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Kommunikationsprobleme vor der Kowi-Flut
Dunkel Hell

Kommunikationsprobleme vor der Kowi-Flut

  • Der Ersti-Ansturm in der Kommunikationswissenschaft war nicht geplant. Wir haben mit den beteiligten Universitäts- und Ministeriumsvertretern gesprochen. Die Ergebnisse im Überblick.

Die Zahl der Erstsemesterstudierenden im Fach Kommunikationswissenschaft ist 2,6‑mal höher als die Zahl der eigentlich vorgesehenen Plätze. Dies war nicht geplant, sondern eher eine ungünstige Verkettung zweier Faktoren. Das bisher obligatorische Vorpraktikum war als Zulassungshürde abgeschafft worden, weil es „für Studieninteressierte zunehmend schwieriger geworden war, gleich nach der Schule eine entsprechende Praktikumsstelle zu bekommen“, so Prof. Markus Behmer, der zuständige Fakultätsdekan. Die Einführung des Mindestlohns habe zu dieser schwierigen Situation geführt.
Dass auch noch der NC abgeschafft wurde, hat aber nicht die Universität beschlossen. „Wir wären ja ziemlich dumm gewesen, beide Tore gleichzeitig aufzumachen“, sagt Prof. Rudolf Stöber, Institutsleiter der Kommunikationswissenschaft. „Wir haben mit der NC-Beantragung und der NC-Bewilligung nichts zu tun.“

Richtig ist, dass Fachvertreter, die einen NC für ihren Studiengang verwenden wollen, dies gegenüber der Universitätsleitung deutlich machen müssen. „Diese führt dann eine Kapazitätsprüfung durch“, erklärt der Vizepräsident für Lehre und Studierende Prof. Frithjof Grell. Verwendet wird dabei ein gesetzlich vorgeschriebener Curricularwert, der bestimmt, wie das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden aussehen soll. Für die Kommunikationswissenschaft liegt dieser Wert zwischen 2,25 und 3 Studierenden pro so genannter „Lehreinheit“. Die Universität stellt dann offiziell einen Antrag beim bayerische Kultusministerium, das letztlich entscheidet. „Diesmal hat das Ministerium dem Antrag aufgrund der Auslastungszahlen nicht stattgegeben“, so Grell.
Tatsächlich waren die Kapazitäten in den letzten vier Jahren nie ganz ausgeschöpft. Die Quoten lagen unter 100, zweimal sogar unter 90 Prozent. Vor dem Hintergrund dieser Unterauslastung war die Praktikumsabschaffung im Sommer ein Instrument zur Erhöhung der Auslastungsquote und sollte „die Attraktivität des Studiengangs noch mehr steigern“, bestätigt Vizepräsident Grell. Laut Dekan Behmer habe das Institut im letzten Wintersemester natürlich von der damaligen Auslastung von „knapp 90%“ gewusst, aber nichts von einer Gefährdung des NC. „Uns wurde vermittelt, dass dies reichen würde.“

Dem widerspricht Dr. Michael Plomer, der im Kultusministerium mit über die NC-Anträge entscheidet: „Liegt die Auslastungsquote nur zwischen 80 und 90 Prozent, bekommt die Universität von uns den Hinweis, dass Bedenken gegen die Zulassungsbeschränkung bestehen.“ Laut Plomer waren die letzten drei Bewilligungen jeweils schon mit dem Hinweis an die Universität verbunden, dass der NC gefährdet sei. Diese Rückmeldung hätten die Fachvertreter in Bamberg „definitiv nicht bekommen“, betont Behmer. Prof. Sebastian Kempgen, Grells Vorgänger und damaliger Vizepräsident schreibt dagegen in einer E‑Mail gegenüber dem Ottfried: „Natürlich ist die Situation jeweils dem Fach kommuniziert worden.“Tatsächlich hätten derlei Informationen keinen weiten Weg vom Universitätspräsidium zum Institut für Kommunikationswissenschaft gehabt: Behmer war und ist als Dekan Mitglied der erweiterten Universitätsleitung, „wo diese Dinge gemeinsam besprochen werden“, so Kempgen. Also Kommunikationsprobleme bei Kommunikationswissenschaftlern?

Mit der Situation müssen Studierende und Lehrende jetzt jedenfalls erst einmal umgehen. „Ich glaube nicht, dass wir die Probleme schon in voller Wucht erfahren — das wird später kommen“, prognostiziert Institutsleiter Stöber. Trotzdem besteht schon jetzt ein Raumproblem: Die Vorlesung zum Mediensystem Deutschlands findet nach wie vor in der Kirche des Dominikanerklosters statt, die der Universität als Aula dient. Die Qualitätssicherung der Lehre sei eine „echte Herausforderung “, so Behmer. Das Institut habe Stellen aufgestockt und dafür gesorgt, dass jeder Erstsemesterstudierende einen Seminarplatz bekommt, wenn auch nicht in einem Einführungsmodul. „Was wir bislang machen konnten, haben wir gemacht“, sagt Stöber.

Entspannt steht Talayeh Mesri, eine Studentin der Kommunikationswissenschaft, die als Institutsansprechpartnerin (IAP) das Bindeglied zu den Lehrenden darstellt, der Extremsituation gegenüber: „Eine größere Zuhörerschaft in einer Lehrveranstaltung heißt nicht, dass dem Einzelnen weniger Wissen vermittelt wird.“ Stattdessen rät sie den Studierenden zu mehr eigenverantwortlichem Arbeiten, ganz im Sinne Stöbers: „Es gehört dazu, die Veranstaltungen vor- und nachzubereiten.“ Zur Entzerrung der Situation könnten Studierende laut Vizepräsident Grell auch beitragen, indem sie das Augenmerk erstmal auf das zweite Hauptfach oder Nebenfach legten. Genauso sieht das der zweite IAP Tobias Schwär und mahnt zur Mäßigung: „Es ist einfach zu sagen ‚Ich komm in den Kurs nicht rein – was ist das denn für ’ne blöde Orga?‘ Man muss eben das Beste draus machen.“

Vizepräsident Grell ist sich jedenfalls sicher, „dass jeder Studierende der Kommunikationswissenschaft dieses Semester ordentlich studieren kann.“ Für die kommenden Semester bemüht sich das Institut um mehr Ressourcen. Die aktuelle Planung werde aber nur dann aufgehen, wenn „es im nächsten Winter nicht noch einmal so viele Einschreibungen gibt“, erklärt Dekan Behmer. Dafür stehen die Chancen aber gut: „Falls die Universität für das kommende Wintersemester eine erneute Zulassungsbeschränkung beantragen wird“, sagt Ministeriumsmitarbeiter Plomer, „so fällt mir derzeit kein Grund ein, der gegen die erneute Genehmigung eines Numerus Clausus sprechen würde.“

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