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Bill Kaulitz, Gravel-Bikes und die Berauschung am Kurzfilm

Bill Kaulitz, Gravel-Bikes und die Berauschung am Kurzfilm

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  • Am 23.Januar 2023 fand die Eröffnungsfeier der Bamberger Kurzfilmtage statt. Neben spannenden Sneak Peaks in das kommende Filmprogramm begeisterte die Auftaktveranstaltung durch berührende Redekunst und virtuosem Improtheater der Gruppe Ernst von Leben.

Es ist wieder so weit: Bamberg verwandelt sich zur fränkischen Berlinale. Eine Woche lang werden im Odeon in der Luitpoldstraße, im Lichtspielkino in der Unteren Königsstraße und in der Volkshochschule in der Tränkgasse Kurzfilme aus der Region, Deutschland und dem internationalen Raum gezeigt und von Gremien und Publikum bewertet. Die Gewinner*innen erhalten bis zu 1000 Euro Preisgeld und den Zentaur, aus Schokolade, mit Gold verziert. Am 23. Januar 2023 fand hierzu die Eröffnungsfeier statt, die allerdings nicht mit den gewohnten Dankesreden startete.

Zwar kommen diese ebenfalls vor, begonnen wird aber zunächst mit Improtheater der Gruppe Ernst von Leben. Schnurstracks lässt sich Bill Kaulitz für ein TikTok-Video ablichten, besteht der Maler Jackson Pollock darauf, dass er seine Drips doch bitte schön ohne Anleitung machen möge, wird über ein herumliegendes Gravel-Bike gestolpert und der deutsche Heimatfilm parodiert. Alles inspiriert durch Antworten des Publikums auf Fragen der Moderation. Gekonnt werden die Lachmuskeln gekitzelt, das Publikum durch den Humor schon etwas beschwipst, wird eingestimmt auf das Hauptthema der Eröffnung: „Rausch im Film“, eines der diesjährigen Leitmotive der Kurzfilmtage. Doch was ist damit gemeint? Werden uns psychedelische LSD-Shows erwarten oder gibt es auch andere Möglichkeiten, sich mit Rausch auseinanderzusetzen?

Die gezeigten Sneak Peeks bei der Eröffnungsfeier sagen: Ja, gibt es. Der Drogenrausch und damit verbundene Orte stellen eher den Hintergrund dar, das Bild des Rausches ist Mittel zum Zweck. Wie Katharina Breinbauer, treibende Kraft hinter den Kurzfilmtagen, einleitet, müsse man zum Beispiel nur in eine Kneipe gehen, um zu erfahren, wie Gesellschaft funktioniere. Um zu erfahren, wo das Handeln, das Engagement schon beginne. Die Kneipe, ein Ort des Politischen. Die Filme aus der Kategorie „Schnapsrolle“ bestätigen das. „Bar Stories“ von Sébastien Wolf & Tinka Stock zeigt die Gesellschaft im Querschnitt: Von älteren Mittelschichtsdamen, die sich die Feierlaune nicht wegnehmen lassen, einem schmierigen Aufreißer aus gutbürgerlichem Milieu, selbstbewussten Student*innen, deren Interaktion primär über das Smartphone abläuft, bis hin zum tollpatschigen Punker und dem in der Ecke schnarchenden Metal-Head ist alles dabei. Die „Wahlnacht“ von Anders Thomas Jensen & Kim Magnusson nimmt ihren Beginn ebenfalls an der Bar, vollführt jedoch eine Höllenfahrt in mehreren Taxis durch die vielen Facetten der Anti-Demokratie, um schließlich, nüchtern und geläutert, wieder in der Kneipe zu landen.

Den Rausch thematisieren auch die beiden gezeigten Kurzfilme „Trumpet” von Kevin Haefelin aus dem Programm „Team’s Choice” und „Deep Water” von Anna Dudko aus dem Programm „Ukrainian New Wave”. In „Trumpet” wird das Publikum mit nach New York genommen und begleitet einen japanischen Mann durch eine rauschartige Nacht voll verketteter Ereignisse, begleitet durch Trompetenspiel. Die Zuschauer*innen erleben den Rausch der Musik mit, während sie mit dem Protagonisten durch die Nacht wandeln. „Deep Water” zeigt eine Art mystische Meerjungfrau, die über das Element Wasser, wie durch beispielsweise Wasserleitungen andere Menschen beobachtet. Einer der Ausspionierten ist ein Mann, dem sie beim Duschen zusieht und den am Ende durch Magie ein seltsames Schicksal ereilt. Hier scheint der sinnliche Rausch von Begehren auf die Leinwand gebracht worden zu sein.

Die Eröffnungsrede durch die Vertretung für Georgiana Banita von der Universität Bamberg, den Fest- und Trauerredner Sebastian Stache, zeigt außerdem eine weitere Perspektive auf das Thema Rausch: das Filmerleben im Kino. Rührend wird von der Faszination, von der „Schockverliebtheit“ beim ersten Kinobesuch erzählt. Der Kinobesuch ist ein Spektakel, in dem wir, ähnlich zu ekstatischen Zuständen, vollends aufgehen können. Freilich sind Getränke wie der selbstgebrannte Kurzfilmschnaps behilflich, im Kern sind es aber wohl die Filme, die Atmosphäre des Raumes, das schummrig-warme Licht und der Geruch von Popcorn, die den Kinoabend so berauschend machen. So darf sich das Publikum, gemütlich versunken in den flauschigen Kinosesseln des Odeons oder Lichtspiels, wieder auf eine Vielfalt an Filmen aus unterschiedlichsten Kontexten und Genres erfreuen. Sei es Animation, Mockumentary, Experimental-, oder Spielfilm, sei es für Groß oder Klein. Alle werfen ein kaleidoskopartiges Bild auf unser menschliches Zusammensein, ohne dass wir dafür die gesundheitlichen Risiken eines LSD-Trips auf uns nehmen müssten. Also, „Film ab und Prost!“ – ob mit oder ohne Schnaps.

Das Filmprogramm findet ihr unter www.bamberger-kurzfilmtage.de, Karten gibt es im Web oder an der Abendkasse. Wer neben den Filmvorführungen nicht genug hat, kann im „Kurzfilmklub”, dem Festivalcafé beziehungsweise Festivalclub in der Luitpoldstraße 16 vorbeischauen. Dort gibt es täglich ab 12 Uhr Programm und das Publikum kann sich dort mit dem Team und Filmemacher*innen des Festivals austauschen.

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