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Man(n) tötet nicht aus Liebe, stoppt Femizide!

Man(n) tötet nicht aus Liebe, stoppt Femizide!

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  • So schallte es am Montagabend durch die Straßen Bambergs. Am 25.11., dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen/FLINTA*s, wird weltweit durch zahlreiche Aktionen und Demonstrationen auf das Thema aufmerksam gemacht. Wir waren mit circa 300 anderen Feminist*innen auf der Bamberger „Take back the night“-Demonstration, gemeinsam trauern und wütend sein.
Die Demonstration zieht über die Luitpoldstraße mit Plakaten in der Hand.

Triggerwarning: Gewalt an FLINTA*s/ Frauen, Femizide

Als wir um kurz nach 18 Uhr am Startpunkt der Demo, gegenüber des Bamberger Bahnhofs ankommen, ist dort schon eine größere Menschenmenge versammelt. Viele haben Plakate in der Hand. Auf ihnen sind Sprüche zu lesen wie „Nieder mit dem Patriarchat“ oder „Protect your daughter, educate your son“. Die Stimmung ist bereits jetzt geladen. Gespannt warten wir darauf, dass es losgeht. Anwesend sind vor allem jüngere FLINTA*s, aber auch viele ältere Feminist*innen haben ihren Weg zur Demo gefunden. Diese wird vom Feministischen Bündnis Bamberg organisiert. In diesem Jahr zum ersten Mal, wie uns stolz zwei Mitglieder der Gruppe, Franzi und Livia, erzählen.

Die Hintergründe des Themas

Der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen/FLINTA*s, oder auch Tag zur Beseitigung der Gewalt an FLINTA*s, macht auf geschlechterspezifische Gewalt aufmerksam. Diese betrifft vor allem FLINTA*s, also Frauen, lesbische, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans- und agender Personen, weltweit, aber auch in Deutschland. Sie hat viele Formen. Sie beginnt bei Alltagssexismus und endet beim Femizid- der Mord an einer Frau, weil sie eine Frau ist.

Fast jeden Tag findet in Deutschland ein Femizid statt. Weniger als alle vier Minuten fügt ein Mann seiner Partnerin Gewalt zu. Jeden Tag sterben weltweit circa 140 Frauen oder Mädchen durch häusliche Gewalt – die meisten werden Opfer ihrer eigenen (Ex-)Partner oder Familienmitglieder. Die Zahl politisch motivierter frauenfeindlicher Straftaten in Deutschland stieg im Jahr 2023 um 56,3%, auch digitale Gewalt nimmt zu. Nur ein paar erschütternde Zahlen, die stetig steigen.

Das Feministische Bündnis Bamberg versucht nicht nur auf diese Situation aufmerksam zu machen, sondern auch verschiedene Perspektiven auf Gewaltstrukturen in der Gesellschaft zu verknüpfen. Außerdem hat es das Ziel, international sowie deutschlandweit, den Zusammenhang zwischen patriarchaler Gewalt und dem kapitalistischen System herzustellen. „Die Situation in der wir gerade sind, ist leider ein Normalzustand. Wir wollen mit dieser Demo, aber auch allen Aktionen, die wir sonst so machen, diesen Normalzustand aufbrechen, weil wir uns eine Gesellschaft anders vorstellen. Eine Gesellschaft, die frei ist von Gewalt. Vor allem von Gewalt gegen Frauen und FLINTA* Personen“, erklärt mir Livia vom Feministischen Bündnis. Mitorganisator*in Franzi fügt hinzu:

„Wir sind alle auch persönlich unfassbar wütend und traurig, weil wir alle selbst betroffen sind von dieser Gewalt und wir auch gefühlt keine FLINTA* Person kennen, die nicht betroffen ist von dieser Gewalt und weil uns das alles alltäglich entgegenschlägt und wir im Endeffekt zurückschlagen wollen, wir uns das nicht gefallen lassen wollen und wir zeigen wollen, dass das so nicht weiter gehen kann.“

Auf der Demonstration gegen Gewalt an FLINTA*s werden verschiedenen Reden gehalten.
Die Demonstration beginnt am Bahnhof, zieht dann Richtung untere Brücke, weiter über die Sandstraße und endet schlussendlich an der St. Elisabeth Kirche im Sand. Foto: Antonia Urban

Die Demonstration „Take back the night“ in Bamberg

Nach der offiziellen Begrüßung vom Feministischen Bündnis spricht eine Vertreterin des Migrant*innenbeirats über die Situation für Frauen im Iran. Darauf folgt eine kurze Rede des neu gegründeten Bündnis Widersetzen, dann geht es auch schon los. Wir ziehen vom Bahnhof bis zur Unteren Brücke, wo eine Zwischenkundgebung stattfinden wird. Gemeinsam skandieren wir „FLINTAs, die kämpfen, sind FLINTAs, die leben! Lasst uns das System aus den Angeln heben!“. Dieser Kämper*innengeist ist deutlich zu spüren, die Stimmung in der Menge ist aufgeheizt. Wir machen gemeinsam Lärm und damit viele der Menschen auf uns aufmerksam, die uns vom Straßenrand oder aus den Fenstern der umliegenden Häuser beobachten.

An der Unteren Brücke angekommen wird eine Rede des Vereins „Phia e.V.“ abgespielt. Währenddessen teilen Menschen orangefarbene Zettel mit Fakten zum Thema Gewalt an FLINTA*s aus. Die werden nach der Rede von Demoteilnehmer*innen am Geländer der Unteren Brücke befestigt. Damit solle auch möglichst lang nach der Demonstration noch auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Im Anschluss machen wir gemeinsam unseren Emotionen Luft, schreien unsere Wut zusammen in die Nacht hinaus. Es folgt eine Schweigeminute, um all denen zu gedenken, die nicht mit uns hier sein können. Jenen, die Opfer von Gewalt, Opfer eines Femizids wurden.

Die Route der Demonstration ist bewusst gewählt

Wir ziehen weiter durch die Sandstraße bis zur Kirche St. Elisabeth, wo die finale Kundgebung stattfinden wird – eine von den Organisator*innen bewusst gewählte Route: Sie weisen auf immer wieder stattfindende sexuelle Belästigung und Übergriffe in Bambergs Bar- und Kneipenstraße hin.

An der Kirche angekommen folgen noch zwei abschließende Reden. Die erste zum Thema Abtreibung, die zweite zur feministischen Außenpolitik. Zweitere kritisiert vor allem die Lieferung deutscher Waffen zur Unterstützung völkerrechtswidriger Kriege, die verstärkt FLINTA*s in Kriegsgebieten treffen und belasten.

Zum Abschluss der Demonstration singen wir gemeinsam ein vom Feministischen Bündnis umgeschriebenes Lied mit dem Text „Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen Femizid in jedem Land, auf die Barrikaden, auf die Barrikaden“. Dann löst sich die Versammlung langsam auf.

Im Gespräch mit Demonstrierenden

Nach dem offiziellen Ende der Demonstration haben wir mit Teilnehmenden der Demonstration gesprochen. Dabei wollten wir wissen, wieso sie heute auf der Straße waren. „Ich bin heute hier, weil ich nicht immer nur zusehen wollte und wütend sein wollte, sondern auch einen Raum gesucht habe, wo ich das rauslassen kann oder wo Leute das Gleiche denken wie ich“, erklärt uns Studentin Riga.

Eine andere Teilnehmerin erzählt: „Ich find es so wichtig hier her zu gehen, weil es einfach sehr empowerend ist, wenn man sieht, wie viele Leute zusammenkommen. So viele andere Feministi und FLINTA* zu treffen und laut zu sein und gegen dieses Ohnmachtsgefühl, dass man manchmal hat, anzukämpfen. Und das empowered uns, aber das empowered auch alle anderen die das sehen.“

…und Organisierenden

Auf dem Foto ist Livia zu sehen. Sie hat die Demonstration gegen Gewalt an FLINTA*s mitorganisiert.
Livia ist Teil des Feministischen Bündnisses und hat die Demonstration mitorganisiert. Foto: Antonia Urban

Um noch mehr über das Thema zu erfahren, haben wir bei Franzi und Livia vom Feministischen Bündnis genauer nachgefragt. Wir wollten wissen, wie sie die aktuelle Lage einschätzen, worin sie Gründe für den starken Anstieg von Gewalt gegen FLINTA*s in den letzten Jahren sehen. Sie beziehen sich vor allem auf das Erstarken der politischen Rechten weltweit und begründen: „Solche politischen Bewegungen strahlen bis ins Private und ermutigen viele Männer in ihrer Weltanschauung, dass sie Macht hätten über Frauen zu bestimmen.“ „Der Rechtsruck ist eine Bewegung, die im Kern antifeministisch ist, die darauf aufbaut, dass FLINTA*s unterdrückt werden, teils verschleiert, teils ganz offen“, fügt Franzi hinzu.

Engagement in allen Lebensbereichen zeigen

Die beiden sehen auch in Bezug auf den bevorstehenden Regierungswechsel politisch keine wirkliche Besserung der Situation. Livia betont allerdings, dass „es dafür umso wichtiger ist, dass wir uns vernetzen und zusammenhalten als FLINTA*, international, aber auch einfach im Freundeskreis, in der Schule, in der Uni, in der Arbeit.“ Sie hebt hervor, dass auch Engagement im Privaten wichtig ist.

„Das Ganze in den eigenen Raum, in den eigenen Freundeskreis, in die eigene Familie tragen und da vehement widersprechen. Es reicht nicht sich nur irgendwo in sich drin auf der richtigen Seite zu wähnen, sondern es braucht sowohl diesen privaten Widerstand, als auch sicherlich den öffentlichen, politischen.“

Sexismus und Rassismus gehen eng miteinander her

Ansonsten ist es den Aktivistinnen wichtig, erneut auf die Verbindung zwischen Sexismus und Rassismus hinzuweisen, die in manchen Reden bereits thematisiert wurde. Zwei Unterdrückungsformen, die eng miteinander verschränkt sind. „Es ist wichtig klarzumachen, dass Sexismus ein Phänomen ist, dass überall auf der Welt herrscht und durch alle Länder und Gesellschaftsschichten dringt und man sich dagegen wehren muss, dass Leute das ausnutzen nur um ihren Rassismus zu rechtfertigen,“ erklärt mir Franzi. So wird oft vermeintlich für die Sicherheit von Frauen argumentiert und damit Rassismus begründet.

Abschließend möchten die Beiden auch andere Menschen einladen weiterhin gemeinsam laut zu sein und sich zu engagieren. Egal ob beim Feministischen Bündnis, der Seebrücke oder einer der vielen anderen politischen Gruppen in Bamberg, die sich für Menschenrechte, Gleichberechtigung oder gegen die politisch Rechte einsetzen. 

Alle sind sich einig: Die heutige Demonstration hat Kraft gegeben! Alle hoffen, dass ihre Stimmen gehört und möglichst viele Menschen auf das Thema aufmerksam gemacht wurden.

Es ist ein Plakat der Demonstration gegen Gewalt an FLINTA*s zu sehen auf dem "She´s someon `s sister/mother/daughter/wife" zu lesen ist. Dabei ist das ´s sister/mother/daughter/wife durchgestrichen.
Vielen verschiedenen selbstgestaltete Plakate waren auf der Demonstration zu sehen. Foto: Antonia Urban
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