gemischte Joints anbietet. Dieser besteht nur aus einem langen, recht hell erleuchten Eingangsbereich, einem Fernseher, dem Tresen sowie einer Unisextoilette. Die Toilette ist ziemlich widerlich und im Fernsehen läuft nur irgendwelcher Gangstarap – der Laden schockt mich und wir sehen zu, dass wir nach dem Graserwerb Land gewinnen.
„Land gewinnen“ ist relativ zu sehen, da wir uns an das Ufer einer Gracht setzen und einen der Joints zamrauchen. Interessanterweise werde ich trotz oder wegen des Graskonsums aktiv und will mich in eine gute Bar setzen – nach einer halben Stunde Erkundung der Spuistraat inclusive unheimlicher Begegnungen zieht es uns magisch in das „Poolhole“. In dieser Kellerbar läuft ausgezeichneter Classic Rock; wir spielen Brettspiele am Tisch und trinken günstiges fruchtig schmeckendes Starkbier. Glücklicherweise steht meine Begleitung ebenfalls auf Frauen, sodass wir uns ungehemmt über Titten und Ärsche unterhalten können. Auf der Fähre – Fähren dienen in Amsterdam als Brückenersatz und sind kostenlos — verpasse ich meiner Begleitung eine Ganzkörpermassage und entweihe anschließend im WG-Zimmer ihre viel zu weiche Matratze.
Das Frühstück besteht aus selbstgemahlenem Kaffee und lecker Vla – Vla ist wie Pudding, nur dünnflüssiger. Mein „Nachtisch“ ist besagte Freundin auf der Waschmaschine und unter der Dusche. Klischees, Realität und Filme beeinflussen sich wechselseitig – in Bezug auf meine Amsterdamtour hatte ich die einzige gute Szene aus „Die Regeln des Spiels“ im Hinterkopf (Link 1 und Link 2). Nutten und harte Drogen interessieren mich nicht; Gras, Alk und Sex hatte ich bereits, also bleibt im Wesentlichen nur Kultur und das Sexmuseum – sprich: noch mehr Kultur!
Das nächste Amsterdamklischee sind die vielen Fahrräder – gerade am Hauptbahnhof findet man eine unglaubliche Menge Fahrräder, die zum Teil sogar auf ausgedienten Fähren und mehrstöckigen Fahrradparkhäusern abgestellt werden! Daheim fluche ich als Radfahrer immer über all die Verplanten, die mir in der Innenstadt vors Rad laufen. Doch an diesem Wochenende sind die Rollen vertauscht – ohne meine werte Begleitung wäre ich schon ein Dutzend mal an- oder überfahren worden!
Meiner Meinung nach ist das Sexmuseum gerade für eine Stippvisite Pflicht – es kostet nur 4€, ist sehr erheiternd und man ist in einer halben Stunde durch. Nach dem Erwerb einer unglaublichen Fett-Protein-Bombe begeben wir uns wieder zur WG meiner Begleitung und nutzen den herrlichen Sonntagnachmittag zur Entspannung auf dem Balkon.
Gasherde sind immer noch weitverbreitet in den Niederlanden; wir als Deutsche sind im Umgang damit nicht sehr erfahren und dieser Umstand bescherte uns am Sonntagabend noch Action. Beim Kochen bemerkten wir einen seltsamen chemischen Gestank, der immer stärker wurde und nach dem Kochen auch nicht aufhörte. Als wir benommen wurden und uns in das Thema „Gasleck“ eingelesen hatten, verließen wir nach Deaktivierung unserer Handies die Wohnung und riefen die Feuerwehr. Diese erreichte nach etwa 10 Minuten das Haus und gab nach kurzer Suche Entwarnung. Die Vermutung der später eingetroffenen Mitbewohner war, dass die Nachbarn unter uns vielleicht eine Pfanne mit Bakelitgriff verschmort hätten..
Meine Gastgeberin arbeitet unter der Woche, folglich ging sie kurz danach schlafen. Ich als Nachtaktiver konnte mich abends noch mit den heimkehrenden Mitbewohnern unterhalten – in Deutschland hatte ich gehört, dass New Kids über das Bild der Niederländer über die Deutschen sei. Dies scheint unwahr zu sein! Doch auch der letzte Mitbewohner ging um 2 Uhr schlafen. In der Zwischenzeit hatte ich in der Küche bereits eine Parabelkurve aus leeren Bierflaschen angelegt; der Bierkonsum sollte mir am Folgetag noch zum Verhängnis werden. Doch zuerst konnten wir noch den sogenannten „Blutmond“ genießen – wir hatten einen ausgezeichneten Blick darauf und weitere interessante Gespräche bei Vla und Whiskey!
Ich erwachte Montag“früh“ um 10 Uhr 40. Mein Bus war vor einer halben Stunde auf der anderen Seite der Stadt abgefahren.. nachdem ich den Großteil meines Rausches ausgeschlafen hatte, suchte ich mir im Internet eine Jugendherberge und checkte dort ein.
Die Jugendherberge war günstig, idyllisch gelegen und sehr eng – die Treppe konnte man aufgrund der Stufenkürze (sic!) nur runterstolpern und in den Dreifachstockbetten hatte man soviel Platz wie in einem Panzer. Um nochmal auf „Die Regeln des Spiels“ zurückzukommen: „Lass dir nichts erzählen, Jugendherbergen sind nur was für Arme“.
Nach einer mittleren Odyssee konnte ich in der Nähe einen Supermarkt finden, um meine Bestände zu ergänzen. Nach der Lektüre von diversen Reiseführern beschloss ich mich, meinen letzten Abend in der Partymeile „Leidseplein“ zu verbringen. Auf dem Weg dorthin entdeckte ich die alte Heinekenbrauerei, die in eine Art Museum verwandelt wurde sowie das spektakuläre Rijksmuseum. In der Leidseplein selber reihen sich erstklassige Cafés, Bars und Fresstempel eng aneinander – in der angrenzenden Leidsedwarsstraat darf man Niemandem in die Augen schauen, sonst wird man sofort beschwatzt, sich in das entsprechende Restaurant zum Essen zu setzen! Schlimmer als die Prager Stripschuppen. Von außen auch interessant die Surprise Bar, doch dort hinein sollten sich nur sehr mutige Menschen begeben.
Ich entschied mich zunächst, in das Heineken Café zu gehen – die Bar war auf Heinekenkästen aufgebaut, es gab Wände aus Heinekenfässern und es lief ebenfalls guter Classic Rock. Um ein weiteres Touristenklischee zu bedienen habe ich mir das teuerste Bier meines Lebens gegönnt – an der Bar des Hard Rock Cafés – es war das Geld voll und ganz wert! Zum Schluss begab ich mich noch in das Café Hoopman, das mittlerweile ein Irish Pub war. Das „Old Spickled Hen“ Bier schmeckt im Abgang wie Whiskey..