Support Student Journalism!
Du liest gerade
Verschwörung oder eigene Meinung?

Verschwörung oder eigene Meinung?

Avatar-Foto
  • „Ganser mach den Schnabel zu!“ skandieren die Gegner des „Friedensforschers“. Ein paar Meter weiter stehen seine Fans und lachen. Ein abstruses Bild. Doch wer soll da eigentlich den Schnabel zumachen und welche Leute stehen hier auf welchen Seiten? Wir waren bei der Demonstration gegen Daniele Ganser dabei und berichten.

Der Umstrittene

Daniele Ganser, geboren am 29. August 1972, ist ein Schweizer Historiker und bezeichnet sich selbst als Friedensforscher. Nach seiner Promotion an der Universität Basel gründete er das „Swiss Institute for Peace and Energy Research” (SIPER). Auch publizierte er mehrere Bücher zum Thema verdeckte Kriegsführung der NATO-Staaten, insbesondere der USA und deren Geheimdienste. Bekannt für sein rhetorisch geschicktes Auftreten, hält er Vorträge über Weltfrieden in ganz Deutschland und verbreitet Verschwörungstheorien jeglicher Art. So verharmlost er den Holocaust, vertauscht Täter*innen und Opferrollen beim Russischen Angriffskrieg in der Ukraine, sät Zweifel an den Anschlägen gegen das Satiremagazin Charlie Hebdo, oder dem Attentat vom 11. September 2001. Die Liste der Vorwürfe ist lang, die Thesen teilweise fern jeder Realität. Trotzdem zieht Daniele Ganser ein breites Publikum an und hat viele Fans. Woran liegt das?

Meister der Manipulation

Kritiker*innen zufolge bedient sich Ganser einer raffinierten Strategie: Er schürt Zweifel und lenkt das Publikum durch Suggestivfragen in eine bestimmte Schlussfolgerung, ohne sich angreifbar zu machen. Dabei ist der Subtext immer: Die Bevölkerung wird manipuliert! Dass der Historiker selbst der Manipulator ist und mit der Unsicherheit der Menschen Geld verdient, begreifen viele nicht. Im Gegenteil, seine Anhänger*innen nehmen hohe Ticketpreise und teilweise lange Autofahrten in Kauf, nur um Ihn zu sehen. So auch in Bamberg. Im Gespräch mit Ihnen erfahren wir, was sie antreibt.

„Es gibt für mich keine Fakten, wenn ich nicht dabei war.“

Die Fans

Angekommen an der Konzerthalle, eröffnet sich uns ein sonderliches Bild. Entgegen unseren Erwartungen sind viele Anhänger*innen gekommen. Es bilden sich zwei Lager: Dicht an der Konzerthalle stehen die Befürworter*innen, weiter hinten stationiert sich die Gegendemo der KIBA-Bamberg. „Frieden, Freiheit, Festzeltstimmung!“ schallt es von der einen Seite. „Schwurbelt, schwurbelt, schwurbelt doch woanders!“ dröhnt die andere. Die Atmosphäre ist aufgeheizt, es wird teilweise hitzig diskutiert. Doch mit uns will zunächst keiner der Fans reden.

Eine der wenigen Menschen, die sich auf unsere Fragen einlassen, ist eine Frau mittleren Alters.

„Ich bin hier, weil es mal was anderes ist, was uns die Mainstream Medien berichten.“

Auf die Frage, was sie von der Kritik gegen Daniele Ganser halte, erklärt sie, dass Menschen meistens kritisiert werden, die einfach eine andere Meinung hätten. Sie wolle sich alle Sichtweisen anhören, und dann das als Wahrheit rausziehen, was sich für sie stimmig anhöre. Wir haken nach, es gäbe doch Fakten, die verschiedene Meinungen ausschließen. Daraufhin entgegnet sie: „Es gibt für mich keine Fakten, wenn ich nicht dabei war.“ Die Grundidee, jeder Meinung Raum zu geben, ist per se gut und wichtig. Gefährlich wird es allerdings dann, wenn die Wahrheit daran gemessen wird, ob man sie mit seinem eigenen logischen Verstand begründen kann. Denn manche Dinge können sich jenseits des individuellen, logischen Horizontes abspielen und dennoch wahr sein.

Skurrile Theorien

Nach dem Gespräch sehen wir uns weiter um und entdecken mehrere Fans, die Plakate mit Aufschriften wie: „Wir alle sind eine Menschheitsgemeinde“, oder „Warum seid Ihr gegen Frieden?“ in die Höhe halten. Wir fragen uns, wie es zusammengehen kann, für Frieden, aber gleichzeitig auch für Russland zu sein. „Russland hat einen Präventivschlag unternommen.“ behauptet ein weiterer Anhänger, als wir ihn konfrontieren. Auf unsere Frage, wie man denn Frieden in der Welt herstellen könne, antwortet er: „Da müssen Sie die Amis fragen, die alles anzetteln.“ Generell scheinen die „Angelsachsen“ für viele ein Dorn im Auge zu sein. Unter anderem wird uns erzählt, die Massenmedien seien alle von deren Kolonie gekauft, und die BRD gleich mit. Es ist erschreckend, wie viele Menschen diesen Verschwörungstheorien Glauben schenken und sie weiterverbreiten. Umso wichtiger ist, dass dieser Entwicklung Widerstand entgegengebracht wird, wie auch an diesem Tag.

Die Gegner*innen

Organisiert von der KIBA-Bamberg, einer offenen Gruppe, die für Kultur, Information, Bildung und Antifaschismus steht, bildet sich eine Gegendemonstration vor der Konzerthalle. Trotz des im Vergleich zur Fangemeinde eher kleinen Auftretens, zeigen die Gegner ihre Präsenz deutlich. Es werden Reden gehalten, Fahnen geschwenkt, Parolen gerufen und Songs gespielt. Zwischen den einzelnen Programmpunkten gehen wir mit ihnen in den Diskurs und fragen, warum die antifaschistische Zivilgesellschaft heute Gesicht zeigt.

„Weil es einfach sonst niemand macht.“

Erklärt einer der Teilnehmenden klar. Wenn die Stadt es schon selbst nicht verhindern könne, dann müssten es eben andere Leute übernehmen, sich dem entgegenzustellen, so seine Aussage.

Zum Hintergrund: Ursprünglich wollte die Stadt Bamberg den Vortrag des Historikers verbieten, denn der Vertrag zwischen dem Veranstalter Erich Hambach und der Bamberg Congress and Event GmbH (BCE) sei allein „aufgrund unvollständiger Angaben“ zustande gekommen. So wusste man im Vorfeld nicht, wer auftreten werde. Doch aufgrund der Rechtsgrundlage scheiterte das Gesuch eines Verbots. Deshalb verfasste der Oberbürgermeister Andreas Starke dann einen Brief an den Veranstalter und Ganser, indem er sie persönlich aufforderte, die Veranstaltung abzusagen. In einer Pressemitteilung verkündete er außerdem: „Sie sind hier nicht willkommen“. Trotz der klaren Positionierung kritisiert der Demonstrant die Stadt Bamberg: „Es ist feige von der Stadt, dass hier keiner aufgetaucht ist. Ich sehe hier keinen Herrn Starke, ich sehe hier keinen Stadtrat.“

Klare Worte findet einer der Redner auch gegen die Organisation „Stay Awake Bamberg“, einer Gemeinschaft an Querdenker*innen aus Bamberg, die „jeden Montag die Stadt mit immer neuen Schwurbeleien terrorisiert“. Gemeint sind hier die wöchentlichen Spaziergänge „für Gerechtigkeit“ der Gruppe durch die Stadt, welche oft begleitet von lautem Getrommel stattfinden. Sie sollen außerdem Verbindungen zum rechten Rand haben, was in dieser Szene nicht unüblich sei.

Kontakt zu Rechtsextremen

Auch Daniele Ganser, so erfahren wir in unserem letzten Interview mit einem aus Erlangen angereisten Demonstranten „beteiligt sich ganz konkret an der Verharmlosung von Nazi-Terroristen“. Denn Ganser führte 2014 schon ein Interview mit Karl Heinz Hoffmann, einem mehrfach vorbestraften bundesdeutschen Rechtsextremisten. 1973 gründete dieser die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), aus der auch der Neonazi Uwe Behrendt hervorging, der den antisemitischen Doppelmord an Rabbiner Shlomo Lewin und seiner Freundin Frida Poeschke 1980 in Erlangen beging. Dass Daniele Ganser auch in der rechten Szene Bambergs gut ankommt, zeigte sich erneut bei seinem Vortrag vor Ort. Hier war unter anderem Armin Köhler, Vertreter der AfD Bamberg im Stadtrat, zu Gast. Bereits im Vorfeld sprach sich dieser zusammen mit seinem Kollegen Jan Schiffers, ebenfalls Vertreter der AfD Bamberg im Stadtrat, gegen ein Verbot der Veranstaltung aus und bekundete seine Verwunderung über die “anmaßende“ Pressemitteilung des Oberbürgermeisters in einem offenen Brief. 

Trotz der Skandale und Verschwörungstheorien, die Daniele Ganser umwerben, lehnt die Gegendemo ein Verbot solcher Veranstaltungen ab. Auch viele Städte, in denen der „Friedensforscher“ noch auftreten wird, verhindern dies nicht. Und so wird der umstrittene Historiker die Tour durch Deutschland noch eine Weile weiterführen, und seine Verschwörungsideologien verbreiten. Doch jeder einzelne kann entscheiden, ob er den Vortrag letztendlich besucht und Daniele Ganser eine Bühne gibt, oder nicht.

Kommentare anzeigen (0)

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.