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Rabbit holes der Redaktion: Blobjects und Nicht-Wasser-Überschwemmungen
Dunkel Hell

Rabbit holes der Redaktion: Blobjects und Nicht-Wasser-Überschwemmungen

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Von Blobjects, Blobism und Blobitechture

Erinnern wir uns zurück an unsere ersten Handys, fallen vielen von uns wahrscheinlich Nokia-„Steine“ und Handys zum Klappen von Motorola oder zum Schieben von Sony Ericsson ein. Einige dieser Designklassiker zählen zu sogenannten „blobjects“. Der Begriff beschreibt einen Stil von Produkten, die meist ohne Kanten gestaltet sind und häufig knallig bunt daherkommen. Die häufig unförmigen beziehungsweise untypisch geformten Gegenstände sind von Aspekten aus Biologie und Computer-Welten beeinflusst: Sie vereinen geschwungene Körper mit symmetrischen Konturen. Kaum ein Nokia-„Stein“ hatte klare Kanten – ebenso wie Sony Ericsson-Handys, die außerdem durch ihre orangefarbene Farbgebung einige Kids in den 2000er Jahren beeindrucken konnten. Aber warum werden diese Produkte „blobjects“ genannt? Das Wort ist ein Portmanteau, also ein Schachtelwort, aus „blob“ und „object“. 

Seit den 1990er Jahren wird der Begriff verwendet – für Handys, Fernseher und vieles weitere – und das auch in digitalen und analogen Medien. Wer das nun liest und Lust auf mehr Infos rund um die Ästhetik-Schmankerl bekommen hat, für den*die habe ich eine gute Nachricht: Das Buch „Blobjects & Beyond: The New Fluidity in Design“ aus dem Jahr 2005 von Steven Skov Holt, Mara Holt Skov, Phil Patton und Bruce Sterling ist als Fernleihe in der Uni-Bib verfügbar. Für die full-on Blobism-Dröhnung neben dem Schmökern empfehle ich Musik, die von den untypischen Formen des Designstils inspiriert ist. Angelehnt an Musik-„bops” (Jugendsprache für sehr gute Songs), taufe ich sie hier mal „blobs“:

Neben Gegenständen und Musik sind aus dem Stil auch architektonische Meisterwerke hervorgegangen. Diese werden unter „Blobism“ sowie „Blobitecture“ gesammelt. Ein Beispiel ist die Sehenswürdigkeit „Metropol Parasol” in Sevilla. Die Konstruktion aus Holz, Stahl und Beton wird als Aussichtsplattform genutzt und ist als „The Mushrooms of Seville” bekannt. Der Architekt Jürgen Mayer H. hat sie Anfang der 2000er Jahre entworfen, als für die Umgestaltung des darunter liegenden Platzes ein Wettbewerb stattfand. Von 2005 bis 2011 wurde das Metropol Parasol gebaut und bahnte sich durch die hohen Kosten, untypische Form und lange Bauzeit seinen Weg in die Schlagzeilen. Aber trotz dieser öffentlichen Kritik, wurde das Bauwerk mit dem Preis „Best of the best 2012“ des Red Dot Design Awards ausgezeichnet, für den „Mies van der Rohe Award 2013“ nominiert und mit dem dritten Preis der „Holcim Foundation for Sustainable Construction“ für Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit belohnt.

Den Abschluss des rabbit holes macht jetzt aber wieder ein blobject. Im Jahr 1997 kam der „New Beetle“ von Volkswagen auf den Markt. Das Auto wurde von J Mays und Freeman Thomas entworfen und ist bis heute für seine geschwungenen Konturen bekannt. Zunächst war das Auto nur in üblichen Farben erhältlich, aber im Jahr 2009 erweiterte VW das Sortiment mit einem Sondermodell. Denn die Barbie feierte ihren 50. Geburtstag und da musste ein komplett pinker Käfer her. Sogar Motor und Ölmessstab des Autos wurden pink eingefärbt und ein extra großer Schminkspiegel angebracht. Der Name des Autos war „Malibu Barbie New Beetle“ – wie übrigens dieses Jahr auch YouTuberin Trisha Paytas ihre Tochter benannt hat. Aber zurück zum Auto: Ich empfehle dringend die Werbung zum gleichnamigen Spielzeug anzusehen – inklusive Banger-Soundtrack „Take a spin, riding in style!“

Um das Cabrio angemessen zu präsentieren, gab es zur Premiere eine Schau in Malibu. Wer könnte eine Barbie-Edition eines deutschen Auto-Modells präsentieren? Für die VW-Chefs war klar: Das kann nur Heidi Klum übernehmen.

Genießt hier also abschließend 2000er-Charme mit dem pinken blobject „Malibu Barbie New Beetle“ und Heidi Klum bei der Präsentationsveranstaltung 2009. 

Von Kim Becker

Vom Tod durch das strömende Bier bis zur Schokoladen-Überschwemmung 

Wer an eine Überschwemmung denkt, hat meist rauschendes Wasser vor dem inneren Auge. Aber was, wenn es sich bei der strömenden Masse um ganz andere Flüssigkeiten handelt? Auch Bier, Whiskey, Pepsi-Säfte und flüssige Schokolade haben in der Vergangenheit große Zerstörung angerichtet.

Am 17. Oktober 1814 um etwa 18 Uhr brachen in London die schweren, leider defekten Metallbügel eines 6,7 Meter hohen Holzfasses auseinander, in dem seit rund zehn Monaten mehr als 610.000 Liter Porter, eine dunkle Bierart, lagerten. Damit begann die erste und wohl bekannteste Nicht-Wasser-Überschwemmung. Die Explosion des Fasses war angeblich bis zu acht Kilometer weit zu hören – und löste einen Dominoeffekt aus: Weitere Fässer brachen auseinander. So rauschten mehr rund 1,5 Millionen Liter Bier durch den Lagerraum und machten die Rückwand der Brauerei zunichte, sodass Ziegelsteine umherflogen. Eine meterhohe Welle ergoss sich in die New Street im Slumviertel St. Giles, wo die Biermasse zwei Häuser zerstörte und zwei weitere schwer beschädigte. Tragischerweise ertranken in der Überschwemmung auch acht Menschen, darunter vier Kinder. Weil sich die Menschen am „Freibier“ bedient hätten, habe es in den darauffolgenden Tagen Massen an Betrunkenen und einen weiteren Todesfall infolge einer Alkoholvergiftung gegeben. Weil die lokalen Zeitungen aber nicht darüber berichtet hatten, ordnete der Brauereihistoriker Martyn Cornell dies in seinem 2010 veröffentlichen Buch „Amber, Gold and Black: The History of Britain’s Great Beers“ als Gerücht ein. 

London Beer Flood of 1814

Anders in Dublin, wo 1875 ein Feuer ausbrach und mehrere Whiskey-Fässer explodieren ließ. Der brennende Alkohol ergoss sich wie eine Lavamasse über die Straßen. An den Rändern des heißen Whiskey-Flusses kamen die Menschen trotzdem zusammen. „Sie zogen ihre Hüte und Stiefel aus, um den Whiskey aufzufangen“, berichtete die Illustrated London Times. So ertrank niemand. Auch zog sich niemand eine tödliche Rauchvergiftung zu, aber Alkoholvergiftungen kosteten 13 Menschen das Leben, 24 weitere mussten im Krankenhaus versorgt werden.

Keine Todesopfer forderte dagegen die Überschwemmung im Jahre 1919 in Brooklyn. Ganz im Gegenteil: Sie löste wohl ein paar strahlende Kinderaugen aus. Wieder war eine Fabrik in Brand geraten, doch dieses Mal stellte sie nicht Schnaps her, sondern Schokolade. Die New Yorker Feuerwehr löschte das Feuer mit Wasser und spülte damit eine Mischung aus Wasser, Butter und geschmolzener Schokolade durch die angrenzenden Straßen. Zucker und Butter trennten sich vom Wasser und bildeten eine Kruste, die die Regenabflüsse der Straße verstopfte und zu einer Überschwemmung führte. Als die Masse abgekühlt war, wurde sie außerdem fettig und rutschig, was die Arbeit der Feuerwehr behinderte. Der Brooklyn Daily Eagle beschrieb es als „ocean of fudge… flooding the street… like lava”. Dieser Ozean locket natürlich „a thousand and one” Kinder an, die die Masse probieren wollten. Doch nach einer Stunde war der süße Traum vorbei: Die Polizei sammelte die Kinder ein und fuhr sie zu den Schulen.

Beinahe 100 Jahre ließ die nächste Nicht-Wasser-Überschwemmung auf sich warten, aber 2017 war es schließlich wieder so weit. Ein Pepsi-Lager stürzte ein, woraufhin 28 Millionen Liter Obst- und Gemüsesaft durch die Straßen der russischen Stadt Lebedyan und in den Fluss Don rauschten. Nach der Überschwemmung gab es Bedenken, dass das Ökosystem des Flusses beschädigt sein könnte. Doch nichts davon wurde nachgewiesen.

Davon konnten die Einwohner*innen Chicagos wahrscheinlich nur träumen. Denn jährlich färbten sie ihren Chicago River anlässlich des St. Patrick’s Day grün ein.  Zuerst nutzten sie dafür laut Chicago Tribune rund 100 Pfund des ölbasierten Air Force-Farbstoffs Uranin, der den Fluss fast einen Monat lang grün färbte. Nach Protesten von Umweltschützer*innen nutzen sie seit 1966 jedoch einen geheimen pflanzlichen Farbstoff. Der Flussrichtung des Chicago River wurde übrigens einmal umgekehrt, aber in dieses rabbit hole steige ich ein andermal…

Von Lea Hruschka

Grafik: Kim Becker
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