Dezember 2020:
Rudolf Stöber, Leiter des Instituts für Kommunikationswissenschaft in Bamberg, veröffentlichte in der Fachzeitschrift Publizistik einen Beitrag, der laut ihm „nicht jeder und jedem gefallen“ soll und wird. Das Thema: Gendern.
Darin bezeichnet er die Verwendung von Gender-* und Binnen‑I unter anderem als “latent manipulativ, unausgewogen, latent ideologisch, polarisierend und zudem an falscher Stelle sprachsensibel”. Stöber findet, wer „bewusst sprachpolitisch eingreift, um via Sprache Denken zu lenken, manipuliert.“ Leute, die diese Gender-Formen benutzten, seien daher „Sprachen- und Gedankenmanipulateure“, denen Stöber in einzelnen Fällen eine Nähe zu „Faschismus, Nationalsozialismus oder Kommunismus” unterstellt.
Stöber vertritt die unter Kritiker*innen des Genderns gängige These, dass soziales und grammatikalisches Geschlecht nichts miteinander zu tun hätten. Zwar seien es „durchaus ehrenwerte Ziele“, die durch das Gendern erreicht werden sollen. Jedoch sind Diskriminierungen laut Stöber „durch ‚Neusprech‘ (George Orwell) nicht aus der Welt zu schaffen.” Er bevorzugt “die historisch gewachsene” und „schöne deutsche Sprache“ ohne „Sonderzeichen aus der technischen Welt der Computer-Sprache“.
Er bemängelt außerdem, dass “immer mehr Studienanfänger die deutsche Sprache in Orthografie und Interpunktion nicht mehr richtig beherrschen”. Abschließend plädiert Stöber dafür, wieder in den Sprachgebrauch aufgenommene Begriffe wie „Qualitätsmanagement, Human Resources, HiWis, Kollaboration“ aufgrund ihrer „menschenverachtenden Konnotationen oder […] totalitären Bezüge“ genau zu prüfen.
Seine Positionen vertritt er nicht in der Funktion als Institutsleiter der Kommunikationswissenschaft, sondern als Privatperson.
Januar 2021:
Über 80 Dozierende von Universitäten und Hochschulen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA haben einen offenen Brief, adressiert an den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPUK), unterschrieben.
Darin werfen sie Stöber vor, in seinem Text „über weite Strecken unwissenschaftlich, polemisierend und diffamierend geschrieben“ zu haben und sehen darin eine „grobe Missachtung der Regeln wissenschaftlichen Diskurses.“ Außerdem werfen Sie Stöber vor, mit seinem Text jene diskreditiert zu haben, die sich für Gerechtigkeit einsetzen. Sie kritisieren die Fachzeitschrift Publizistik, die „Polemik Raum und Bühne gegeben [hätte], die unter dem Niveau einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift liegt“ und bewerten „die Entscheidung, diesen Beitrag zu publizieren, deshalb als redaktionelles Versagen der Publizistik.“
Neben den Dozierenden und Professor*innen der Universitäten haben über 200 Personen den offenen Brief unterschrieben, darunter auch Studierende der Universität Bamberg.