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Sprüh dich (nicht) frei – wie du dein Nasenspray endlich absetzt
Dunkel Hell

Sprüh dich (nicht) frei – wie du dein Nasenspray endlich absetzt

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  • Schlüssel, Handy, Geld – und Nasenspray. Für über 100.000 Nasensprayabhängige in Deutschland ist das Normalität. Warum es so schwer ist, aufzuhören und wie sie das Nasenspray trotzdem abgesetzt hat, erzählt euch unsere Autorin.

Wann ich süchtig nach Nasenspray geworden bin, weiß ich gar nicht so genau. Ich weiß aber, dass es mir schon als Kind schwergefallen ist, nach einer Erkältung wieder mit dem Spray aufzuhören. Damals hat meine Mutter das noch beeinflussen können. Später nicht mehr. Irgendwann in der Schulzeit habe ich das Nasenspray einfach weiter genommen – jahrelang.

Es ist keine Sucht nach dem Sprühen an sich, sondern eine Reaktion auf die Inhaltsstoffe

Seit etwa einem Jahr nehme ich kein Nasenspray mehr. Es wird euch nicht überraschen, dass mir das weder mit Meersalz-Spray noch mit bloßem Naseputzen gelungen ist. Entgegen einer populären Meinung liegt nämlich keine Sucht nach dem Sprühen an sich vor, sondern eine Reaktion auf die Inhaltsstoffe. Tipps, die den eigenen Kopf durch das Sprühen von Wasser austricksen sollen, könnt ihr also getrost ignorieren.

Der Unterschied liegt in dem Wörtchen abschwellend. Die Inhaltsstoffe Xylometazolin oder Oxymetazolin wirken gefäßverengend auf die Nasenschleimhaut ein, die daraufhin abschwillt und uns besser Luft bekommen lässt. Das ist während eines Schnupfens sehr erleichternd, wird bei längerer Anwendung aber problematisch.

Mit der Zeit sprüht man immer mehr und öfter

Dann tritt nämlich ein Rebound-Effekt auf. Lässt die abschwellende Wirkung nach, geht die Nasenschleimhaut nicht auf den ursprünglichen Stand zurück, sondern schwillt stärker an als vor Verwendung des Nasensprays. Das führt dazu, dass Leute immer wieder nachsprühen. Gleichzeitig wird eine zunehmende Toleranz (Tachyphylaxie) gegenüber dem Nasenspray entwickelt, weshalb Betroffene Dosis und Häufigkeit der Anwendung mit der Zeit erhöhen. Diese Kombination macht das Absetzen für Betroffene so schwer.

Beim Absetzen ist das Timing ist entscheidend

Wollt ihr das Spray trotzdem in den Wind schießen, ist vor allem das Timing entscheidend. Je nach Methode kann das Absetzen mehrere Tage bis Wochen dauern. Sucht euch also besser nicht die stressige Prüfungsphase oder den Wellnessurlaub dafür aus. Ist die Zeit reif, kann der DIY-Entzug losgehen. Dafür wählt ihr die für euch passende Methode:

Der kalte Entzug
Das Nasenspray wird sofort ganz abgesetzt.
Geteiltes Leid ist halbes Leid: Die einseitige Entwöhnung
Ihr besprüht zunächst nur noch ein Nasenloch, bevor ihr ganz aufhört.
Das Pflaster langsam abziehen: Die schrittweise Entwöhnung
Der Erfolg beruht auf der kontinuierlichen Reduktion des Nasensprays.

(Alternativ könnt ihr euch auch ärztlich unterstützen lassen, z.B. mit Kortison-Spray.)

Aus eigener Erfahrung kann ich eine schrittweise Entwöhnung empfehlen, bei der sowohl die Anwendungshäufigkeit als auch die Dosis langsam reduziert wird. Zunächst verwendet ihr das Spray nur noch zum Schlafen. Weil man die ersten Tage natürlich eine verstopfte Nase haben wird, ist das Timing wichtig, um konsequent zu bleiben.

Der zweite Schritt liegt in der Reduzierung der Dosis. Wenn ihr Spray für Erwachsene nehmt, könnt ihr zum Beispiel zu dem für Kinder wechseln. Seid ihr bereits bei der Kinder-Dosis angekommen, müsst ihr selber ein bisschen mixen. Schraubt das Fläschchen auf und gebt etwas Kochsalzlösung (aus der Apotheke) dazu.

Das Nasenspray wird immer weiter verdünnt

Sobald ihr mit der aktuellen Mischung relativ gut Luft bekommt, verdünnt ihr die Flüssigkeit weiter. Gegebenenfalls könnt ihr auch auf Nasentropfen für Kleinkinder zurückgreifen und diese noch weiter strecken. Wichtig ist, dass ihr natürlich nicht die Sprühdosen erhöht, weil der Verdünnungseffekt sonst abgeschwächt wird.

Irgendwann folgt dann der Sprung ins kalte Wasser. Dank der langsamen Entwöhnung ist das Wasser aber schon lauwarm und die erste Nacht ohne Spray gar nicht mal so schlimm. Verzagt nicht an kleineren „Rückfällen“ und nehmt euch die Zeit, die ihr braucht. Ihr werdet zunehmend die Fortschritte merken und es nicht bereuen, wenn das Nasenspray erst Geschichte ist!

Ein Jahr später bin ich froh, keine Gedanken mehr an verstopfte Nasen und vergessene Fläschchen verschwenden zu müssen. Und ich bin entschlossen, das Nasenspray nach der nächsten Erkältung nicht einfach weiter zu nehmen.

https://www.aproposgesund.de/?p=2385 https://www.hno-vahle.de/nasenspray-sucht/

Graf, P. & Jutto, JE. (1994): Decongestion effect and rebound swelling of the nasal mucosa during four week use of oxymetazoline. In: ORL 56, S. 131–134

Knipping, S.; Holzhausen, H. J.; Riederer, A.; Bloching, M. (2006): Ultrastrukturelle Veränderungen der Nasenschleimhaut nach Abusus von topischen α‑Sympathomimetika. In: HNO 54, S. 742–748

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