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Das Spiel des Lebens

Das Spiel des Lebens

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  • Was passiert, wenn das Wort und die Tat aufeinandertreffen? Unsere zwei Autor*innen begeben sich auf eine sprachliche Reise und spielen Flüsterpost miteinander - nur eben geschrieben.

Dieser Artikel ist Teil unseres Ersti-Contents zum Wintersemester 2023 / 2024. Schau unbedingt auch auf ersti.ottfried.de vorbei und lies unsere restlichen Artikel extra für Erstis!

Ein Wort begibt sich auf eine Wanderung und begegnet dort der Tat

 

Tat: Ein grandioser Tag, um sich dem Spiel zu widmen, nicht wahr?

Die Tat blickt sich verwundert um und wirft dem Wort einen misstrauischen Blick zu.

Tat: Wo hast du denn die Zeit gelassen?

Wort: Ach die, die ist doch so relativ.

Leichtes Zucken der Augenbraue (wôrt). 

Stimme aus dem Off:

Erzählstimme:  Sie ist da und zugleich nicht da, mal geht sie fort, mal zurück oder bewegt sich im Kreis, wie man weiß.

Tat: Und doch finde ich, es fehlt immer etwas, wenn wir uns ohne die Zeit einem Spiel widmen.

Die Tat seufzt

Tat: Wie dem auch sei, welchem Spiel widmen wir uns heute denn? Und bitte lass es nicht wieder nur Wortspiele sein!

Wort: Na gut

Das Wort murmelt und überlegt eine Weile. Plötzlich hat es eine Idee.

Wort: Wie wäre es mit dem “Spiel des Lebens”?

Wort und Tat fangen freudig jauchzend an, sich zu verwandeln.

Verwandlung: Die einzelnen Buchstaben der Wörter verzerren sich und tanzen umher?  (graphische Ebene)

Wort: Ich bin ein Stock

Tat ist starr wie ein Stock.

Wort blickt Tat an.

Stille.

Die Tat schlägt das Wort.

Wort (verärgert): Aua, verflucht, doch nicht so einer!

Beide starren sich an.

Die Tat dient dem Wort als Stütze.

Wort: Sehr gut.

Wort: Jetzt bin ich ein Mensch

Die Tat bildet Knochen, Nerven, Fleisch, Blut, Haut, Haare, Beine, Arme, Kopf……

Wort: Ich bin ein Mann

Die Tat zieht sich rosa Strümpfe an. Rosa für das kleine Rot, es steht für Ehre und Männlichkeit.

Wartet.

Die Tat zieht eine graue Anzughose an und ein blaues Hemd. Blau steht für Männlichkeit.

Wartet.

Die Tat hat schwarz lackierte Fingernägel, denn schwarz ist ja männlich.

Wartet.

Die Tat hat – wird von Wort unterbrochen

Wort: Ich bin eine “frouwe”

Tat geht stolz umher

Wort: Ich bin ein Weib

Tat geht immer noch stolz umher 

Wort: Ja, ein Weib!

Das Wort tritt näher und blickt die Tat argwöhnisch an.

Wort: Weib! bleib stehen!

Tat bleibt unwillig stehen. Wort kommt der Tat ganz nahe. Bedrängt es.

Wort: eine Hure, Cunt, Slut, Ziege, Zuchtl, Stute……..

Das Wort kotzt im Strahl Beleidigungen. Sie quellen als öliges Schwarz aus seinem Mund.

Wort besudelt damit die Tat und sich selbst.

Die Tat wird immer verunsicherter, verkleinert sich, wird ganz klein, igelt sich ein. Dann springt es auf.

Tat: Genug! Die Tat macht, was es will. 

Wort: Ich bin ein Weib, welches sich nichts sagen lässt, eine Hure die Klienten an der Leine führt, Frau und stark. Ich bin queer.

Wort spuckt ein Sternchen aus.

Tat: Nanu?

Wort und Sternchen verbinden sich.

Zusammen: Ich kann alles sein, denn “ich” ist nicht abgeschlossen, “ich” ist nicht eins, sondern unendlich viel.

Die Tat wird non-binär, genderfluid. Es ist mal eines, mal anderes, mal beides.

Wort, Sternchen und Tat geben bunte Strahlen von sich ab.

Plopp. Die Zeit ist aufgetreten.

Wort: Na hoppla

Tat: Na schau mal einer an, wer sich da noch dazu gesellt. Wurde ja auch mal Zeit.

Zeit: Genug gespielt, jetzt ist´s aus!

Alle verschwinden. Auftritt Erzählstimme

Erzählstimme: So waren sie weg und das Leben verschwunden, um wiederzukommen und neu zu erkunden. Denn so ist die Zeit und das Leben, welches sie gebiert und sterben lässt: “Sie ist da und zugleich nicht da, mal geht sie fort, mal zurück oder bewegt sich im Kreis, wie man weiß.” Sie ist frei.

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