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Shalom
Dunkel Hell

Shalom

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  • Herzlich Willkommen in Israel. Unsere Autorin hatte das Glück, zu Beginn dieser Semesterferien noch in den Urlaub zu fliegen. Über eine Rundreise unter Corona-Bedingungen.

Hummus, Falafel und Malabi – großer Gott im Himmel, ich habe lange nicht mehr so gut gegessen. Für mich war es nicht die erste Reise ins Heilige Land, für meinen Freund, mit dem ich gemeinsam nach Israel flog, allerdings schon. Dementsprechend war er aufgeregt, aber ich noch viel mehr. Ich stand unter Druck: Er solle am Ende in jeder Hinsicht so begeistert sein wie ich – kulinarisch und kulturell.

Unser erster Stopp: Die Hauptstadt Tel Aviv

Obwohl das Corona-Virus in China das Leben der Menschen schon massiv einschränkte, merkten wir Ende Februar in Israel noch gar nichts und begannen unsere Rundreise.

Weniger als eine halbe Million Einwohner hat die zweitgrößten Stadt Israels, dennoch strotzt sie nur so vor Lebensfreude und Überraschungen. Gehupt wird in dieser Stadt grundsätzlich immer und überall. E‑Bikes und E‑Scooter füllen die Straßen der Hauptstadt. Obwohl Tel Aviv durch seine Größe, gemessen an der Einwohnerzahl, die Rangfolge der Hauptstädte niemals anführen wird, macht ihr keine in Sachen Vielfalt etwas vor. Die hippe Stadt am Mittelmeer gilt als vegane Hochburg und zieht außerdem jedes Jahr zehntausende Tourist*innen zur Gay-Pride.
Der Carmel Markt (hebr. Shuk Ha’Carmel) ist der berühmteste Markt der Stadt und existiert so lange wie die Stadt selbst – um die 100 Jahre. Von Touri-Geschenken, über Gewürze und frischgepresste Säfte bis hin zu Lebensmitteln aller Art – den Einkaufsfantasien von Einheimischen und Tourist*innen sind keine Grenzen gesetzt.

Nicht weit vom Markt entfernt erstreckt sich eine 14 kilometerlange Strandpromenade. Ihr Ende findet sie im südlich gelegenen Old Jaffa, seit 1948 Tel Avivs Altstadt. Der Hafen von Old Jaffa gehört zu den ältesten der Welt. Bei einem Ausflug in die Altstadt sollte man zwei Dinge auf keinen Fall vergessen: Zeit und Hunger. Hier kann man zwischen Flohmärkten und verwinkelten Gassen so richtig die Seele baumeln und sich kulinarisch verwöhnen lassen. Von Falafel, über Malabi, eine Art Milchpudding und Shakshuka – jede dieser israelisch-arabischen Spezialitäten schmeckt hier erst so richtig authentisch. Die Malabia und das Hummus Lokal in der Yefet St 73 sind Paradiese der Gaumenfreude und wärmstens zu empfehlen.

Kontrastprogramm: Jerusalem

Nach vier Tagen im hippen Tel Aviv zog es uns nach Jerusalem – Kontrastprogramm war angesagt. Das Thema Covid-19 lag für uns noch immer weit entfernt und wir konnten unsere Reise unbeeinflusst fortsetzen.
Jerusalem ist die größte Stadt Israels und wird von Christen, Juden und Muslimen gleichermaßen als heilig erachtet. In der Altstadt sind die drei monotheistischen Weltreligionen auf einem Quadratkilometer vereint. Die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg stellt die drittwichtigste muslimische Stätte da. Die Klagemauer ist der heiligste Ort der Juden und die Grabeskirche hat eine hohe Bedeutung im Christentum. Um einen Altstadtbesuch kommt man nicht herum, selbst wenn das Interesse an Religionen nicht vorhanden ist.

Eine Sache die zum Bild der Altstadt dazugehört: Polizist*innen mit Maschinengewehren. Das Konfliktpotenzial ist in der Altstadt höher, als an anderen Orten, da jede der drei Weltreligionen diesen Ort für sich beansprucht. Um den religiösen Konflikten zu entfliehen, ist ein Tag in der größten und wichtigsten Gedenkstätte des Holocaust Yad-Vashemessenziell. Diese erstreckt sich im Westen der Stadt auf dem Berg des Gedenkens (hebr. Har Hasikaron) und erinnert an die sechs Millionen Juden, die während des Zweiten Weltkrieges den Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Die Gedenkstätte existiert seit 1953 und hat sich vier Säulen der Erinnerung verpflichtet: Gedenken, Dokumentation, Erziehung und Forschung. Am 27. Januar 2020, dem 75. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, sprach Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkveranstaltung als erster deutscher Bundespräsident in Yad-Vashem. Ein bedrückender, aber sehr, sehr wichtiger Ort dieser Stadt und der Geschichte.

Bethlehem: Die Stadt hinter der Mauer

Von Jerusalem ging es weiter nach Bethlehem, bekannt aus Überlieferungen als Geburtsstätte Jesu. Die Stadt liegt nur einen Katzensprung von Jerusalem entfernt. Um sie zu erreichen, muss man allerdings einen Checkpoint passieren, da Bethlehem direkt hinter der acht Meter hohen Mauer liegt, die Israel vom Westjordanland trennt. Diese Mauer auf der Seite Bethlehems einmal abzulaufen, hat etwas Bedrückendes. Sie löste ein beklemmendes Gefühl aus, obwohl wir wussten, wenn wir wollen, kommen wir jederzeit wieder zurück. Der wohl bekannteste Sprayer, der sich hier verewigt hat, ist Banksy. Er errichtete 2017 das Walled of Hotel, welches unmittelbar vor der Mauer steht und mit dem „schlimmsten Ausblick der Welt“ wirbt.

Das Corona-Virus war nun auch hier verstärkt zu spüren. Wir liefen die Straßen entlang und passierten eine Gruppe von Kindern. Diese schauten uns an, riefen Corona und liefen schreiend davon. Wir schmunzelten darüber.

Die geteilte Stadt

Mein persönliches Highlight der Reise war der Tagesausflug nach Hebron. An keinem anderen Ort lässt sich meiner Meinung nach, der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israelis und Palästinensern besser nachempfinden.
Hebron liegt südlich von Jerusalem. Der Unterschied zu anderen palästinensischen Städten: jüdische Siedlungen im Herzen der Stadt.

Seit 1997 ist Hebron eine, in H1 und H2, geteilte Stadt. Im Stadtteil H1 leben über 200.000 Palästinenser*innen, in H2 um die 800 jüdischen Siedler*innen und einige Palästinenser*innen. Die Siedler*innen werden von hunderten israelischen Soldat*innen geschützt. H2 wird von Israel kontrolliert und bietet eingeschränkte Bewegungsfreiheit für Palästinenser*innen. Dieser Teil wird auch als Geisterstadt bezeichnet, während H1 eine belebte, palästinensische Stadt und die wirtschaftsstärkste Region der Westbank ist. Grund für die Teilung und die Landbeanspruchung beider Seiten ist die Mach-Pela. In der Höhle der Patriarchen, wie sie auch genannt wird, liegt Abraham begraben, der für alle drei monotheistischen Religionen gleichermaßen von Bedeutung ist. Geteilt ist nicht nur die Stadt, sondern auch die Mach-Pela durch Mauern und Panzerglasfenster: Eine Hälfte dient als Synagoge, die andere als Moschee. Da sich die Mach-Pela im Stadtteil H2 befindet, müssen Muslime, die ihr Gebet in der Ibrahimi-Moschee abhalten wollen, zwei Checkpoints passieren.

Mit Siedler*innen persönlich zu sprechen, gelang uns nicht. Wir wurden eher schief angeschaut, da es offensichtlich war, dass wir nicht wegen der Siedlungen nach Hebron gekommen waren, sondern um Orte des Brennpunktes mit eigenen Augen zu sehen. Die Palästinenser, mit denen wir sprachen, waren sehr offen und dankbar, dass wir den Weg aus Jerusalem gekommen sind. Der eigene Horizont erweitert sich in Hebron von selbst.

Frühzeitige Verabschiedung

Ursprünglich stand das benachbarte Jordanien als nächstes Reiseziel auf der Liste, doch Covid- 19 machte uns nun einen Strich durch die Rechnung. In der Nacht vor unserer Grenzüberquerung erfuhren wir über deutschen Medien, dass Israel die Grenzen für Deutsche schließt. Das wäre kein Problem gewesen, hätten wir unseren Rückflug aus Amman, der Hauptstadt Jordaniens gebucht, doch wir wollten unsere Reise in Israel ausklingen lassen. Wir wogen also ab, telefonierten mit der Botschaft und entschlossen uns letztlich unsere Jordanienreise abzusagen. Die letzte Nacht in Israel verbrachten wir in einem Hostel im Zentrum von Tel Aviv. Zu Beginn unseres Urlaubs war dieses Hostel voller Tourist*innen – in dieser Nacht waren wir fast die einzigen Gäste. Uns wurde gesagt: Sobald ihr abreist, werden die Türen für einen Monat geschlossen. Wir hatten Glück, packten unsere Sachen und fuhren zum Flughafen. Dort angekommen erinnerte nichts mehr an den belebten Ort, an dem wir vor zwei Wochen landeten. Die meisten deutschen Tourist*innen waren wohl bereits abgereist – im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Berlin hätte jeder Gast gut und gerne seine eigene, ganz private Sitzreihe haben können.

Dennoch war mein Freund am Ende vom Heiligen Land genauso begeistert wie ich – kulinarisch und kulturell. Meine Mission war also erfüllt. Obwohl wir kurzfristig abreisen mussten und dies unsere Stimmung drückte, hatten wir „netterweise“ ein sehr persönliches Abschiedsgespräch mit dem israelischen Sicherheitspersonal am Flughafen. Schon lange war keiner mehr so interessiert daran, wie lange wir schon zusammen seien und wie regelmäßig wir uns unter der Woche sehen. Ob diese Frage für die Sicherheit Israels notwendig ist, sei dahingestellt. Dieser Reise wird so schnell keine andere das Wasser reichen können.

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