
Wenn sie sich nicht gerade für Ottfried auf einer Demo…
Blumen zum Frauentag – nix da! Stattdessen geht es am 08.03.2025 raus auf die Straße zur Demonstration anlässlich des feministischen Kampftags, alljährlich veranstaltet vom Feministischen Bündnis Bamberg. Die Demonstrant*innen, die sich bei strahlendem Wetter auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt haben, tragen Schilder die „Ni una menos“ oder „Gewalt ist keine Liebe“ verkünden. Aus Lautsprechern schallt energetische Musik. Alle gehen sie heute protestieren, gegen Diskriminierung von FLINTA – also Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen.
Über 100 Jahre Widerstand
Der Feministische Kampftag ist kein neues Phänomen; bereits 1909 wurde der erste „National Women’s Day“ in den USA gefeiert, eingeführt von der Sozialistischen Partei. Ein Jahr später nahm auch die Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen das Unterfangen auf. In Deutschland wird er seit 1911 veranstaltet, damals in erster Linie um das Wahlrecht zu erkämpfen. Denn das hatten Frauen in Deutschland erst ab 1918 – ganze sieben Jahre später. Andere wichtige Rechte folgten, wie das Gleichberechtigungsgesetz, welches Männer und Frauen ab dem 1. Juli 1958 zu völlig gleichberechtigte Bürger*innen erklärte. Davor war Frauen zum Beispiel nur die Teilnahme an einer Erwerbstätigkeit erlaubt, sollte diese mit ihren „ehelichen und familiären“ Pflichten vereinbar sein. Zu entscheiden, ob sie diesen nachkam, hatte natürlich der Ehemann.
Am Bahnhofsvorplatz
Heute dient der Internationale Weltfrauentag, mittlerweile in vielen Kreisen zum Feministischen Kampftag umgetauft, vor allem um auf aktuelle geschlechtsbasierte Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Wie Anna-Lena vom Feministischen Bündnis in der ersten Rede am Bahnhofsvorplatz ausdrückt: „Wir fordern körperliche und sexuelle Selbstbestimmung! Wir fordern straffreie, zugängliche und kostenlose reproduktive Gesundheitsversorgung! Wir fordern die Bezahlung von Care-Arbeit, gerechtere Arbeitsbedingungen und Löhne in Pflegeberufen! Wir fordern das Ende von Trans- und Queerfeindlichkeit und allen anderen Diskriminierungsformen, denn echter Feminismus ist intersektional.“
„Unser Blick auf die Welt ist männlich.“
Die Menge spendet fleißig Applaus. Besonders weist Anna-Lena auch darauf hin, dass nach wie vor mehr Männer in Führungspositionen stehen als Frauen – und zwar in erschreckenden Maßen. „Unser Blick auf die Welt ist männlich.“, fasst sie die Lage zusammen. Auch erinnert sie an das Bestehen von lebensbedrohlicher Benachteiligung in der Medizin. Denn Medikamente wurden jahrzehntelang ausschließlich an Männern getestet. Auch heute wird der Standardpatient oft als Mann angenommen, ohne Rücksicht darauf, dass Frauen teilweise andere medizinische Versorgung benötigen. Es folgen Reden von der Bamberger Widersetzen Ortsgruppe und Hilal, die Gewerkschaftssekretärin in Schweinfurt ist. Auch sie haben erschreckende Fakten zu bieten, unter anderem über die Rekordzahlen an Femiziden in Deutschland. Ein Femizid ist die Ermordung einer Frau aufgrund ihres Geschlechtes. Allein 2023 wurden laut BMI 938 versuchte Tötungsdelikte mit weiblichen Opfern begangen, 360 vollendet. Fast jeden Tag wurde eine FLINTA Person umgebracht! Und die Zahlen sinken nicht!
Whose streets? Our streets!
Um der Wut über die systematischen Ungleichheiten, die hier aufgezählt werden, Luft zu lassen, wird die Bamberger Demonstration aufgerufen, zusammen zu schreien. Dann zieht der aufgeheizte Demo Zug unter lautem Skandieren feministischer und antifaschistischer Slogans weiter in Richtung Innenstadt. Wir nutzen die Gelegenheit um uns bei den Demonstrant*innen umzuhören, warum sie heute auf der Straße sind. Dort erfahren wir unter anderem von Corinna: „Weil ich denke, um eine faire Gesellschaft zu erreichen, brauchen wir faire Arbeitsverteilung. Das ist ganz klar auch ein feministischer Kampf. „Weil FLINTA Personen noch mehr Care Arbeit leisten, die immer noch nicht fair bezahlt ist und auch nicht vergesellschaftet ist.“
„Frauenkampf heißt Klassenkampf.“
Angekommen am Maxplatz weißt auch Rednerin Alexia von Studis Gegen Rechts auf einen weiteren Gender Gap hin: „2024 lag der Gender Pay Gap bei etwa 37%, was gerade einmal eine Minderung um 2% zum Jahr davor ist. Diese Ungleichheit führt dazu, dass Frauen auf den Mann angewiesen sind, da ein Job in Teilzeit eben nicht die Kosten decken kann. Wir müssen das Problem eben bei der Wurzel packen: der Ökonomie. Frauenkampf heißt Klassenkampf!”
Es folgen noch weitere Redebeiträge, die soziale und systematische Ungleichheiten anprangern. Auch über die Diskriminierung von Transgeschlechtlichen Menschen wird in einer Rede von Mia vom CSD Bamberg gesprochen: „Ich hab Angst vor Gewalt. Angst vor Missachtung. Angst davor zu sterben. Doch ich bleibe hier und kämpfe!“
Der tosende Applaus der versammelten Feminist*innen schallt die Rathauswände hoch – hoffentlich bis in die Politik.
Nach der Demo ist vor der Demo
Aber wie geht es weiter für den feministischen Kampf? Wir bewegen uns auf eine CDU-geführte Regierung zu. Unter Friedrich Merz, der seit 20 Jahren wieder und wieder versucht, Schwangerschaftsabbrüche zu kriminalisieren, werden Frauenrechte nicht revolutioniert. Unser zukünftiger Kanzler hat sowohl 1997 gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe und 2006 gegen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen innerhalb des Berufes gestimmt. Auch Deutschlands zweitstärkste Partei, die AfD, macht Wahlkampf mit Hetze gegen transgeschlechtliche, queere und nicht weiße Personen und Migrant*innen. Betroffen sind insbesondere die FLINTA, die allgemein schon gesellschaftlich am meisten unter intersektionalem Sexismus leiden.
Was in den nächsten Jahren weiterhin wichtig bleibt: laut bleiben und zusammenhalten. Der Feministische Kampftag hat über hundert Jahre, zwei Weltkriege und zahllose Gegenstimmen überstanden und hat sich trotzdem nicht unterkriegen lassen. Und das werden wir auch nicht.

Wenn sie sich nicht gerade für Ottfried auf einer Demo tummelt oder für Cash Money Flow sorgt, dann singt sie im Kino falsch bei Musicals mit.