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Filmreview — Findet Dorie

Filmreview — Findet Dorie

  • „Wo warst du, als du zum ersten Mal Findet Nemo gesehen hast?“ — Eine Frage, die nahezu jeder beantworten kann, der zur Jahrtausendwende ein Kind war.

Ob im Kino, auf der heimischen Couch oder beim ersten Übernachtungsbesuch im Haus des besten Grundschulfreundes, irgendwo und irgendwann hat man fast zwangsläufig Bekanntschaft mit dem kleinen Clownfish geschlossen, oft mehrfach. Obwohl der Titel etwas anderes verspricht, ist die Suche nach Nemo in unserer Erinnerung fast nebensächlich verglichen mit den liebevoll ausgearbeiteten und unvergesslichen Nebencharakteren: Wer erinnert sich nicht an die Hai-Vegetarier-Selbsthilfegruppe, die Killermöwen mit dem sehr beschränkten Wortschatz („MEINS!“) oder Dorie, den pathologisch vergesslichen Doktorfisch und heimlichen Star des Films?

Fotos: Lukas Reinhardt Bearbeitung: Franziska Wolf

Eben dieser heimliche Star ist nun zur nicht ganz so heimlichen Titelheldin der überfälligen Fortsetzung geworden. Sechzehn Jahre sind ins Land gezogen: Die Kinder von damals sind jetzt erwachsen, einige von ihnen bereits selber Eltern. Terrorismus und Krieg haben alle Ecken der Welt überschattet, Finanzkrisen haben ganze Länder wirtschaftlich verwüstet und eine toupierte Orange läuft im Weißen Haus Amok. Aber die Unterwasserwelt, in die wir uns für zwei Stunden zurückbegeben, ist so bunt und lebensfroh wie eh und je: Der Mensch ist zwar auch hier des Ozeans größter Feind, aber zumindest weiß man am Meeresgrund noch nichts von Klimawandel und Wasserverschmutzung. Von Therapie und Neurowissenschaften leider auch nicht, sonst könnte vielleicht endlich mal jemand der armen Dorie helfen, die nach wie vor an anterograder Amnesie leidet. Das erschwert ihr die Suche nach ihren Eltern erheblich, auf die sie sich in diesem Film begibt — streng genommen ist der Titel also Unsinn, denn am Ende sind es Dories Eltern, die gefunden werden.

Bis es soweit kommt, muss sich Dorie jedoch zunächst einmal nach Kalifornien und dort quer durch ein Meeresbiologisches Institut kämpfen. Mit dabei: ihre alten Freunde Marlin und Nemo sowie eine Reihe neuer Nebenfiguren, die denen des ersten Films an Skurrilität und Liebenswürdigkeit kaum nachstehen: die kurzsichtige Walhaidame Destiny, der missmutige Oktopus Hank und die geistig leicht minderbegabte Eistaucherin Becky. Überhaupt fährt der Film ein erstaunliches Maß an Tieren mit eindeutiger Behinderung auf, mit denen nicht so liebevoll umgegangen wird wie mit Nemos missgebildeter Flosse im ersten Teil. Das ist aber auch der einzige klare Makel im Vergleich zum Vorgänger, wenn man davon absieht, dass die Animation nicht mehr so wegweisend und modern ist wie 2001 — wie auch; das, was Pixar in Findet Nemo technisch leistete, war damals wie heute kaum zu übertreffen.

Letztendlich wird aus Sicht unserer Generation wohl keine Fortsetzung jemals an das Original herankommen, was unter anderem daran liegt, dass nichts jemals an unsere Kindheit herankommen kann. Im Licht all der großartigen Animationsfilme, die in den letzten Jahren erschienen sind, sticht Findet Dorie zugegebenermaßen auch nicht mehr derart heraus wie seinerzeit Findet Nemo. In Sachen Humor, Charakterzeichnung und Story steht der Film seinem Vorgänger aber kaum nach. Seien wir ehrlich, eine Filmkritik wird für die meisten von uns nicht den Ausschlag geben: Denn wer Findet Nemo geliebt hat, wird die Fortsetzung so oder so sehen wollen, und er wird in sechzehn Jahren auch für Findet Hank ins Kino gehen.

Das Menü zum Film

Für alle unter euch, die Fische nicht nur gerne im Fernsehen anschauen, sondern auch auf dem Teller, empfiehlt OTTFRIED-Redakteur Lukas Fischstäbchen mit Spinat, Kartoffelpüree und einer Flasche Mädchentraube.

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