Für meine Entdeckungstour durch das Gebiet außerhalb der Bahnlinie treffe ich mich mit Helmut Kormann, der sich vor einigen Jahren mit seinen Schülern mit der Geschichte von Bamberg-Ost beschäftigte und seitdem Führungen durch den Stadtteil anbietet.
Entlang der Straßenbahn
Von der Rupprechtschule in der Neuerbstraße aus gehen wir als erstes die Pödeldorfer Straße entlang, wo zwischen 1897 und 1922 die Bamberger Straßenbahn den Kaulberg mit der damaligen Infanterie- und heutigen Lagarde-Kaserne verband. Wenn man sich die Fassaden der Häuser genau anschaut, kann man noch die Haken entdecken, an denen damals die Oberleitungen befestigt waren. Auch sonst wurden die meisten Häuser seit den 1890er Jahren bis heute von außen kaum verändert.
Durch die Wirtschaftskrise und die Inflation wurde die Straßenbahn zu Beginn der 1920er Jahre allerdings zu einem Luxus, den sich die meisten Bürger nicht mehr leisten konnten. Daher wurde der Betrieb 1922 eingestellt. Am Bahnhof angekommen erzählt Kormann, dass die Bahnstrecke ursprünglich viel weiter in der Innenstadt geplant war. Wegen Widerstands in der Bevölkerung wurde sie jedoch schließlich an den östlichen Stadtrand gebaut. Stadtführer Helmut Kormann sagt:
Alles, was in der Stadt unerwünscht war, wurde in Bamberg-Ost angesiedelt: die Bahnline, die Kaserne, später auch eine Schreinerei und eine Präservenfabrik
Die Gegend um die Pödeldorfer Straße wurde zu einem der ersten Industriegebiete. Allmählich füllte sich das Wohngebiet hinter der Bahnlinie mit Fabrikarbeitern und Bahnbediensteten. Was im neuen Stadtteil noch fehlte, war ein Raum für Gottesdienste. Gleichzeitig ließ der damalige bayerische Kronprinz Rupprecht 1910 für die Kinder der Unteroffiziere aus der Kaserne eine Schule bauen – die Rupprechtschule. Deren Turnhalle diente gleichzeitig als Kirchenersatz und war ursprünglich auch mit einem kleinen Kirchturm versehen. Der wurde allerdings im 2. Weltkrieg von einer Bombe getroffen und ist heute nur noch andeutungsweise erhalten.
Die Rupprechtschule
Im Eingangsbereich der Rupprechtschule gibt es den historischen Heinrichsaltar zu bewundern, der früher im Gebetsraum in der Turnhalle stand und nach dem 2. Weltkrieg lange auf dem Dachboden gelagert wurde. Erst vor einigen Jahren wurde der Altar vom Hausmeister wiederentdeckt und ausgestellt. Blickt man über die Dächer von Bamberg-Ost, kann man heute noch erkennen, dass die umliegenden Gebäude für lange Zeit nicht höher als die Kirche gebaut werden durften. Im zweiten Weltkrieg war die Heinrichskirche nicht zuletzt wegen ihrer soliden Bauweise ein Zufluchtsort für die Bevölkerung.
Die Lagarde-Kaserne
Die letzte Station des Rundgangs ist das Gelände der Lagarde-Kaserne, die nach dem Gefecht von Lagarde im 1. Weltkrieg benannt ist, bei dem die deutsche die französische Armee schlug, aber hohe Verluste hinnehmen musste. „Im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft würde ich mir einen anderen Namen wünschen“, sagt Kormann. Was heute kaum noch zu erkennen ist: Gegenüber der Kaserne befand sich mit der Hofbräu-Brauerei einst die größte Brauerei Bambergs. Mit der Anbindung an die Straßenbahn und den Soldaten als nahe gelegene Kundschaft hatte das Hofbräu unschlagbare Vorteile. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor allerdings der damalige jüdische Eigentümer Willy Lessing, nach dem heute eine Straße in der Innenstadt benannt ist, seine Anteile. Nach dem Krieg wurde die Brauerei zunächst von den Amerikanern als Armeebrauerei weitergeführt, bevor die Schickedanz-Unternehmensgruppe sie aufkaufte. Das Brisante dabei: Deren Gründer Gustav Schickedanz soll während der NS-Zeit von der Enteignung jüdischer Firmen profitiert haben. An die Brauerei erinnert heute in Bamberg-Ost nichts mehr.
Die Führung endet im Biergarten des Café Abseits, wo man bei einem Bier den Tag gemütlich ausklingen lassen kann.
Helmut Kormann bietet in unregelmäßigen Abständen Führungen durch Bamberg-Ost an. Bei Interesse meldet euch gerne bei ihm: helmut.kormann@gmx.de.