Elias Drost, Jahrgang '97: Das fränkisch-niederbayerische Hybrid stieß im Sommer…
Herr Prof. Dr. Grell, der Studiengang Kommunikationswissenschaft ist völlig überfüllt. Wie sind die Zahlen?
Grell: Wir haben zurzeit 411 Erstsemesterstudierende. Das liegt erheblich über der Kapazität, die liegt bei 112 Plätzen. Es sind also 3,6‑mal mehr Studierende als Plätze.
Wann wurde die Dimension klar?
Grell: Das war während der Einschreibungszeit, also relativ knapp vor Semesterbeginn. Als wir immer wieder neue Zahlen aus der Studierendenkanzlei bekamen, wurde deutlich, dass die Immatrikulationszahlen wohl um den Faktor drei oder vier erhöht sein werden. Wenn die Einschreibung mal läuft, kann man von Administrationsseite aber nicht mehr nachsteuern. Man sieht das Wasser langsam steigen, ohne eine Möglichkeit zu haben zu reagieren.
Wie konnte es dazu kommen?
Grell: Das liegt an zwei Faktoren. Zum einen wurden schon im letzten Sommersemester die Zulassungsbedingungen geändert, es war kein Praktikum mehr nötig. Diese Entscheidung hatte fachliche Gründe: Die Vertreter der Kommunikationswissenschaft haben sehr überzeugend dargelegt, dass dieses Pflichtpraktikum — vor allem vor dem Hintergrund des Mindestlohns – für immer mehr Interessierte eine unüberwindliche Hürde dargestellt hat. Ein Pflichtpraktikum ist wie ein Arbeitsverhältnis zu entlohnen und damit waren immer weniger Stellen verfügbar.
Und der zweite Faktor?
Grell: Das ist natürlich der Wegfall des NC. Das war quasi eine Einladung, wir sind die einzige Universität in Deutschland, an der Kommunikationswissenschaft jetzt NC-frei ist. Prinzipiell ist aber ein großes Interesse an einem Studiengang durchaus erfreulich und spricht für die Attraktivität des Standorts.
Wie kommt so ein NC zustande oder warum wird er wieder abgeschafft?
Grell: Prinzipiell gibt es eine Berechnungsgrundlage: das vorhandene Lehrangebot einerseits und die Studierendenzahlen andererseits. Jedem Fach ist mit dem sogenannten curricularen Normwert durch Gesetz ein gewisses Betreuungsverhältnis vorgeschrieben. Mit diesem Wert sind beispielsweise finanzielle Zuweisungen verbunden. Übrigens wird dieser Curricularwert oft auch innerhalb der Fächer als unfair und willkürlich empfunden.
Dann gibt es jedenfalls eine Kapazitätsberechnung durch die Universität: Wie viele Studierende und Lehrende gibt es? Wenn das Ergebnis dann stark vom Normwert abweicht, muss man reagieren.
Indem man einen NC festlegt oder abschafft.
Grell: Ja. Die Entscheidungsinstanz ist aber nicht die Universität, sondern das Wissenschaftsministerium. Prinzipiell soll jedem Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, das zu studieren, was er möchte. Deshalb greift man dort nur in Fällen extremer Überauslastung zum Steuerungsinstrument des NC. Wenn zum Beispiel in einem Studiengang 100 Bewerber auf 100 Plätze kommen, dann reicht das nicht für einen NC.
Faktisch läuft das so ab, dass die Fächer einen Antrag auf Aufnahme in ein Zulassungsverfahren stellen. Die Universitätsleitung führt eine Kapazitätsprüfung durch und leitet diesen Antrag dann entweder ans Ministerium weiter oder lehnt ihn als unbegründet ab.
Hat das Institut für Kommunikationswissenschaft diesmal einen Antrag auf einen NC eingereicht?
Grell: Ja, die Universitätsleitung hat diesen auch weitergeleitet. Das Ministerium hat dem Antrag aber aufgrund der Auslastungszahlen nicht stattgegeben. Das Wissenschaftsministerium verfolgt natürlich das Ziel, die Studiengänge auszulasten. In den letzten Jahren haben aber aus Ministeriumssicht nicht genügend Studierende in Bamberg Kommunikationswissenschaft studiert. Die Abschaffung des Praktikums im Sommer sollte vor diesem Hintergrund die Attraktivität des Studiengangs noch mehr steigern.
Woran lag es, dass die Kowi dann immer noch nicht ausgelastet war? An der Attraktivität des Standorts?
Grell: Sicher nicht. Die Kommunikationswissenschaft in Bamberg ist ein hochattraktiver Studienstandort! Man muss aber vielleicht auch beobachten, was der ‚Markt‘ deutschlandweit überhaupt hergibt.
Die NCs in anderen Unis zeigen aber, dass die Nachfrage auf dem Markt sicher da ist. Warum nicht in Bamberg?
Grell: Das müssen Sie im Detail die Fachvertreter fragen. Die fehlende Nachfrage muss auch nicht unbedingt immer nur am Fach selbst liegen. Ein Grund könnte etwa darin liegen, dass Universitätsstädte wie Berlin, Hamburg oder Köln aufgrund des deutlich günstigeren medialen Umfeldes gewisse Standortvorteile haben. Der Studiengang hier selbst ist jedenfalls sehr gut ausgestattet und hat erstklassige Dozierende.
Wie geht die Uni jetzt mit der Situation um? Kann unter diesen Umständen die Qualität der Lehre gesichert werden?
Grell:Ja, da bin ich sicher. Man muss die Studierenden vor allem gut informieren und ihnen das Gefühl geben, angenommen zu werden. Die sind ja auch erstmal froh, einen Studienplatz zu haben.
Noch froher wären sie natürlich, wenn sie in allen Seminaren einen Platz bekämen.
Grell: Ja, aber man muss jetzt auch sehen, dass eine große Zahl an Studierenden sich jetzt einen Studiengang hat aussuchen können, den sie sonst nicht hätte studieren können.
Der Studiengang bietet durch seine Architektur auch gute Möglichkeiten, die Situation zu entzerren. Kommunikationswissenschaft ist ja höchstens mit 75 ECTS zu studieren, man hat also immer ein Nebenfach oder sogar ein zweites Hauptfach. Im ersten Semester kann man das Hauptaugenmerk also problemlos darauf legen. Die Auswahlmöglichkeiten sind da, man muss eben ein bisschen jonglieren.
Könnte man auch kurzfristig, durch Investitionen in Lehrpersonal oder ‑ausstattung, das Fach entlasten?
Grell: Nein, das ist in den Strukturen der Universität nicht vorgesehen. Für feste Stellen und auch für Lehraufträge braucht es längeren Vorlauf. Das hätte auch gar nicht den gewünschten Effekt: Sobald das Lehrpersonal verstärkt wird, werden auch die Kapazitätszahlen der Studienplätze erhöht, das liegt eben an dem curricularen Normwert.
Wie geht es jetzt weiter?
Grell: Alle, Studierende wie Dozierende, müssen sich jetzt um eine optimale Lösung der Situation bemühen. Auch ich ganz persönlich wirke zum Beispiel mit, indem ich meinen Vorlesungssaal Herrn Wünsch für die Kowi überlassen habe. Ich bin jedenfalls sicher, dass jeder Studierende der Kommunikationswissenschaft dieses Semester ordentlich studieren kann.
Elias Drost, Jahrgang '97: Das fränkisch-niederbayerische Hybrid stieß im Sommer 2017 zum Ottfried und ist seither fester Bestandteil der Redaktion. Sein durch den Chorgesang geschultes Organ macht ihn auf Redaktionssitzungen unüberhörbar. Mit seiner warmen Bassstimme wird er in Zukunft alle Artikel als Hörbücher einsprechen.