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Teresas Beauty Palace
Dunkel Hell

Teresas Beauty Palace

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  • Eine Frau hat zwei Lebensfragen: “Was soll ich anziehen?” und “was soll ich kochen?” Eine Dr. Oetker-Werbung aus den 50er Jahren scheint erschreckend aktuell – zeigt eine Studie im Auftrag der MaLisa-Stiftung über weibliche Inszenierung auf Social Media. Frauen seien unterrepräsentiert, bespielen stereotype Inhalte und spiegeln häufig alte Rollenbilder wider.

Auf Teresas Instagram-Seite findet jeden Monat ein „Periodentalk“ statt, bei dem sie über ihre Menstruation redet. Auf YouTube dreht sie vor allem Schminkvideos und „Drunk Classics“: Videos, in denen sie betrunken literarische Klassiker erklärt. Teresa Reichl ist Poetry Slammerin und Lehramtsstudentin, ein „Instagram-Girl“ und seit Kurzem auch auf YouTube: „Nachdem Corona meinen Terminkalender leergefegt hat, dachte ich mir erstens, dass ich dringend was zu tun brauche und dass ich zweitens keine Ausrede mehr habe, keine Videos zu drehen.“

Im Zuge verschiedener Ereignisse wie der Black-Lives-Matter-Bewegung ist sie auch zunehmend politisch. Je mehr Follower*innen sie habe, desto mehr Verantwortung spüre sie auch dahingehend. „Influencer*in ist ja ein weiter Begriff“, meint Teresa. „Aber was mich am meisten kriegt, ist die Kombi aus Menschlichkeit, den Mund für wichtige Dinge aufmachen und Quatsch. Da versuche ich auch sehr, meine Balance zu finden.“

Sich schön finden kann auch andere empowern

Sie teilt Dinge von sich, weil sie das Gefühl hat, dass andere Menschen auch etwas davon mitnehmen können, wenn sie über Unsicherheiten spricht oder über schlechtere Phasen: „Promis oder Leute in der Öffentlichkeit oder auf Bühnen idealisiert man gern, weil sie auf der Bühne ja super cool und schön sind. Da hilft es vielleicht, zu wissen, dass mein Pony morgens aussieht, als würde er nach Hause telefonieren wollen.“ Sich schön finden und sich vor allem als Frau nach außen zeigen, kann auch andere empowern. Aber: Man reproduziert möglicherweise auch selbst die Schönheitsideale der Gesellschaft.

Frauen, die bestimmten Influencer*innen folgen, vergleichen sich mit diesen und kopieren sie, so das Ergebnis der Studie. Ein direkter Einfluss ist erkennbar: So optimieren beispielsweise 100 Prozent der Frauen, die Dagi Bee folgen, ihre Haut. Mädchen vergrößern, zum Teil mit Apps, ihre Brüste, machen ihre Beine länger. Eine Normierung der Schönheit entsteht, Vielfalt geht verloren. Mädchen in den USA gehen vermehrt zu Schönheitschirurg*innen, um wie ihre gefilterten Snapchat-Bilder auszusehen. „Snapchat Dysmorphia“ heißt dieses Phänomen und zeigt auf drastische Weise, wie Soziale Medien das Schönheitsideal formen können.

Schminken und Feminismus schliessen sich nicht aus

Teresa liebt das Schminken – den Akt an sich und die Wirkung: „Ich liebe Schminke so sehr, ich gebe viel zu viel Geld dafür aus, sie ist mit mein größtes Hobby. Und ich sehe sie als Möglichkeit, mich besser zu fühlen, wenn ich das will.“ Schminken und Feminismus-Content schließe sich eben nicht aus. „Ich will mich nicht schämen müssen, mich für Dinge zu interessieren. Und mein perfekter Lidstrich macht mich nicht zu einer schlechteren Feministin.“ Über Männer, die es schade finden, dass sie sich „zu viel“ schminkt, kann sie nur lachen. „Das zeigt, dass sie denken, wir tun es für sie, aber suprise, Hans-Peter, meine Cut Crease hat mit dir gar nichts zu tun.“

Nur ein Drittel der hundert erfolgreichsten deutschen YouTube-Kanäle wird von Frauen bespielt. Sie sind dabei vor allem erfolgreich, wenn sie über Beauty, Kochen oder Mode reden. Männer bedienen ein viel größeres Themenspektrum. Frauen inszenieren sich eher im privaten Raum, während Männer sich mehr im Öffentlichen bewegen. Frauen stellen ihren Internetauftritt oft als Hobby dar, Männer geben sich vermehrt als Experten aus. 67 Prozent der Frauen thematisieren offen ihre Gefühle, dagegen nur 44 Prozent der Männer. Veraltete Geschlechterrollen werden erfüllt. Dabei soll auch die Finanzierung eine Rolle spielen, denn je stereotyper ein Kanal, desto klarer können mögliche Kooperationspartner*innen die Zielgruppe bestimmen.

„Ich denke, dass es Frauen, wie überall, einfach ein bisschen schwerer haben, vor allem mit der Mehrdimensionalität. Bei Männern ist es ganz normal, dass sie sich für verschiedene Dinge interessieren, Frauen sind dann entweder Beauty-Gurus oder Feministinnen, aber es ist schwierig, beides gleichzeitig zu sein. Man müsste also, um schnell sehr erfolgreich zu sein, nur eine Sparte bedienen und das sehe ich einfach nicht ein“, meint Teresa. Sie merke auch deutlich, dass die beiden Plattformen sehr unterschiedlich funktionieren: Auf Instagram bekomme sie für inhaltliche Posts am meisten Resonanz, auf YouTube würden Leute „am meisten Quatsch sehen wollen“.

Der mediale Auftritt habe sie auch insgesamt selbstbewusster gemacht, weil sie Zuspruch für Dinge bekomme, von denen sie dachte, dass sie damit allein wäre. Das helfe dabei sich wohler zu fühlen. Dafür liebe sie das Internet. Gleichzeitig stelle sie fest, dass sich durch ihre Posts über Menstruation oder Unsicherheiten viele Frauen bestärkt fühlen. „Mir schreiben dann zum Beispiel junge Mädchen, dass sie dachten, sie sind die Einzigen, die sich wegen ihrer Figur nicht ins Freibad trauen oder dass sie sich jetzt getraut haben, einen sexistischen Schulkameraden zu konfrontieren.“

Erstaunlich wenige dumme oder sexistische Kommentare

Teresa bekomme erstaunlich wenige dumme oder sexistische Kommentare ab: „Meine Instabubble ist echt ein stabiler Raum der Liebe muss ich sagen.“ Dreiviertel ihrer Follower*innen auf Instagram sind Frauen, die meisten zwischen 18 und 34 Jahre alt. Überraschen würde sie das nicht, schließlich rede sie viel über Themen wie Menstruieren oder Schminke. Inhalte passe sie sich schon ein bisschen nach dem Feedback an: „Wenn mir jetzt aber Männer schreiben, wie ekelhaft es sei, dass ich über meine Periode rede – was jeden Monat passiert – dann sollen sie sich halt von meinem Account schleichen, bis sie gelernt haben, dass das Quatsch ist.“

Soziale Medien sind voller Stereotypen und Schönheitsideale. Es braucht mehr Bewusstsein, wie Fotos und Videos uns auch unterbewusst beeinflussen können. Teresa zeigt ihren Follower*innen, wie man Stereotype sprengt, statt sie sich überzustülpen. Sie lässt sich nicht in eine Schublade stecken und verteidigt ihre Freiheit sich auszudrücken. Ihre Message: „Alle Gefühle sind okay, alle Tränen sind okay, alle schlechten Gedanken sind okay, alle Unsicherheiten sind okay. Umgekehrt ist auch okay, sich selbst richtig gut und schön und cool zu finden.“

Dieser Text war Teil unserer Ausgabe “Digital”

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