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Von China, Krediten und Hundekot: Die Studi-Prof-Debatte 2018
Dunkel Hell

Von China, Krediten und Hundekot: Die Studi-Prof-Debatte 2018

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  • Geschrien, beschuldigt und systematisch ignoriert wird in Bamberg meist nur im Straßenverkehr oder nachts vor dem Live-Club. Entsprechend gefesselt waren die Zuschauer am Abend des 28. Juni, als es bei der ersten Studi-Prof-Debatte der Uni Bamberg herging wie in einer durchschnittlichen RTL-Show, nur mit Niveau.

Kein Wunder, denn die Hochschulgruppe, die die Veranstaltung organisierte und leitete, beschäftigt sich in erster Linie mit Streiten und Diskutieren — das aber auf einer konstant eloquenten und sachlichen Ebene: Der Bamberger Debattierclub (DCB) war an diesem Abend in seinem Element.

Anders als bei den wöchentlichen Treffen (während der Vorlesungszeit immer mittwochs um 18.30 in M2/1.04) debattierten die Studierenden aber nicht gegeneinander, sondern gegen drei Dozenten, die sich zur Teilnahme an dem Uni-internen Turnier bereiterklärt hatten: Michael Gerten (Fachbereiche BWL, Philosophie und Politische Theorie), Christian Illies (Philosophieprofessor) und Andreas Dix (Professor für Historische Geographie). Sie bildeten die Opposition gegen die Studierenden Franzi Eckl, Marc Müller und Christoph Ernst vom DCB. Diskutiert wurde die Frage:

Sollte Deutschland — ähnlich wie China — ein Sozial-Kreditsystem einführen?“

Zur Erklärung:

Beim klassischen Debattieren wird den Teilnehmern, unabhängig von ihrer persönlichen Meinung, der Standpunkt vorgegeben, den sie vertreten sollen. Die Regierung argumentiert für, die Opposition gegen den Vorschlag, dabei tritt je abwechselnd ein Mitglied des einen oder anderen Teams ans Rednerpult und hält eine maximal siebenminütige Rede, oft unterbrochen von Fragen und Zwischenrufen der gegnerischen Fraktion. Die Argumente des Vorredners müssen aufgegriffen und schlüssig widerlegt werden; am Ende entscheiden die Zuschauer oder unabhängige Schiedsrichter, welches Team seinen Standpunkt besser verteidigt hat.

Obwohl es sicher kaum jemanden im Raum gab, der sich ein Credit-System wie in China wünscht (Punkte für gutes Verhalten, Punktabzug für schlechtes, ein hohes Punktekonto führt zu staatlich subventionierten Vorteilen für die eigene Person), musste das Studententeam also für den Vorschlag debattieren. Dies taten sie vor etwa 50 bis 60 Zuschauern, die an diesem Abend zur Feki gekommen waren. Und für die meisten wird es sich gelohnt haben: Die Diskussion war geprägt von flammenden Reden beider Seiten, vielen Zwischenrufen und, aus unerfindlichen Gründen, verwunderlich langen Diskussionen über Hundekot vor Haustüren. Philosophieprof Illies schmiss während seines in beeindruckender Lautstärke vorgetragenen Monologs versehentlich den Pokal zu Boden, während er sich in DDR-Vergleiche und Schweizer Altenheim-Geschichten (mit solide imitiertem Schweizer Dialekt) hineinsteigerte, Gerten beleidigte das Regierungsteam unterschwellig mit biopsychologischen Argumenten und Marc Müller entschied sich dafür, die Zwischenfragen der Dozenten ganz einfach zu ignorieren.

Die Zuschauer wählten schließlich die Opposition zum Sieger – beeinflusst vielleicht durch deren vorteilhaftere Position als China-Gegner, aber vor allem wegen der Leidenschaft, die sie in ihre Brandreden gesteckt hatten. Die Regierung nahm es gelassen hin – immerhin kann der DCB jetzt davon ausgehen, dass sich diese oder andere Profs nun auch zukünftigen Debatten stellen werden. Wünschenswert wäre es: Die erste Studi-Prof-Debatte war nicht nur witzig, sondern eine spannende Diskussion über politische, soziologische und philosophische Themen und eine Interaktion zwischen Dozenten und Studierenden, wie sie es in dieser Intensität nur selten gibt.

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