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Tip-top-Tatorte Twentytwentyone

Tip-top-Tatorte Twentytwentyone

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  • Sonntag um 20:15 Uhr ist Tatort-Zeit – früher haben wir unsere Eltern dafür skeptisch beäugt, heutzutage sind wir selbst vom Tatort begeistert. Die Ottfried-Redaktion präsentiert ihre Lieblings-Tatorte aus diesem Jahr.

„Masken“ aus Dortmund

Nachdem der Murot-Tatort eine Woche davor dafür gesorgt hat, dass der Fernseher nach einer halben Stunde ausgeschaltet war, bot der Dortmunder Tatort ‚Masken‘ genau das richtige Rehabilitationsprogramm. Auch wenn der Titel nach zwei Jahren Pandemie Assoziationen mit Corona weckt, behandelt der Tatort ein Thema, das damit in keinem Zusammenhang steht: Ein junger und beliebter Polizist wird auf seiner morgendlichen Joggingrunde überfahren und niemand weiß, wer ihn getötet hat. Im Gegensatz zu vielen sonstigen Tatorten findet die Ermittlungsarbeit des Dortmunder Ermittlungsteams dieses Mal also auch in der sonst so heilen Welt der Polizei statt, die nicht so sauber ist, wie sie sonst immer zu sein scheint. Der Tatort überzeugt durch die vielen verschiedenen Handlungsstränge, die jedoch für die Zuschauenden nicht überfordernd, sondern stattdessen hilfreich und angenehm zum Anschauen sind. Beeindruckend ist bei diesem Fall auch, dass der ansonsten so kühle und abgestumpfte Kommissar Faber seine Gefühle zeigt und somit ein ganz neues Bild von sich offenbart, während Martina Bönisch eine Reise in ihre Anfangszeit bei der Polizei unternimmt.

Der Tatort ist, wie ein Tatort sein sollte – Mord, Ermittlungsarbeit und Einblicke in die Arbeit der Polizei dominieren. Gut ist, dass der Tatort nicht versucht, mit Handlungen wie bei Murot ein exotisches Kunstwerk zu erschaffen, für das man einen Professorentitel der Kunstwissenschaft benötigt, um es zu verstehen.

Übrigens: „Masken“ ist noch bis zum 28.5.22 in der ARD-Mediathek verfügbar.

Bastian Bönisch

„Luna frisst oder stirbt“ aus Frankfurt

Im Tatort „Luna frisst oder stirbt“ (Nummer 1176) aus Frankfurt ermitteln Anna Janneke und Paul Brix in der Literaturszene. Am Tag nach der Party zur Veröffentlichung ihres gefeierten Debütromans wird die junge Autorin Luise Nathan tot aufgefunden. Die anfängliche Storyline wirkt wie eine typische Tatortfolge: Die Kommissar*innen nehmen Suizid an, spätere Hinweise sprechen dann jedoch für Fremdeinwirkung. Aber „Luna frisst oder stirbt“ entpuppt sich zu einem gut durchdachten Sozialdrama, das wenig vorhersehbar von statten geht. Der Tatort behandelt die Schere zwischen Arm und Reich auf verschiedenen Ebenen.

Ähnlich wie in „Meta“ aus Berlin verschwimmen fiktive und reale Geschichtsstränge. Weil das Buch des Opfers Parallelen zur Realität aufweist, können die Zuschauer*innen miträtseln, welche Aspekte relevant und realitätsnah sind und welche nur Fiktion. Aufgrund der zahlreichen Charaktere können diverse Personen verdächtigt werden – so bleibt man gespannt dabei und wird nicht dazu verleitet umzuschalten.

Besonders gut hat mir gefallen, dass die Stellen aus dem thematisierten Roman dargestellt werden. Der*die Zuschauer*in kann so näher am Fall dabei sein und sich besser in die Protagonist*innen eindenken. Und eben all diese Protagonist*innen sind zudem sehr gut verkörpert. Der Cast hatte vorher schon hohe Erwartungen geweckt, denn mit an Bord sind neben Margarita Broich und Wolfram Koch Schauspiel-Größen wie Lena Urzendowsky und Clemens Schick und auch die Nebenrollen sind interessant besetzt (beispielsweise mit Anton Schneider, besser bekannt als Rapper Fatoni). Weniger reibungslos ist Fanny, eine Freundin von Kommissar Brix, in diesen Fall integriert. Ihre Rolle wirkt etwas unrealistisch. Auch das vermeintlich alternative Café „Kelle“, in dem die beiden Protagonistinnen arbeiten, ist wenig authentisch dargestellt.

Alles in allem lohnt sich der Tatort auf jeden Fall. Er überfordert nicht, aber regt zum Miträtseln an. Die Literaturszene bietet einen interessanten und bisher in der Tatort-Welt wenig thematisierten Schauplatz. Dich sollte aber nicht stören, dass dir nach dem Ansehen Fragen offenbleiben, denn nicht jede gezeigte Situation wird als fiktiv oder real eingeordnet.

Übrigens: „Luna frisst oder stirbt“ ist noch bis zum 30.4.22 in der ARD-Mediathek verfügbar.

Kim Becker

„Borowski und der gute Mensch`` aus Kiel

Zum dritten und letzten Mal durften sich die Zuschauer*innen mit dem Psychopathen und Serienmörder Kai Korthals auf eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele begeben. Recap: Im Kieler Tatort „Borowski und der stille Gast“ (2012) schauderte es dem Publikum zum ersten Mal vor Korthals, der wie ein Geist durch die Wände kommt und unschuldigen Frauen nach dem Leben trachtet – zu diesem Zeitpunkt noch ungestraft. In „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ (2015) kehrt Korthals – wie der Titel schnörkellos verrät – zurück nach Kiel. Im Gepäck: Schmerz und Leid für alle Beteiligten. In Runde zwei lauert dieser nämlich keinen Zufallsopfern auf, sondern hat es auf Borowskis große Liebe, die Psychologin Frieda Jung, abgesehen. Klappe zu, Affe tot: Jung konnte befreit und Korthals verhaftet werden – allerdings auf Kosten von Borowskis Beziehung.

Im dritten Teil der Psychopathen-Trilogie bekommt man zunächst ein ganz abstruses Bild präsentiert: In der Theater-AG der forensischen Psychiatrie legt sich Korthals schlotternd die Schlinge um den Hals und rezitiert mit gehetztem Blick Schillers „Die Räuber“. Nein, Korthals hat keinen Berufswechsel zum Schauspieler hin vollzogen. Dies ist ein geplanter Ausbruch. Nachdem sich die Stimmung unter den Insassen immer weiter aufheizt und ein wortwörtlicher Brand entfacht wird, kann der Kieler Frauenmörder als Feuerwehrmann verkleidet flüchten. Jedoch nicht ohne dabei einen Insassen, einen Brandbekämpfer und eine junge Frau zu töten. Die Krönung dieser chaotischen Szene: Das Fahrrad, die Kleidung und, ja, auch die Haare (inklusive Kopfhaut) der Getöteten macht sich Korthals zu eigen und radelt in einem der größten „What did I just see?“-Momente des Tatort-Jahres fröhlich winkend an der Polizei vorbei. Unterschlupf findet er bei der blinden Telefonseelsorgerin Teresa Weinberger, einem klaren Fall von Hybristophilie – dem Schwärmen für Gewalttäter*innen.

Neben einem grandiosen Katz-und-Maus-Spiel macht vor allem die Realisation des Korthals’schen Mantras „Ich bin ein guter Mensch“ diesen Tatort zu etwas Besonderem. Korthals ist nämlich nicht nur gegenüber Teresa rücksichtsvoll, sondern er rettet auch Borowski vor einem Sturz in den Tod, obwohl dieser und die gesamte Kieler Polizei hinter ihm her ist. Natürlich machen diese kleinen Nettigkeiten die schrecklichen Verbrechen nicht wett. Aber Korthals‘ letzter Auftritt zeigt dennoch das Psychogramm einer zutiefst ambivalenten Figur mit grauer Seele.

Übrigens: „Borowski und der gute Mensch“ ist noch bis zum 3.4.22 in der ARD-Mediathek verfügbar.

Celina Ford

„Wo ist Mike?“ aus Bamberg

Zugegeben, dieser Tatort ist vor allem aus einem Grund in dieser Liste: Er spielt in Bamberg. Als Bewohner*in der Stadt ist man also die gesamte 90 Minuten damit beschäftigt, zu überlegen: War ich da schon einmal? Wo ist das? Und dem Ausruf: „Da war ich schon mal!“ (Mal eine Anregung: Das könnte auch zum Trinkspiel werden.)

Während du noch grübelst, welche Straße die Ermittler*innen nun langfahren, beschäftigen sich Paula Ringelhahn und Felix Voss mit einem Vermisstenfall. Nachdem die getrenntlebenden Eltern drei Tage lang denken, ihr Sohn sei beim jeweils anderen Elternteil, fällt auf, dass der fünfjährige Mike verschwunden ist. Ist er weggelaufen? Vielleicht in den Wald, in dem er sich gerne versteckt hat? Es herrscht erst einmal Verzweiflung und Ratlosigkeit.

Spannung bringt zusätzlich der 17-jährige Titus in die Geschichte, der sich verfolgt fühlt und den seine Panik sogar bis in die Niederlande treibt. Die emotionale Seite wird in diesem Streifen besonders von Kommissarin Ringelmann bedient. Als der Verdacht auf den Lehrer Rolf Glawogger fällt, steckt sie in einem Dilemma: Glaubt sie dem Mann, mit dem sie seit kurzem eine innige Liebesbeziehung führt, oder überwältigen sie ihre Zweifel? Dazu passend auch das Lieblingszitat der Redaktion aus diesem Tatort: „Manchmal reicht es nicht, die Wahrheit zu sagen. Sie muss auch stimmen.“

Wer nicht nur 90 Minuten Spannung schauen will, sondern dazu auch noch Fragen beantworten will, kann sich durch das Quiz zum Tatort klicken.

Lea Hruschka

„Das ist unser Haus“ aus Stuttgart

Fast nichts gehört so fest zusammen wie Schwaben und der Wunsch, ein eigenes Häusle zu bauen. Der diesjährige Stuttgart-Tatort „Das ist unser Haus“ überzeugte also auf jeden Fall mit einer für die Schwabenmetropole authentischen Thematik (was ja im Tatort sonst eher selten der Fall ist). Die Kommissare Bootz und Lannert ermitteln im Milieu einer Öko-awaren Baugruppe, die sich im Stuttgarter Speckgürtel ein „Häusle“ bauen will – und dabei eine Leiche auffindet.

Besonders interessant macht die Folge der Mikrokosmos, in dem sie spielt. Wem theatralische Verbrecherjagden auf den Nerv gehen, wer von der Überlastung der Vogelperspektive durch Drohnen-Shots genug hat und wer teilweise dadurch aussteigt, dass im Tatort zu viele scheinbar beliebig gewählte Storylines begonnen werden, der*die wird den Schwaben-Krimi mögen. Fans blutiger Gewalttaten, von unendlich spannenden Psychothrillern oder von rasanten Nick-Tschiller-Streifen werden eher weniger Freude empfinden. „Das ist unser Haus“ entpuppt sich als Sozialstudie einer Gruppe, die versucht, das Zusammenleben nach festgelegten, gewaltfreien Grundsätzen zu bewältigen – und dabei durchaus Probleme hat (*hust, eine Leiche, hust*). Es wird beleuchtet, wie Fälle auch für Ermittler*innen durchaus persönlich sind, beispielsweise, wenn manche Zeug*innen sympathischer sind als andere.

Es kann schon sein, dass der eigentliche Kriminalfall dabei ab und an etwas in den Hintergrund rückt. Doch bei diesem Stuttgart-Tatort bekommt man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, der Film hätte „schnell zusammengeschnitten“ werden müssen, um noch auf den Punkt zu kommen, wie es bei vielen Tatorten der Fall zu sein scheint. Zusätzlich ist dieser Sonntagskrimi witzig. Nicht auf eine gezwungene, darauf angelegte Slapstick-Art, wie es vor allem in Weimar oder Münster Einzug gehalten hat, sondern auf eine subtile, in den Dialogen versteckte Weise. Wer also gute Unterhaltung sucht (und etwas Schwäbisch verkraften kann), dem*der sei der Stuttgart-Streifen „Das ist unser Haus“ aus dem Januar unbedingt ans Herz gelegt!

Übrigens: „Das ist unser Haus“ ist noch bis zum 10.5.22 in der ARD-Mediathek abrufbar.

Laura Weinmann

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