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Poetikprofessur 2024 – Daniela Danz‘ Lektionen in Thüringer Wortfeldern

Poetikprofessur 2024 – Daniela Danz‘ Lektionen in Thüringer Wortfeldern

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  • Warum braucht es Lyrik überhaupt? Was bedeutet die Verortung des Denkens? In Anlehnung an Autor*innen der sächsischen Dichterschule entwickelte die diesjährige Poetikprofessur Daniela Danz am 15.05.2024 im Rahmen ihres zweiten Lesungsabends Antworten auf diese Fragen.

“Es gibt mehr Gründe nicht zu schreiben, als zu schreiben”

Eine wohl überraschende Aussage, wenn sie aus dem Mund einer Person kommt, die mit dem Schreiben Geld verdient. Provokant wie auch amüsant beginnt Daniela Danz ihre “Lektionen in Thüringer Wortfeldern”, indem sie die Relevanz des Schreibens in Frage stellt. Manch Zuschauer muss schmunzeln, als Danz erwähnt, dass man, statt zur Lesung zu gehen, ja auch das heutige Fußballspiel hätte anschauen können. Herrlich nahe am Otto-Normal-Verbraucher verlässt Danz den Elfenbeinturm und zeigt: Literatur ist nicht alles und das ist okay. Auch schränkt sie die Macht des Schreibens ein, indem sie klar macht: “Das Geschriebene bleibt immer hinter den Sachen zurück”. Ein Text bleibt stets unvollkommen.

Warum Lyrik trotzdem wichtig ist

So ernüchternd dieses Statement ist, so aufbauend ist jedoch die restliche Argumentation ihres Vortrags, der schließlich doch zum Schreiben und Lesen von Lyrik ermutigt. Schritt für Schritt und anhand der Vorstellung für sie wichtiger Dichter*innen aus der Lyrik-Tradition der DDR wie Reiner Kunze oder Wulf Kirsten aber auch aktueller Poet*innen wie Nancy Hünger zeigt Danz, wie wichtig Lyrik für uns Einzelne und für eine Gesellschaft insgesamt sein kann. 

Verbindung schaffen

Zunächst wäre da der Aspekt des Kollektivs, das durch die Wirkung von Literatur auf ihre Leser*innen geschaffen wird. Berührend erzählt Danz von ihren eigenen Begegnungen mit Lyrik, wie sie sich in die Texte hineinfühlen konnte, sich und das, was sie bewegt darin wiedererkennen konnte, obwohl es doch eigentlich Fremde, ja teils Personen vergangener Zeiten sind, die diese Texte schrieben. Damit bekommen Gedichte, neben ihrer Einzigartigkeit, auch einen universalen, überzeitlichen Charakter. Die Stimme in einem Gedicht, sowie die Stimme, die es liest, sind nicht abgekapselt, sondern Teil eines Ganzen, wie uns Danz im Nachgespräch nahelegt: “Das ist die Idee vom Mythos, die ich habe. Es gibt eine große Erzählung des Menschen und jeder fügt seine einzelne Stimme zu dieser großen Erzählung hinzu, die dann irgendwann Geschichte ist.”

Verstehen möglich machen

Gewissermaßen ermöglicht Lyrik durch diese Fähigkeit des Berührens und Verbindens ein Verstehen und bietet Raum für Reflexion und Weiterentwicklung. Schreiben schärfe die Wahrnehmung und wer liest, lerne dazu. Danz rezitiert hierzu einen Schüler Georg Maurers, dem bei seiner ersten Begegnung mit dem Autor empfohlen wurde, er solle erst mal Texte anderer Autoren lesen, bevor er wiederkommen könne. Auch im Nachgespräch betont Danz, dass Literatur vermittelnd agiert, in dem sie komplexe Themen transportieren könne und diese vor der Gewöhnlichkeit bewahre: “In der Literatur gibt es Formulierungen, bei denen man sich inne wird und denkt ‘genau so ist es’. Und durch die man die Dinge dann ganz anders sieht, neu.”

Lyrik als Verortung

Es sind aber nicht nur Texte, die prägen, sondern auch die Texte selbst werden geprägt. Mit dem Begriff der “trigonometrischen Interpunktion”, angelehnt an Wulf Kirsten, beschreibt Danz, wie auch bei ihr das Denken und Schreiben durch die Geographie ihrer Heimat, Thüringen, geprägt wurde. “Landschaften”, so Danz, “ziehen Linien, die wiederum zur Sprache werden.” Verortung kann jedoch weiter verstanden werden, als im geografischen Sinn. Für Danz bedeutet “Verortung” auch schlichtweg “sich auf etwas festlegen” und damit verbunden eine gewisse Verantwortungsübernahme für das, auf was man sich festgelegt hat.

Deshalb sei die Genauigkeit der Sprache auch so wichtig für die sächsische Dichterschule gewesen: “Es gibt dann keine Ausflüchte mehr, hinter denen man sich verstecken kann. Das Geschriebene verliert sich dann nicht in Beliebigkeit.” Diese Verortung, verstanden als ein Festgelegtsein, mache Lyrik so denn zu einem Ankerpunkt in bewegten Zeiten. Das Schreiben selbst beschreibt Danz zwar als mühselig, jedes Wort müsse errungen werden, als befände man sich im “Treibsand”. Gleichzeitig seien es aber gerade diese aufwendig erarbeiteten Gedichte, die zu einer “Sandbank” werden können und uns als Gesellschaft helfen, zu verstehen und den “Treibsand zu überleben”.

“Das Geschriebene ist genauso wesentlich, wie das Ungeschriebene”

Mit verschmitzten Lächeln schließt Danz den Vortrag damit ab, dass das Ungeschriebene aller Autor*innen allerdings weitaus umfangreicher und bedeutender sei als das Geschriebene. Sie wird nicht müde, die Schreibenden und damit auch sich selbst ab und zu auf den Arm zu nehmen.  Damit verweist sie auch schon auf die nächste Lesung, die sich en detail mit der Rolle des Ungeschriebenen im Verhältnis zum Geschriebenen beschäftigen soll.

Du willst mehr über Daniela Danz erfahren? Du interessierst dich für Poetik? Dann schau doch mal hier vorbei: Kolloquium zur Bamberger Poetikprofessur: 23. und 24. Mai, ab 9 Uhr, Internationales Künstlerhaus Villa Concordia

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