Mit dem Selbsttest „Welches Uni-Klo bist du?“ hatte Kim 2019…
Hochsensibilität ist keine Krankheit oder psychische Störung, sondern eine Form der Reizverarbeitung. Normal sensible Menschen können eine Vielzahl von Reizen gleichzeitig verarbeiten. Ist man hochsensibel, nimmt man Reize stärker wahr und die Aufnahme und Verarbeitung ist deshalb schneller erschöpft. Etwa 20 bis 30 Prozent aller Menschen können als hochsensibel eingestuft werden.
Das verstärkte Empfinden zeigt sich bei jeder betroffenen Person unterschiedlich: Verschiedene Reize, sowohl äußere als auch innere, können Unbehagen auslösen und die Person überfordern. Äußere Reize können beispielsweise Geräusche und Gerüche sein, innere Reize zum Beispiel Gefühle, Schmerzen oder Gedanken. Tom Falkenstein berichtet für Psychologie heute sogar von geschlechterspezifischen Unterschieden. Er weist darauf hin, dass Männer oft mehr mit der Hochsensibilität zu kämpfen haben, weil starke Emotionalität bei Männern immer noch stigmatisiert ist.
Die Hochsensibilität ist keine Teilzeit-Angelegenheit. Vielmehr erlebt man eine dauerhaft veränderte Reizaufnahme: Es werden täglich mehr Reize aufgenommen und diese zusätzlich tiefer verarbeitet. Das bedeutet: Betroffene können das Analysieren kaum ausschalten, sie können beispielsweise nicht nur kurz über negative Schlagzeilen nachdenken oder nach einem Gespräch mit Freund*innen an etwas anderes denken. Situationen werden oft in Gedanken noch mal durchlebt, Emotionen stärker gefühlt und Umweltreize lauter wahrgenommen. Hochsensible brauchen deshalb mehr Phasen, in denen sie sich zurückziehen können, um ihre Eindrücke zu verarbeiten.
Bin ich hochsensibel?
Falls einige der Beschreibungen auf dich zutreffen, kannst du hier einen Test machen. Die Einordnung als hochsensibel kann dir helfen, deine Emotionen und Gedanken besser zu verstehen.
So ist das Hochsensibel-Sein
Jana Huhn ist unter dem Handle @vonkopfbisfuss_ seit 2014 auf Instagram aktiv. Sie bloggt, inspiriert und regt inzwischen über 111.000 Follower*innen mit täglichem Content an, über sich und die Welt zu reflektieren. Sie steht für Outfit-Inspo, selbstgemachte Tassen im Brüste-Design, Interior-Ideen (meistens in den Farben pink und rot) und mehr Liebe im Alltag.
Jana ist hochsensibel und thematisiert auch das auf Social Media. Das ist nicht selbstverständlich; denn Hochsensibilität wurde bisher kaum medial aufgegriffen. Jana erklärt sich das so: „Nur die wenigsten Menschen sind dazu bereit sich emotional zu öffnen, sich mit ihren Emotionen zu beschäftigen und sich darüber zu unterhalten. Denn dieser Prozess ist lang, mühselig, kann weh tun und ist voller Steine. Auch hat man Angst, dafür verurteilt zu werden“.
Dennoch hat sie sich dazu entschieden, von ihrer Emotionalität zu berichten und die Denkweisen älterer Generationen aufzubrechen. Sie erzählt, dass sie mit Sprüchen aufgewachsen ist, wie „Stell dich nicht so an“, „Hör auf zu weinen“ oder „Ist doch nicht so schlimm“. Das habe Jana als Normalzustand empfunden. Später hat sie sich dann mehr mit ihrer Gefühlswelt beschäftigt. „Ich habe mit Erschrecken festgestellt, wie sehr sich das in mir manifestiert hat und ich so auch über andere dachte und ich war bereit das zu ändern“, erklärt sie. Jana findet: „Sehnsüchte, Ängste, Wünsche, Verletzungen haben wir alle und die dürfen wir zeigen. Immer. Und egal welches Geschlecht. Wir müssen uns das nur zugestehen, andere und wir müssten lernen, niemanden dafür zu verurteilen.“
So zeigt sich die Hochsensibilität
Jana berichtet, dass sie die Reizüberflutung besonders bei sozialen Kontakten wahrnimmt: „Je mehr ich mit vielen Menschen zusammen bin, desto mehr ist mein Pensum der Kapazitäten erreicht. Das kann man sich in etwa wie ein Glas vorstellen, das man, ohne zu stoppen, immer voller macht. Ziemlich schnell und vor allem wenn keine Pause gemacht wird, ist mein Pegel erreicht, es gibt keinen Puffer mehr und ich bin mental einfach fertig. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werde ich innerlich unruhig und spüre einen Fluchtreflex in mir.“
Es gibt keinen Puffer mehr und ich bin mental einfach fertig
Besonders bei Situationen in Menschenmengen kommen viele äußere und innere Reize zusammen. Beispielsweise schmerzen die Füße vom langen Tag, es ist laut und es wird über Themen gesprochen, die unangenehm sind. Das ist eine Situation, die viele Menschen einfach verarbeiten können. Für Hochsensible kann das eine Herausforderung sein. Ist die Reizüberflutung erreicht, lösen sie sich auch mal plötzlich aus der Situation: „Manchmal, vor allem auf Partys, passierte es sogar, dass ich, ohne etwas zu sagen meine Tasche schnappte und nach Hause abhaute“, erzählt Jana.
Weil sich die gesteigerte Sensibilität nicht ausschalten lässt, wirkt sie sich auch auf den kompletten Alltag aus. Es wird viel zerdacht und sehr zu Herzen genommen. Auch Streitigkeiten können eine Herausforderung bei der Verarbeitung der Reize darstellen. Jana beschreibt das so: „Ich nehme mir viele Dinge sehr lange zu Herzen, kann mich sehr gut in Emotionen der Menschen hineindenken und bin extrem empathisch. Manchmal bin ich so feinfühlig, dass ich schon Ereignisse erahne, obwohl es mein Gegenüber noch nicht ausgesprochen hat und schon Wochen bevor es passiert“.
Mit der Hochsensibilität umgehen
Reize nicht normal verarbeiten zu können, verkompliziert Beziehungen. Um nahestehende Menschen nicht zu enttäuschen, empfiehlt es sich deshalb, Freund*innen von der Hochsensibilität zu erzählen. Jana empfand es als mühselig, den Menschen in ihrer Umgebung klarzumachen, dass sie gewisse Dinge einfach nicht mehr kann, auch wenn sie diese früher machen konnte. „Ich muss mich oft vor Freunden rechtfertigen und das ist ermüdend“, erklärt sie.
Für den persönlichen Umgang empfiehlt Jana: „Grenzen ziehen!“ Genauer heißt das für sie: „Ich tue dann das, was für mich persönlich richtig und wichtig ist. Auf Abstand gehen. Durch Abstand komme ich runter und finde wieder zu mir. Dann ist es mir auch egal, ob ich länger mal nicht auf eine WhatsApp antworte oder ich länger keine:n sehen möchte. Das ist meine Art Selfcare für Körper, Geist und Seele“. Hochsensible sollten sich generell bewusst auf ausgewählte Reize beschränken, um nicht auf eine Überforderung zuzusteuern.
Durch Abstand komme ich runter und finde wieder zu mir
Schon die Erkenntnis, hochsensibel zu sein, kann den Umgang mit der eigenen Emotionalität erleichtern. Erklärungen für die empfundene Reizüberflutung zu lesen, lässt Betroffene weniger „anders“ fühlen. Online werden beispielsweise unter zeitzuleben Tipps gesammelt, die den Umgang vereinfachen. Demnach sollen Bedürfnisse kommuniziert und Kompromisse ermittelt werden. Aber neben theoretischen, kommunikativen Wegen, findet man auch praktische Tipps. Beispielsweise kann es Betroffenen helfen, in die Natur zu gehen, sich zu bewegen oder beruhigende Musik anzuhören.
Jana sieht die Hochsensibilität dennoch positiv: „Die Feinfühligkeit öffnet mir viele Türen. Vor allem die, Menschen zu verstehen, und es gibt mir die Kunst, mich in Menschen und Situationen hineinfühlen zu können und vor allem mir selbst zuzuhören“. Sie sagt, dass ihr Gehirn zwar nie Denk-Pausen mache, aber sie sei trotzdem dankbar dafür.
Mit dem Selbsttest „Welches Uni-Klo bist du?“ hatte Kim 2019 ihren journalistischen Durchbruch. Seitdem schreibt unsere Oma gegen Rechts über Themen aus Kultur, Lifestyle und Politik und hat aus ihrer Liebe zu Mutter Erde die Gewächshaus Bamberg Reihe ins Leben gerufen. Mittlerweile droppt sie außerdem regelmäßig Content auf Social Media.