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Die Welt eine Bühne, das Leben ein Theaterstück

Die Welt eine Bühne, das Leben ein Theaterstück

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  • Für Nadine spielte das Theater schon immer eine große Rolle. Wir haben sie zu ihrer nebenberuflichen Tätigkeit als Schauspielerin befragt und dabei viel über die Auswirkung des Spiels auf uns Menschen erfahren.

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Du hast mich für das Interview zur Villa Concordia gebeten. Warum hier? Welche Bedeutung hat dieser Ort für dich?

Ich bin bei den “Gassenspielern” und momentan spielen wir ein Stück über Schillers “Die Räuber”. An dieser Stelle auf der Treppe, wird ein Liebesmonolog von der Figur Amalia gehalten, den ich spreche. Da kommt dann auch hin und wieder die Iphigenie, die Katze, vor und setzt sich auf meinen Schoß. Sie ist quasi Teil unseres Gassenspieler-Räuberstücks. Im Monolog beklage ich, dass mein Liebster im Krieg gefallen ist. Iphigenie hat tatsächlich auch ihren Mann verloren. Für die, die das wissen, ist es dann besonders dramatisch, aber auch so ist es immer ein sehr epischer Moment. Deshalb dieser Ort.

Und was ist dein Kommentar dazu, Iphigenie?

Iphigenie: Schnurrt

Bist du sonst noch an anderen Theatergruppen und Projekten beteiligt?

Neben den Gassenspielern bin ich noch bei „ArtEast”. Dort proben wir gerade ein Stück über Roboter, die die Menschheit auslöschen. Das ist auch ganz spannend (lacht). Und dann bin ich noch an einem anderen Theaterstück beteiligt, aber das ist etwas, was sich so unter Freunden ergeben hat. Wir machen etwas Modernes von Ewald Palmetshofer, „Wohnen unter Glas”. Es ist ganz schön, dass ich da spielwütige Mitspieler gefunden habe, weil er einer meiner Lieblingsautoren ist und ich schon immer einmal was von ihm spielen wollte. Demnächst werde ich für das Weihnachts-Gassenspielerstück eingelernt und bald startet „Franz Kafka: das Schloss” des Projekt-Ensembles “nonoise”.

Wow, das sind sehr viele Projekte. Kann ganz schön stressig werden, oder?

Ja. Es macht zwar sau Spaß, aber ich bin im Moment noch sehr zwischen: Entweder ich ertrinke im Text oder ich schwimme und so lange ich nicht ertrinke, ist alles gut.

Wie kann sich die Leserschaft denn den Alltag einer Schauspielerin vorstellen?

Naja also eigentlich gehe ich noch normal zur Uni. Aber derzeit ist es wirklich so, dass ich entweder Proben habe oder Text lerne und nichts anderes mache.

Und wie vereinst du das mit deinem Studium?

Ja, im Moment gar nicht. Das ist ein guter Satz für eine Studizeitung, (lacht). Aber deshalb habe ich mir letztes Semester extra dafür frei genommen. Ich war kaum in der Uni, um mehr Zeit für meine ganzen Theaterprojekte zu haben. Sonst könnte ich das nicht. Das wird wahrscheinlich jetzt so weitergehen. Theoretisch muss ich nur noch meine Masterarbeit schreiben, was ich auch noch definitiv tun werde, aber mein Ziel ist es, von den verschiedenen Projekten zu leben. Vielleicht brauche ich noch einen kleinen Nebenjob nebenher. Manchmal Urlaub haben oder auf Festivals gehen wäre natürlich auch ganz schön.

Du willst also nicht an einem Theaterhaus fest angestellt sein?

Ich habe zwar drei Jahre lang eine Musicalausbildung gemacht und auch darstellendes Spiel studiert, aber in das Staats-, oder Stadttheater reinzukommen ist trotzdem sehr schwer. In der freien Szene ist es hingegen relativ einfach mitzumachen, wenn man ein bisschen Erfahrung hat. Außerdem finde ich es so auch ganz schön, weil es jedes Mal etwas Neues ist und man kann sich viel mehr ausprobieren. Man muss allerdings sehr sein Leben organisieren, was ich auch noch lernen muss. Und mehr Verantwortung übernehmen: Im Staats- oder Stadttheater hast du einfach viel mehr Leute und du arbeitest in einem festen Bereich. In der freien Szene hingegen bist du als Schauspielerin auch in anderen Bereichen tätig, wie Regie oder Dramaturgie. Leider ist es mit weniger Geld verbunden.

Seit wann spielst du schon Theater?

Schon seit dem Kindergarten. Es gab glaube ich kein Jahr, indem ich Pause gemacht habe. Manchmal habe ich meinen kleinen Bruder mit Geld bestochen, damit er mit mir spielt.

Wie bist du eigentlich nach Bamberg gekommen?

Nach der Ausbildung und dem Studium dachte ich, ich will vom Theater weg und Autorin werden. Deswegen bin ich nach Bamberg gekommen, um dort im Master neuere deutsche Literatur zu studieren. Nun, dann war ich hier und dachte mir so, ne, ich will wieder Theater machen. Unglücklicherweise dachte ich, dass das Schreiben entspannter und irgendwie besser sei, um dann einen Job zu finden. Aber wenn man kreatives Scheiben machen will, ist es genauso schwer wie in der Theaterbranche, wenn nicht sogar schwerer. Die ganzen kreativen Berufe wollen viele machen. Du musst häufig schon Erfolg gehabt haben, um gefördert zu werden und Beziehungen haben.Das merke ich auch hier im Theaterbereich. Durch ArtEast kam ich erst mit Jochen Neurath in Verbindung, wo ich jetzt die nonoise-Projekte mitmache. Alles läuft über Beziehungen. Das ist traurig, aber wahr.

Wenn du Theaterspielen mit Schreiben vergleichst: Was sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

Im Schreiben und im Spiel erfindest du Charaktere. Ich liebe den Prozess, wenn ich eine Rolle für mich erarbeite und erstmal überlege. Wie denkt sie? Was macht sie? Spielen ist etwas sehr körperliches. Du verausgabst dich total, bist danach erstmal kraftlos – gleichzeitig aber sehr zufrieden, weil es Spaß gemacht hat. Man geht an die eigenen Grenzen. Das hast du beim Schreiben zwar bestimmt auch, aber anders… Schreiben ist mehr Kopfsache. Schreiben geht außerdem gut alleine, beim Spielen hingegen bist du in der Regel abhängig von deinen Mitspielern und auch von den Zuschauern.

Grundsatzfrage: Residenztheater oder Maxim-Gorki?

Braunschweiger Staatstheater.

Was ist dein Lieblingstheaterstück?

Wow. Das ist eine böse Frage. Zum Spielen oder zum Anschauen?

Beides.

In Braunschweig hatten wir den Luxus, als Studierende des darstellenden Spiels kostenlos in das Staatstheater reinzukommen. Ich war pro Woche etwa drei Mal im Theater, das war ganz normal. Und dort habe ich mir „Einsame Menschen” vier Mal angesehen. Ich fand es so krass, aber auch gut inszeniert. „Als wir träumten” fand ich auch super schön. Bei der GLUT (Germanistisch-literarisches-Uni-Theater; Anm.d.Red.) habe ich Antigone gespielt, was ich schon immer machen wollte, weil ich eine krasse Verbundenheit zur Rolle habe.

Was verbindet dich denn mit der Figur Antigone?

Ich finde einfach, dass sie bei Anouilh ein kleiner Rebell ist, wo man sich teilweise denkt: „Ich möchte sie einfach nur schütteln”. Sie ist super emotional und das finde ich stark. Sie baut dadurch viel Mist, aber man kann mit ihr sehr mitfühlen. Als ich das so gelesen habe, dachte ich mir: Ja, das ist meine Rolle.

Wozu das Theater?

Um Leute zu unterhalten, aber sie auch zum Nachdenken zu bringen. Oft sind es Komödien, die die Leute ins Theater bringen – auch was wir jetzt mit den Gassenspielern machen, beinhaltet viel Slapstick. Trotzdem gibt es auch bittere Töne, zum Beispiel durch den Monolog und das finde ich sehr schön. In der letzten Spielzeit war ich im ETA Hoffmann Theater Bamberg und da wurde ein Theaterstück über die Eltern von einem Amokläufer gezeigt („Tiefer Grund” von Björn SC Deigner; Anm.d.Red.). Das finde ich super, wenn auch unbequeme Themen angesprochen werden. Solche Stücke begeistern mich eigentlich am meisten.

Welche Auswirkungen hat das Theaterspielen auf dich als Person?

Sonst bin ich ein sehr verkopfter Mensch, aber im Spiel kann ich auch ein bisschen loslassen. Ich lerne durch das Spielen immer mehr mich selbst kennen und werde auch selbstbewusster. Wenn ich Tage habe, wo es mir schlecht geht, dann lerne ich einfach Text und hau dort meine Emotionen rein. Dann geht es mir besser. Theaterspielen ist somit irgendwie auch Selbsttherapie. Das ist so beim Theaterspielen: man wächst daran.

Hast du Kriterien für „gutes” Theaterspielen?

Ich finde es schwierig, das zu beurteilen. Es ist immer bewundernswert, wenn eine Person sich traut, etwas vorzuspielen. Auch ist es unangebracht, Profis automatisch besser zu bewerten als Amateure: Die Gassenspieler kommen aus ganz verschiedenen Bereichen. Die einen machen das hauptberuflich, die anderen haben andere Nebenjobs. Trotzdem spielen wir so zusammen, dass die Zuschauer das Gefühl haben, es ist eine Einheit. Für mich persönlich ist es einfach wichtig, wenn ich vom Spiel berührt werde.

Was macht für dich das Theaterspiel zum Spiel?

Ich liebe die Momente, wenn man im Spiel mit den Kollegen merkt, da war jetzt ein krasser Moment auf emotionaler Ebene. Oder dass man einfach zu lachen anfängt. Dann Unvorhersehbares: Wenn jemand nicht dort steht, wo er stehen sollte. Oder die Reaktionen vom Publikum. Bei einem ehemaligen Stück war ich ein schizophrener Bürgermeister und habe am Ende das Publikum dazu animiert, Fahnen zu schwenken und mir zu folgen, obwohl ich eigentlich ein richtiges Arschloch war. Das Publikum dort zu haben, wo man es haben will, mit ihm zu spielen, das ist spannend.

Welche Auswirkungen hat das Theaterspielen auf dich als Person?

Sonst bin ich ein sehr verkopfter Mensch, aber im Spiel kann ich auch ein bisschen loslassen. Ich lerne durch das Spielen immer mehr mich selbst kennen und werde auch selbstbewusster. Wenn ich Tage habe, wo es mir schlecht geht, dann lerne ich einfach Text und hau dort meine Emotionen rein. Dann geht es mir besser. Theaterspielen ist somit irgendwie auch Selbsttherapie. Das ist so beim Theaterspielen: man wächst daran.

Welche Auswirkungen hat das Theaterspielen auf dich als Person?

Sonst bin ich ein sehr verkopfter Mensch, aber im Spiel kann ich auch ein bisschen loslassen. Ich lerne durch das Spielen immer mehr mich selbst kennen und werde auch selbstbewusster. Wenn ich Tage habe, wo es mir schlecht geht, dann lerne ich einfach Text und hau dort meine Emotionen rein. Dann geht es mir besser. Theaterspielen ist somit irgendwie auch Selbsttherapie. Das ist so beim Theaterspielen: man wächst daran.

Würdest du sagen, Spielen ist Freiheit?

Ja. Durch die Spontanität und das Sich-Ausprobieren-Können. Man überrascht sich selbst. Das ist Freiheit: Wenn du das Gefühl hast, nicht festgefahren zu sein und so viel möglich ist, von dem du vor einer Sekunde noch nichts wusstest. Dieses Gefühl spürt man im Spiel krass.

Haben wir euer Interesse geweckt? Hier findet ihr die genannten Projekte nochmal verlinkt:

nonoise / ArtEast / Gassenspieler / GLUT

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