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Rebound auf Rädern
Dunkel Hell

Rebound auf Rädern

  • Bei einem ihrer Trainings zeigen „Die Poldis“ aus Bamberg ihre faszinierende und spektakuläre Sportart: „Rollstuhl-Basketball“

Eine Sporthalle in Bamberg. Wo sonst das Quietschen von Sportschuhen zu hören ist, kann man jeden Montag zwischen 18 und 20 Uhr etwas anderes auf dem Parkett bestaunen: Basketball. Und zwar auf Rädern.

Ein Verein mit Geschichte: die Poldis aus Bamberg.

Zu Gast bin ich bei den Poldis, den Rollstuhlbasketballern des TTL* Bamberg (*Sponsor Anm. d. Red.). In der Graf-Stauffenberg-Halle trainieren sie jeden Montagabend für ihre Spiele in der Bayernliga. Poldis, dieser Name kommt nicht etwa von einem bekannten Fußballspieler der deutschen Nationalmannschaft, sondern vom ehemaligen Bamberger Altenburg-Bären Poldi. Gegründet wurde der Verein 1992.

Derzeit fünfzehn Spielerinnen und Spieler im Alter zwischen 20 und 55 Jahren zählt das Team des heutigen Trainers und damaligen Gründungsmitglieds Günther Vogel. Seit mehr als 35 Jahren ist er im Rollstuhlbasketball tätig. Angefangen hat alles mit dem Training von Schülern in Würzburg. Danach ging es nach Bamberg, wo er seitdem die Poldis ordentlich antreibt.

Professionelles Sportgerät: der Rollstuhl im Basketball

Bevor es mit dem Sport und dem Training aber überhaupt losgehen kann, ist Reifen aufpumpen wie nach langer Standzeit des Fahrrads angesagt. Für den Basketball werden ganz besondere Sportrollstühle verwendet. Metallrahmen rund um Sitz und Räder sorgen dafür, dass man weder schmerzhaft zusammenkracht, noch ohne Weiteres umkippen kann. Und mit einem erhöhten Radsturz (Neigung der Räder in Richtung Sitz) kommt man schneller um die Kurve. Überhaupt ist ein Sportrollstuhl im Idealfall eine Individualanfertigung. Bei einem Preis im hohen vierstelligen Bereich bekommt man so nicht nur ein äußerst stabiles Gerät für den Leistungssport, sondern auch in Sachen Sitzbreite und Sitzkissenform ein perfekt passendes Modell. Maria, 32, Master-Studentin der Wirtschaftspädagogik an der Uni Bamberg und seit zwei Jahren Mitglied der Poldis, hat sich vor kurzem ihren ersten Sport-Rollstuhl anfertigen lassen. „Rund siebentausend Euro musste ich dafür hinlegen“, verrät sie.

Gleich zu Beginn der Trainingseinheit nimmt sich Günther Vogel eine Gruppe von Spielern zu sich, um mit ihnen individuell an Würfen und Passwegen zu arbeiten. „Schaut doch besser hin, wenn ihr abspielt“, ist nur einer der energischen Ratschläge, die regelmäßig durch die Halle schallen.

Der Selbstversuch: das erste Mal im Rollstuhl

Gleich danach darf ich auch selbst das erste Mal in einem Rollstuhl unterwegs sein: Die ersten Meter sind ernüchternd. Allein die Fahrtrichtung zu halten und gleichzeitig den zu Ball dribbeln: Eine ganz schön knifflige Sache für jemanden, der sonst nur gelegentlich Basketball spielt — und dann meistens im Stehen und weniger im Sitzen. Zweimaliges Anschieben und danach den Ball aufspringen lassen: Was sich leicht anhört, ist in der Praxis ganz schön schwierig.

Bob Kempf (40) ermutigt mich dabei immer wieder mit hilfreichen Ratschlägen, wie ich den Ball spielen muss. Seit 21 Jahren spielt er Rollstuhlbasketball. Dann endlich, der erste erfolgreiche Korbleger. „Na also, geht doch“, ruft er mir zu.

Gleiche Regeln, andere Perspektive: der Basketball im Sitzen

Egal ob im Stand oder im Sitzen, die Regeln im Basketball sind nahezu identisch. Selbst der Korb hängt da, wo sich ein Zwei Meter großer Athlet im Stand schon strecken muss. Im Sitzen ergibt das eine ganz ungewohnte Perspektive. Jeder Blick zu den Maschen sorgt für ausgiebiges Training der Nackenmuskulatur. Auch das Passspiel im Sitzen ist eine gehörige Umstellung. Generell werden Bodenpässe gespielt, um es dem Empfänger leichter zu machen, an den Ball zu kommen. Und das hat einen ganz bestimmten Grund.

Der Rollstuhlbasketballer: Jeder ist anders

„Einige sind beispielsweise durch unterschiedlich stark ausgeprägte Querschnittslähmungen nicht in der Lage sich nach vorne oder nach hinten zu beugen“ erklärt Maria. „Manche müssen auch mit Gurten am Stuhl fixiert werden, um beim Wurf nicht in eine Lage zu geraten, aus der sie sich ohne Hilfe selbst nicht mehr aufrichten könnten.“ Vor zwölf Jahren erlitt sie bei einem Gleitschirmunfall eine inkomplette Querschnittslähmung, verbrachte wegen verschiedener Operationen mehr als ein halbes Jahr im Krankenhaus. Danach war sie mehr als ein Jahr auf den Rollstuhl angewiesen. Zwar kann sie heute wieder mit einer Gehhilfe laufen, aber keine Sportart mehr im Stand ausüben. Der Rollstuhlbasketball gibt ihr die Möglichkeit, einen Sport zu betreiben, der ihr mit beiden Beinen auf dem Boden nicht möglich ist. „Jeder in unserem Team ist in unterschiedlichem Ausmaß im Alltag auf die Räder angewiesen“, so Maria weiter. „Und das wirkt sich auch auf die Spielweise auf dem Feld aus.“

Klassifizierung schafft Fairness

Da jeder unterschiedliche körperliche Einschränkungen beim Rollstuhlbasketball hat, wird bei jedem Spieler eine Klassifizierung durchgeführt. Das bedeutet: Jeder Spieler wird, gemessen an seiner körperlichen Bewegungsfreiheit, eingestuft. Hierzu dient eine Skala mit einem Wertebereich von 0,5 bis 4,5. Zusätzlich wird zwischen Sportlern „mit Behinderung“ und „ohne Behinderung unterschieden“.

Maria beispielsweise ist mit einer 3,0 klassifiziert. Wäre der Grad ihrer Querschnittslähmung höher, wäre dieser Wert geringer. Zusätzlich zu diesem System gibt es außerdem einen Anfängerbonus und einen Frauenbonus. Das Gesamtergebnis einer solchen Einstufung hat Auswirkungen auf die Voraussetzung, welche Spieler zusammen in einem Team auf dem Spielfeld fahren dürfen, und welche nicht. Der Grad des Handicaps spielt zusammen mit der Körpergröße auch eine Rolle dabei, welche Positionen eine Spielerin oder ein Spieler ideal besetzen kann. Auch diese sind wie im herkömmlichen Basketball mit Guards, Forwards und dem Center identisch.

Die Poldis: eine feste Größe im Bamberger Basketball

Zusätzlich zu den Spielen in der Bayernliga haben die Poldis auch bei anderen Turnieren in Bamberg und Umgebung bereits mit ihrem Sport aufhorchen lassen: Zuletzt haben sie bei der von den Brose Baskets und Radio Galaxy organisierten „BallerzNight“ teilgenommen. Dabei konnten sie bei Spielen gegen alle, die Interesse hatten, die Schnelligkeit des Rollstuhlbasketballs unter Beweis stellen. „In Sachen Wendigkeit und der Fähigkeit zu blocken ist ein Rollstuhlbasketballer einem herkömmlichen Basketballer sogar überlegen“, ist sich Bob sicher. „Durch das Sitzen hat man einen niedrigeren Schwerpunkt. Man kann beispielsweise viel schneller die Richtung wechseln als ein Basketballer im Stand.“ Ein Rollstuhlbasketballer, der sein Gerät beherrscht, ist also dem herkömmlichen Basketballspieler teilweise überlegen.

Wie so oft: Übung macht den Meister

Dass Übung auch im Rollstuhlbasketball das Maß aller Dinge ist, merke ich auch im abschließenden Trainingsspiel. Dort habe ich nur geringe Chancen gegen meine Gegenspieler. Zum Beispiel beim Blocken. Ein oft genutztes Mittel auch im Rollstuhlbasketball. Hierbei wird häufig der Metallrahmen des eigenen Rollstuhls verwendet, um sich in dem des Gegners zu verkanten. Das Ergebnis: Man kommt nicht mehr vom Fleck. Es sei denn, man weiß wie man sich befreit.

Beim Spiel wird auch deutlich, mit welcher Anstrengung die ständige Fortbewegung und die Richtungswechsel verbunden sind. Zusätzliches Krafttraining? Für einen Rollstuhlbasketballer im Normalfall völlig überflüssig. Das ständige Anschieben durch die Hände übernimmt jegliches Stemmen von Gewichten.

Und so habe ich spätestens beim gegenseitigen Abklatschen am Trainingsende gelernt: Sport ist im Rollstuhl nicht weniger anstrengend als im Stehen. Und weniger spektakulär schon gar nicht.

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