Wenn sie sich nicht gerade für Ottfried auf einer Demo…
Alle Jahre wieder
Hinter den Fenstern der Uni Markusplatz ist es bereits pechschwarz, trotzdem trudeln an diesem Abend immer mehr Student*innen in den Hörsaal ein. Fast 80 Leute sind gekommen, um den Studis gegen Rechts, kurz SGR, bei ihrer Auftaktveranstaltung zu lauschen. „Ich bin zu dem Treffen gegangen, weil ich vorhatte, mich politisch zu engagieren. Gerade jetzt. Ich dachte bei Studis gegen Rechts treffe ich vielleicht Leute, die gleich eingestellt sind“, erzählt uns Lisa. Wie viele der Anwesenden ist sie heute zum ersten Mal bei einem Treffen der SGR.
Was bisher geschah
Bamberg, vor einem Jahr: In der Mensa Austraße stehen Menschen mit Mikrofonen auf den Tischen und fordern Student*innen auf, sich zu mobilisieren. Im Zuge des Ampelbruchs und fortlaufenden Rechtsrucks der Bevölkerung gründet sich das deutschlandweite Bündnis „Studis gegen Rechts“. Der Plan, mit dem die Ortsgruppen vorgehen, ist klare Kante gegen Rechts zu zeigen, ob auf der Straße oder im Hörsaal. Das Klischee-Publikum ,linke Studibubble’ wird jetzt direkt im Hörsaal abgeholt – und zeigt sich begeistert. Nach nur einem Jahr ist die Gruppe bereits zur größten antifaschistischen Jugendinitiative Deutschlands gewachsen und hat sich einigermaßen eingespielt. Das politische Klima hat sich allerdings nicht nach ihren Wünschen weiterentwickelt. Im Gegenteil: Kanzler Merz schießt gegen Migration als Problem „im Stadtbild“ und die AfD zieht in der Sonntagsfrage regelmäßig als stärkste Kraft an allen vorbei. Wie also wollen die Bamberger SGR weiter vorgehen? Wer sind sie in diesem ersten Jahr geworden?

Wir sind viele
Von Beginn an begegnen die SGR ihren Hörer*innen auf Augenhöhe. Alle paar Minuten wechseln die Redner*innen hinter dem Pult, die sich mit Name und Studiengang vorstellen. Egal ob seit dem ersten Tag oder seit einem Monat aktiv, jeder kann sich in der Auftaktveranstaltung einbringen. Trotz der persönlichen Atmosphäre sind alle Redepunkte klar strukturiert. Zur Eröffnung geben die Mitglieder Ferdi und Moritz eine ernüchternde Rede: gegen die Armut der Universitäten und Studierend*en, der Verteufelung von Antifaschismus und besonders dem Aufschwung der AfD. „Wir als Studierende müssen dagegen ankämpfen, denn wir sind viele“, verkündet Moritz.
„Antifaschismus beginnt genau hier.“ – Moritz, SGR
Bisher haben die Studis den Kampf gegen Rechts unter anderem mit Bildungsarbeit ausgefochten – auf Social Media und in Person. Außerdem unterstützten sie bei der BAföG-Beantragung, veranstalteten Kundgebungen und fuhren mit dem Rad nach Pödeldorf, um den Stammtisch der lokalen AfD zu vermiesen. Insbesondere an Letzteres erinnert sich Ferdi im Gespräch mit uns liebevoll zurück. „Da war ich noch nicht so richtig bei SGR. Aber dieser Moment hat mir gezeigt: Ich will hier aktiv werden.“ Wie viele der Hörer*innen, ist Ferdi damals aktiv bei SGR beigetreten, weil er mit der aktuellen Politik frustriert war und den Rechtsruck der Gesellschaft immer mehr wahrnahm. Er hofft, mit Studis gegen Rechts dagegen wirken zu können.
Schlussverkauf: Bildung
Gegenwirken wollen die SGR auch weiterhin durch Wissensvermittlung. Wissenschaft nutzen, um gegen den Rechtsruck vorzugehen. Dafür haben sie unter anderem ihren Arbeitskreis Schlussverkauf: Bildung gegründet, weil „die kapitalistischen Strukturen an den Universitäten gefördert werden und die Uni nur dazu da ist, Arbeitskräfte auszubilden. Dabei wollen wir als Studis gegen Rechts eben, dass Bildung im Vordergrund steht. Also das kritische Denken.“ Erklärt uns SGR-Mitglied Xenia. Sie ist seit 2025 aktiv bei den Studis – fast die gesamte Laufzeit der Ortsgruppe. Auch sie war frustriert und wütend auf „den Zusammenbruch der Koalition und die ganzen Krisen, die immer aufeinander gefolgt sind.“ Auch sie landete somit schnell bei den Studis gegen Rechts.
Um Wissen zu vermitteln, braucht man allerdings Orte zum Vernetzen. Dafür haben die SGR sich im anstehenden Wintersemester ein Projekt überlegt: ein Café für Student*innen. Auch Infoveranstaltungen und gemeinsames Kochen für alle sollen Raum geben, bei dem Informationsaustausch stattfinden kann.

Bamberg aktiv!
Aber die SGR wollen nicht nur Projekte für die Community an der Universität realisieren, sondern auch auf die Straße gehen. Dafür haben sie die Bamberger Ortsgruppe von „Widersetzen” eingeladen, deren Vertreter*innen unter Applaus der Zuhörenden ans Pult treten. Auch „Widersetzen“ ist ein bundesweites, antifaschistisches Bündnis. Ihr Ziel: rechter Politik und Faschismus im Weg stehen, durch massenhaften zivilen Ungehorsam. Als nächste große Aktion planen sie, gegen die Neugründung der AfD Jugend zu protestieren. Diese haben am 29. November ihr Gründungstreffen – mit denselben Mitgliedern und Vorsitzenden, die erst 2024 in der Jungen Alternative als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden. Beim SGR Auftakttreffen verkauft Widersetzen deshalb Tickets für die gemeinsame Anreise, zusammen mit einem breit aufgestellten Programm an Vorbereitung und Unterstützung für die Aktion.
Ob die Studis gegen Rechts beim Aufruf zu solchen Aktionen manchmal Angst haben, die Unterstützung der Uni zu verlieren? Nö, sagt Xenia. „Wir haben uns vorgenommen, dass wir uns einfach die Räume nehmen, die wir kriegen können. Wir sind Student*innen, wir dürfen in die Uni-Räume.“ Außerdem arbeitet die Organisation nur begrenzt mit der Universität zusammen, die sich selbst als unpolitischen Raum versteht. Das würde Xenia aber gerne ändern. Denn genau darin liegt die Stärke von Studis gegen Rechts. „Wir sind eben an der Uni“, fasst Ferdi zusammen, „Man sieht ja, dass wir uns da super schnell ein Netzwerk aufbauen konnten. Das gibt uns einfach noch mal mehr Räume und mehr Reichweite.“
(Bella) Ciao
Zum Abschluss des Auftakttreffens bedanken sich die SGR für die zahlreichen Besucher*innen, rufen zum vor Ort angebotenen Kartentausch oder Ticketverkauf auf. Und natürlich dazu, zu den nächsten Treffen wiederzukommen und aktiv zu werden. „Wir werden nicht im kleinen Bamberg die großen Probleme lösen. Aber wir können uns vernetzen und was ins Rollen bringen“, schließt ein Mitglied von SGR das Treffen ab.
Der Hörsaal bebt vor Applaus, viele jubeln. Danach ziehen die Student*innen trotz Regen in großen Scharen zur Afterparty – mit hoffnungsvollen Gefühlen. „Ich hab mich positiv bestätigt gefühlt und hab auch Bock, nochmal hinzugehen“, sagt Lisa.
Wenn sie sich nicht gerade für Ottfried auf einer Demo tummelt oder für Cash Money Flow sorgt, dann singt sie im Kino falsch bei Musicals mit.
