Ben Kohz kann zwar nicht mit der deutschen Rechtschreibung umgehen,…
Lesen Sie privat oder macht Ihr Beruf den Spaß am Lesen kaputt?
Nein, ich lese auch privat. Soweit es meine Zeit natürlich zulässt. Nur muss ich sagen, dass mein privates Lesen nichts mit meinem Beruf zu tun hat. Es passiert häufig, dass bei Bewerbungsgesprächen junge Kolleginnen und Kollegen, um zu überzeugen, betonen, dass sie gerne lesen. Aber dies hat nichts damit zu tun, ob sie ein guter Bibliothekar/eine gute Bibliothekarin sind.
Lesen Sie eher auf einem E‑Reader oder sind Sie noch ein Fan von gedrucktem Papier?
Unterschiedlich, wenn ich unterwegs bin, lese ich in der Regel mit einem Reader, einfach, weil es praktischer ist. Aber ich kaufe mir auch noch ganz gerne Bücher, gerade auch, weil man sie signieren lassen kann. Das finde ich ganz schön. Ich bin da sozusagen absolut „Hybrid“.
Kann es denn überhaupt eine Bücherei ohne gedruckte Bücher geben?
Sagen wir es so: Im Moment deutet überhaupt nichts darauf hin, dass es mal keine Bücher mehr geben wird. Ich fange einfach mal anders herum an: Zu einer Bücherei gehören weitaus mehr als gedruckte Bücher. Also digitale Medien in allen Formen, aber auch der Lernort, der Kommunikationsort oder die Publikationsunterstützung, gehören zu einer Bibliothek. Das geht dann in die Richtung von etwas, was wir Informationskompetenz nennen.
Haben Bibliotheken nicht durch E‑Books und Online-Datenbanken ein Existenzproblem?
Bibliotheken waren nie häufiger besucht als heute. Obwohl vieles elektronisch von jedem Ort in der Welt verfügbar ist. Dies ist ein interessantes Phänomen. Im ersten Moment erscheint es vielleicht als ein Paradox, dass Menschen, die eigentlich von überall Zugriff auf Medien hätten, dennoch in die Bibliothek gehen. Obwohl sie fast alles von Zuhause machen könnten, kommen die Studierenden zu uns und nutzen die Räume, die ihnen zur Verfügung stehen. Das ist natürlich ein schönes Phänomen. Offenbar gibt es vom Raum her Vorteile. Sei es die Abgeschiedenheit zum Lernen, sei es die Empfindung als Arbeitsraum. Man geht morgens hin, sieht dann Kommilitonen, arbeitet dann hier unter einer gewissen sozialeren Kontrolle und kommt nicht in der Versuchung, die Fenster zu putzen. Man hat eine perfekte Infrastruktur, mit WLAN, Druckern und Scannern, die man eventuell Zuhause auch nicht hat. Da kommt Verschiedenes zusammen, was die Bibliothek als Ort sehr attraktiv macht.
Wie stellen Sie sich die Bamberg Universitäts-Bibliothek der Zukunft vor? Gibt es eine Herausforderung, die speziell für Sie in den nächsten Jahren kommen wird?
Grundsätzlich ist es unsere Aufgabe, unsere Kunden zufrieden zu stellen. Also das zu tun, was die Studierenden und Wissenschaftler gerne möchten. In dieser Beziehung sind wir ein Stück weit reagierend. Da sind wir Dienstleister. Auf der anderen Seite sind wir dann auch aktiv und bieten Dinge an und schauen dann wie es funktioniert. Ich weiß nicht, was ganz neu kommen wird. Das kann man ja auch nicht wissen. Aber dann wäre es ja auch nicht mehr spannend.
Vielleicht kommen da ja noch große Dinge auf uns zu. Was im Moment groß diskutiert wird, ist der Umgang mit Forschungsdaten. Zum Beispiel mit Daten in Langzeit-Archiven. In diesem Bereich sind Bibliotheken sehr stark. Ansonsten haben wir unsere Säulen: Publikationswesen, Publikationsunterstützung und Open Access, also die Möglichkeit wissenschaftliche Forschungsarbeiten frei zugänglich bestellen.
Die Förderung von Informationskompetenz ist ein ganz wichtiges Thema. Informationen zu finden ist ja nicht mehr das Problem, wie es ja vielleicht früher war. Wir mussten vor 50 Jahren noch in die Bibliothek gehen, um Informationen zu bekommen. Informationen gibt es heutzutage wie Sand am Meer. Wichtiger ist es, daraus die Informationen zu filtern, die zuverlässig sind. Jene, die für die Fragestellung wichtig sind. Und da denke ich, dass Bibliotheken sehr stark Hilfestellung leisten. Dies ist sicher eine Säule, an der wir weiterarbeiten werden.
In einem Artikel im Jahre 2006, als Sie den Direktorposten der Universitätsbibliothek übernommen haben, wurden Sie damit zitiert, dass Sie den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Informationskompetenz legen wollen. Wie schätzen Sie die Veränderung auf diesem Gebiet seit dieser Zielsetzung ein?
Also wir sind stark! Auf diesem Gebiet hat sich in den letzten zehn Jahre ganz viel getan. Wir sind eine der Universitäts-Bibliotheken, die da sehr viel tun. Wir sind auch eine der Universitäts-Bibliotheken , welche die meisten Studierenden erreicht. Aber, so ein Thema ist ja auch nie zu Ende. Es gibt immer wieder neue Studierende, die kommen.
Ich denke gerade, dass in der Welt, wie wir sie heute erleben, wo schon viel, ich nenne es mal „Propaganda“ existiert. In der es um verkürzt dargestellte Aussagen oder beeinflusste Informationen geht, ist es eklatant wichtig, dass jeder in der Lage ist, Informationen zu bewerten. Und dazu können Bibliotheken ganz stark beitragen. Eine britische Kollegin hat letztens auf einer Konferenz eine ganz interessante Frage gestellt: „Wäre eventuell das Referendum zum Brexit anders ausgegangen, wenn die Briten informationskompetenter gewesen wären?“ Wenn sie (die Briten; Anmerkung der Redaktion) die Argumente stärker hinterfragt hätten, die ihnen vorgesetzt worden sind. Es ist natürlich eine rhetorische Frage, aber es gibt Beispiele von Argumenten, die einen Tag nach dem Referendum zurückgezogen worden sind. Die berühmte Sache mit dem Bus: Wenn wir nicht in der EU sind, können wir jeden Tag 325 Millionen in unser System steuern. Und einen Tag später war klar, dass es Bullshit war. Vielleicht hätten es dann mehr durchschauen können.
Wie viele Studiengänge oder Grundkurse sind mit Kursen der Bibliothek verbunden?
Was wir ziemlich genau wissen, ist wie viele Studierende an unseren Kursen teilnehmen. Es liegt so in der Größenordnung zwischen 5000 und 7000 im Jahr. Wir erreichen etwa jeden zweiten Studierenden. Das ist schon sehr gut, auch im deutschlandweiten Vergleich. Schön wäre es natürlich, wenn wir jeden Studierenden erreichen könnten.
Haben Sie den Schwerpunkt, den Sie sich damals gesetzt haben, erreicht?
Das ist wie bei so vielen Dingen: Wir haben schon vieles erreicht, sind aber noch nicht am Limit.
In dem schon angesprochenen Artikel gab es den Satz: „Er fühlt sich in der virtuellen Bibliothek genauso Zuhause wie in der realen“. Wo ist Ihr Zuhause momentan?
Von meiner Ausbildung her bin ich Physiker. Daher habe ich eine gewisse Affinität zu digitalen Medien. Die Entwicklung schreitet vor allem im Bereich der digitalen Medien voran und diese ist sicherlich spannender als das Geschäft mit gedruckten Büchern. Dies ändert natürlich nichts daran, dass wir weiterhin, wo es nötig und gewünscht ist, (gedruckte Bücher; Anmerkung der Redaktion) anschaffen und/oder digitalisieren. Ich bin schon für beides zuständig, aber der Fokus der Weiterentwicklung liegt bei der digitalen Bibliothek.
Als Sie im Jahr 2006 als Bibliotheksleiter angefangen haben, war eines Ihrer Ziele das damalige OPAC System zu erweitern und aufzubauen. Ist Ihnen dies rückblickend gelungen?
Wir sind mit einer ganz wichtigen Erweiterung im letzten Jahr weitergekommen. Und zwar mit dem, was wir im Moment „Primo“ nennen. Dies bedeutet, dass im Katalog nicht nur Bücher vorhanden sind, sondern auch Zeitschriften und Aufsätze unter einer Oberfläche zu finden sind. So kann man unter einer Oberfläche auf verschiedene Datenbanken zugreifen. Dies ist ein Punkt, in dem wir im letzten Jahr einen ersten Schritt gemacht habe. Man muss wenig wissen und findet fast alles. So hat man alles unter einem Dach! […] Es ist klar, dass wir nie einen so guten Such-Algorithmus wie Google haben werden. Das muss man neidlos anerkennen. Dies können wir weder einholen noch nachmachen. Aber bei uns hat man die Garantie, dass das, was man bei uns findet, eine Qualitätsprüfung hat. Auch wenn man natürlich trotzdem nachdenken muss, haben diese Quellen zumindest eine erste Qualitätsprüfung bestanden.
Was wird der zweite Schritt nach Primo sein?
Wir müssen die Suche verbessern, das ist ganz klar. Nicht bei allen Themen sind wir mit den Suchergebnissen zufrieden. Das hängt natürlich auch mit der Indizierung zusammen, also wie groß der Index ist. Da gibt es schon einige Verbesserungsmöglichkeiten. Es gibt auch noch Verbesserungsmöglichkeiten im Zusammenspiel mit dem Katalog. Wenn man zum Beispiel ein Buch gefunden hat, muss man sich jedes Mal mit einem Single Site On nochmal neu im Katalog anmelden.
Ein Thema, welches ja mittlerweile viel diskutiert wird, ist das der elektronischen Spinde. Das Ganze muss eine sehr kostspielige Investition gewesen sein.
Wir alle waren da sehr lang dran. Jedes Schwimmbad hat ja mittlerweile sowas. Ein elektronisches Schloss ist in etwas drei Mal so teuer wie ein Schlüsselschloss. Nur wenn der Schlüssel weg ist, müssen wir das ganze Schloss austauschen, und da das des Öfteren passiert, rentiert sich ein elektronisches Schloss. Was natürlich richtig ist: man muss erstmal Investitionen in die Hand nehmen. Die Gelder kommen ja immer aus dem Universitätstopf. Die haben dann gesagt: Das probieren wir aus! Und mit den Erfahrungen, die wir dort machen, können wir dann weiterarbeiten. Jetzt können wir natürlich, wenn jemand seinen Schlüssel verliert, den Spind ohne weitere Mehrkosten aufmachen und direkt wieder freigeben. Und es ist sehr bequem für die Studierenden. Und da hoffen wir, dass wir Schritt für Schritt weitergehen können. Unser Ziel ist es natürlich schon, da wir nun im Groben die Technik beherrschen, irgendwann alle Teilbibliotheken mit den elektronischen Schließfächern auszustatten. Das ist aber auch eine Finanzierungsfrage.
Letztendlich ist es auch wieder ein typisches Beispiel für unsere Arbeit: Wir sehen eine Verbesserung für die Studierenden und versuchen diese dann umzusetzen. Dann beobachten wir das natürlich und schauen, wie wir weiter reagieren sollen.
Ein weiterer, unter Studierenden diskutierter Punkt, ist das „Reservieren“ von Spinden für den nächsten Morgen. Ist dies nun auch eingedämmt?
Ja, es gab einige Beschwerden, dass Studierende Spinde über Nacht reservieren. Wir können natürlich Spinde, und das tun wir auch, über Nacht leeren und die Inhalte als Fundsachen behandeln. Bei Schlössern würde dann aber immer noch nicht der Schrank wieder zur Verfügung stehen, da wir dann erst wieder das Schloss tauschen müssten. Jetzt kann man problemlos die Spinde leeren und den Schrank wieder freigeben.
Wir öffnen regelmäßig die Spinde. Und es wird immer weniger, dass Studierende über Nacht etwas einschließen, da es nichts mehr bringt.
Werden Daten bei den elektronischen Schließfächern gespeichert?
Es wird nur die Schlossnummer auf der Chipkarte des Studierendenausweises gespeichert. Wir wissen nicht, wer was im Schloss hat; wir wissen nicht, wie lange ein Spind schon besetzt ist; wir wissen in diesem Bezug gar nichts. Das wollen wir auch gar nicht.
Ben Kohz kann zwar nicht mit der deutschen Rechtschreibung umgehen, hat aber ein Heer an Lektoren und williger Arbeitsbienen an der Hand und kann sich so auf seine zahlreichen wahren Talente konzentrieren. Schlaf ersetzt Ben generell durch Koffein und die Arbeit an seinen vielen Nebenprojekten. Zusätzlich malträtiert er seinen Körper durch Rugby, Bouldern und weitere Sportarten.