In dem anspruchsvollen Sport haben sich in den letzten Jahren professionelle Vereinsstrukturen und Nationalteams entwickelt. Trotzdem finden nicht nur Cis-Männer und ‑Frauen ihren Platz, sondern auch Trans-Personen und non-binary Spieler.
Wie funktioniert’s?
Ein Spielfeld mit zwei mal drei Ringen, sieben Spieler pro Team, jeder mit einem Stock zwischen den Beinen – Harry Potter Fans kennen Quidditch aus den Romanen von Joanne K. Rowling. Das reale Quidditch ist eine Mischung aus Handball und Rugby, dazu kommen ganz neue Spielelemente wie der von einem Menschen gespielte Schnatz. Ein Team besteht aus sieben Spielern. Die drei Chaser versuchen den Ball, genannt Quaffle, durch einen der drei gegnerischen Ringe zu werfen. Der Keeper verteidigt diese Ringe. Zwei Beater werfen die gegnerischen Spieler ab, die daraufhin für einige Sekunden aus dem Spiel ausscheiden. In der 17. Minute kommt ein unabhängiger Spieler auf den Platz, der Schnatz. An der Hose des Schnatzes ist ein Tennisball befestigt. Eine Minute später beginnen die Sucher den Schnatz zu jagen, um den Tennisball zu bekommen. Dabei wird getackelt und beim Schnatz auch gewrestelt.
„Mir wird erstmal abgesprochen, ein richtiger Sportler zu sein.“
Die Spieler der deutschen Mannschaft trainieren regelmäßig in einem der über 50 deutschen Teams. Zusätzlich treffen sie sich an einem Wochenende im Monat, um im Nationalteam gemeinsam Taktiken zu entwickeln. Max Schulze-Steinen ist in dieser Saison das erste Mal im Nationalteam. Letztes Jahr hatte er es nur in den Trainingskader geschafft. Er wohnt in Bochum und kommt damit, wie ein Großteil der Spieler, aus Nordrhein-Westfalen. Max ist kein Harry Potter-Fan. Er spielte früher Handball und erfuhr dann von einem Freund von Quidditch. „Wenn ich erzähle, dass ich Quidditch spiele, muss ich es immer wieder erklären. Mir wird erstmal abgesprochen, ein richtiger Sportler zu sein.“
Anders als beim Fußball entscheidet der Wohnort und nicht die Staatsbürgerschaft, in welchem Nationalteam man spielen kann. Eine der Spielerinnen hat in ihrem Erasmusjahr in der norwegischen Nationalmannschaft gespielt. Die Nationalspieler werden nicht bezahlt, sie müssen sogar Teile der Kosten selbst tragen. Auch die Organisatoren sind Ehrenamtliche. Viele von ihnen studieren, im Berufsleben ist der Zeitaufwand für den Sport schwer zu bewältigen. Quidditch wurde 2005 als realer Sport erfunden und ist nach der Weltmeisterschaft 2016 in Frankfurt schlagartig gewachsen. Die Organisatoren sind daher sehr jung, kaum jemand ist über 30.
Gemischt-geschlechtliche Teams
Beim Quidditch gilt die gender rule: Es dürfen nie mehr als 4 Spieler desselben Genders für ein Team auf dem Feld sein, es gibt nur gemischt-geschlechtliche Teams. Für Max Schulze-Steinen war das anfangs eine Umstellung: „Ich hatte die Sorge, Frauen zum Beispiel beim Tackeln aus Versehen an den Brüsten zu berühren.“ Inzwischen fände er es eher diskriminierend, Frauen deswegen nicht zu tackeln. Die gemischten Teams ziehen besonders Menschen an, die sich in der klaren Zweiteilung der Geschlechter in anderen Sportarten nicht wohlfühlen. Daher müssen sich alle Spieler im Team zwangsläufig mit Fragen wie den richtigen Pronomen oder getrennten Toiletten auseinandersetzen. Die Vereine stehen vor der Entscheidung, ob sie primär ein integrativer Freizeitvertreib sein oder den professionellen Sport fördern wollen. „Ich finde, Quidditch ist im ersten Schritt Sport“, sagt Juliane Schillinger, Managerin im deutschen Team. „Und im zweiten Schritt ist es ein geiler, integrativer Sport.“