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Alte Liebe rostet nicht
Dunkel Hell

Alte Liebe rostet nicht

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Als wir uns nach gefühlt tausend Stufen endlich in den dritten Stock der Kapuzinerstraße 25 gequält haben, sind wir ein bisschen enttäuscht: In unserem Kopfkino befindet sich ein Archiv immer im Keller – verwinkelte, verstaubte Gänge und in der hintersten Ecke ein grauer Archivar, der seit der Jahrtausendwende kein Sonnenlicht mehr erblickt hat. Tatsächlich sieht es ein bisschen anders aus.
Wir besuchen heute einen Ort, von dem die meisten Studierenden nicht einmal wissen, dass er existiert: das Archiv der Universität. Leiterin Margrit Prussat, die dem alten Archivar unserer Fantasie kein bisschen ähnelt, begrüßt uns herzlich in ihrem Reich – sie freut sich über die Möglichkeit, das recht unbekannte Archiv vorzustellen. Wir sind hier, um uns ein Bild davon zu machen, wie die Arbeit der Archivarin abläuft. Auf der Uni-Homepage ist dazu Folgendes zu finden: „Das Archiv der Otto-Friedrich-Universität Bamberg fungiert als kulturelles und historisches Gedächtnis der Universität.“ Frau Prussat erklärt uns das ein bisschen genauer: Im Archiv lagern alle für die Universität relevanten Unterlagen: Prüfungsordnungen, Urkunden, VHS-Kassetten und viele, viele Ordner, angefüllt mit Uni-Interna. Auch alle Studierenden finden sich hier – zumindest die Matrikelnummer wird vermerkt.

Alles können wir nicht aufheben
MARGIT PRUSSAT — LEITERIN ARCHIV UNI BAMBERG

Bücherstapel? Keine Spur.

Wir erfahren, dass ein Archiv keineswegs verstaubt und vollgestapelt ist. Vielmehr gibt es strenge Richtlinien, wie die Archivalien gelagert werden müssen. Es darf weder zu warm, noch zu kalt, weder zu feucht noch zu trocken sein, und Bücherstapel gibt es hier schon gar keine. Stattdessen werden die Unterlagen in speziell angefertigten, holzfreien Kartons aufbewahrt, bei denen einer bis zu 25 Euro kostet. Diese Kartons werden in Rollregal im Magazin gelagert, dort sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit an das Papier angepasst – was nicht unbedingt der Wohlfühltemperatur eines Menschen entspricht. Wir frieren.

Das Archiv und die NASA

Zum Glück ist es in den Büroräumen der Angestellten wärmer. Eine davon ist Franziska Schultheiß. Sie ist für die Digitalisierung der Archivalien zuständig. Denn auch Papier hält sich nicht ewig, VHS-Kassetten erst recht nicht. Deshalb soll eine digitale Datenbank angelegt werden, auf die man irgendwann einmal online zugreifen kann. Ein spannendes Beispiel, an dem Frau Schultheiß zurzeit arbeitet, stellt ein Strafkatalog aus dem 19. Jahrhundert dar: Hier ist noch vermerkt, wie nächtliches Lärmen der Studierenden für Unmut bei den Anwohnern sorgte. Also gar nicht so viel anders als bei uns – nur, dass wir für das späte Treiben nicht mehr mit dem Karzer, sondern lediglich mit dem Kater danach gestraft werden. Auch Georg Kö beschäftigt sich mit der Datendigitalisierung, allerdings sehr viel technischer. Denn auch digitale Daten können altern. Das weiß jeder, der schon einmal versucht hat, ein Word-Dokument von 1998 mit Office 2013 zu öffnen. Nicht nur unser kleines Archiv hat mit diesem Problem zu kämpfen, auch die NASA beschäftigt sich damit schon lange: Tatsächlich sind die digitalen Daten der ersten Mondlandung verloren gegangen. Das aus diesem Anlass entwickelte Programm für nachhaltige Datenspeicherung nutzt auch das Archiv der Uni Bamberg.

Viele wissen gar nicht, dass es ein Uni-Archiv gibt. Erst recht nicht wo. — Foto: Maximilian Krauss

Archiv oder Tonne?

Das Archiv bewahrt keineswegs jeden alten Krempel auf: „Wir bekommen ganze Aktenberge, aber alles können wir nicht aufheben“, erzählt die Archivleiterin. Die Aufnahme eines Dokuments läuft deswegen folgendermaßen ab: Nehmen wir an, unser Präsident Prof. Dr. Dr. Ruppert schreibt einen Brief an das Kultusministerium. Die Kopie dieses Briefs heftet er in seinem Büro ab. Fünf Jahre später quellen die Regale über – es wird Zeit auszusortieren. Also ruft Herr Ruppert bei Frau Prussat an. Nun entscheiden sie, was ins Archiv und was in die Tonne gehört. Systematisch wird alles geordnet, und so landet auch der Brief ans Ministerium irgendwann im Magazin. Hier kann jeder vorbeikommen und Einsicht in die Unterlagen fordern. Manchmal ist das gar nicht so einfach, denn Persönlichkeits- und Datenschutzrechte müssen gewahrt werden. Viele Daten sind erst Jahre nach ihrer Aufnahme zugänglich.
Trotzdem lohnt es sich, einen Blick ins Archiv zu werfen. Hier finden sich nicht nur verborgene Schätze wie das 300 Jahre alte Immatrikulationsverzeichnis, sondern eines Tages vielleicht auch die eigene Bachelorarbeit – ordentlich verstaut, statt verstaubt, in einem garantiert holzfreien Pappkarton.

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