Man kennt sie, die guten alten Neujahrs-Vorsätze: mehr Sport, gesünder essen, mehr für die Uni machen, endlich mal zeitig anfangen, für Klausuren zu lernen, Oma öfter besuchen, alte Freunde wieder kontaktieren. Die Liste ist lang.
Aber warum warten wir eigentlich bis Anfang Januar, um Dinge, die wir doch eigentlich so gerne tun würden, endlich anzufangen? Warum nicht heute anfangen?
Faulheit sag ich. Fehlender Wille? Nicht genug Motivation. Andere Prioritäten? Andere „To dos“. An Ausreden fehlt es uns jedenfalls nicht.
Es gibt ein Zitat, welches ich vor Jahren las, speicherte und nebenbei ziemlich gut fand: „You don’t need the first january to change your life“. True. Erwischt.
Doch wir Menschen sind klug und tricksen uns selbst aus. Da wir wissen, heute Abend sowieso nicht auf den Nachtisch verzichten zu können, vertagen wir diese Idee des gesunden Abends lieber und nehmen es uns einfach für Januar vor. Denn dann ist die Welt ja eine ganz andere. Wir selbst natürlich auch. Am ersten Januar sage ich euch, da will ich den Nachtisch gar nicht mehr und ziehe den Apfel selbstverständlich der Schokolade vor. Quatsch ist das. Denn natürlich wird sich ein Wandel meiner Geschmacksnerven und meines Appetits nicht mit der Nacht zwischen Dezember und Januar vollziehen. Rein logisch gesehen ist das schon mal unmöglich, denn was hat mein Appetit mit bloßen Daten zu tun? Nicht viel. Unmöglich ist ein gesunder Abend deswegen nicht. Er hat nur nichts mit Silvester zu tun.
Wir klammern uns an die Illusion, dass wir nichts dafür tun müssen, um Dinge in unserem Leben (inklusive uns) zu verändern. Wir sind faul und setzen einfach auf eine bloße Nacht im Jahr. Wir sind zu träge, vielleicht auch zu feige, neue Dinge auszuprobieren, neue Dinge anzufangen. Das kann ich auch verstehen, denn nichts zu tun ist oft leichter als etwas zu tun. Das Paradoxe hierbei ist aber, dass wir selbst am liebsten nichts verändern möchten und uns dennoch eine Veränderung herbeiwünschen. Was gibt uns das Recht, eine Veränderung zu erwarten, wenn wir dafür selbst nicht tätig werden? Wir geben die Verantwortung für unser Handeln an den ersten Januar ab und hören mit Neujahrsvorsätzen auf, für unser Handeln Verantwortung zu übernehmen und für uns selbst einzustehen.
Manche Menschen behaupten, man bräuchte Neujahrsvorsätze, um sich selbst und sein Leben zu reflektieren. Ich kann auch diesen Gedankengang durchaus nachvollziehen. Als korrekt erachte ich ihn aber nicht, denn jede*r von uns hat die Möglichkeit, jeden Abend, jeden Morgen, jede Woche, jeden Monat über sich selbst nachzudenken und sein*ihr Handeln zu reflektieren, Revue passieren zu lassen. Das hat rein gar nichts mit dem Ende eines Jahres zu tun. Dieses Argument impliziert, dass unser Nachdenken an einen fixen Zeitpunkt gebunden ist, was es aber offensichtlich nicht ist. Lasst uns uns öfter mal hinterfragen. Uns fragen, was uns froh macht, was uns erfüllen würde, was uns bisher vielleicht nicht gutgetan hat. Und lasst uns dann aber nicht einfach mit dieser Erkenntnis weiterleben wie zuvor, sondern sie umsetzen, Gedanken in Taten verwandeln. Unabhängig vom Anfang des Jahres.
Warum nicht einfach heute mal anfangen, darüber nachzudenken, was wir uns von uns selbst und von unserem Umfeld wünschen? Und warum nicht heute Mal mit einem neuen Vorhaben anfangen?
Abschließend möchte ich festhalten, dass es meiner Meinung nach möglich ist, abends von der Schokolade zum Apfel zu gelangen. Das sollte aber nur passieren, wenn man das selbst so möchte, wenn einem der Apfel auf lange Zeit das gleiche Glück wie die Schokolade bescheren kann. Wir müssen nichts und niemandem nacheifern. Niemand muss auf seinen oder ihren Nachtisch verzichten. Nur weil alle auf einmal meinen, gesünder zu essen und mehr Sport zu treiben bedeutet das nicht, dass wir das alle so machen müssen und dass das uns alle glücklich macht. Neujahrsvorsätze verleiten uns dazu, Dinge zu tun, die man „eben so macht“ und auf Dinge zu verzichten, weil mir das irgendjemand empfohlen hat. Ich esse gerne Schokolade abends und werde das nun im Januar nicht versuchen zu ändern, weil ich’s im Februar wohl sowieso wieder tun werde.
Diese Sätze sollen Mut machen. Mut, sich selbst zu hinterfragen und Mut, progressive Gedanken nicht auf Silvester zu verschieben.