Nach einer ersten Talentsichtung in den Werkstätten der Lebenshilfe Bamberg wurden Anfang des Jahres verschiedene Gruppen gebildet, in denen Menschen mit Behinderung ihre künstlerischen Fähigkeiten entdecken und weiterentwickeln können. Seitdem wird in den in den Räumlichkeiten der Offenen Behindertenarbeit Bamberg gemeinsam gemalt, musiziert, getanzt und Theater gespielt.
Das große Ziel der Inklusiven Kulturwerkstatt ist ein gemeinsames Kunst- und Theaterprojekt, das 2017 im E.T.A. Hoffmann Theater auf die Bühne gebracht werden soll. Zunächst arbeiten alle vier Kunstbereiche jedoch an Ihren eigenen Projekten, die durch Auftritte, Aufführungen und Ausstellungen in der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Angeleitet werden alle Gruppen von ausgebildeten Pädagogen. Elementarer Bestandteil sind im Zuge der Inklusion aber auch Ehrenamtliche, die notwendige Unterstützungsleistungen übernehmen und ansonsten, ebenso wie die behinderten Menschen, Teilnehmer sind. In Harald Rinks Theater-Gruppe findet sich beispielsweise seit kurzem auch die Pädagogik-Studentin Johanna, die nach einem Praktikum weiterhin ehrenamtlich aktiv in der Behindertenarbeit ist.
Helden des Alltags
Momentan dreht sich in der Theatergruppe alles um das Thema „Helden“. „Als ich gefragt habe, welche Helden die Teilnehmer kennen, dachte ich, dass zum Beispiel Superman oder Batman fallen würden…“, schmunzelt Harald Rink. Die vorgeschlagenen Helden waren jedoch deutlich profaner. Genannt wurden beispielsweise der Feuerwehrmann, der Polizist oder die Krankenschwester. Aber auch antike Helden wie Odysseus oder Herkules sind den Behinderten durchaus ein Begriff. Um diese geht es derzeit auch bei den wöchentlichen Treffen der Theatergruppe.
Nach einigen Aufwärm-Übungen liest Harald Rink eine kurze Szene aus einer antiken Sage vor. Herkules treibt einen Eber in den Tiefschnee, fängt ihn und bringt ihn lebend zum König. Diese Szene wird im Folgenden mehrmals nachgespielt.
Die Teilnehmer übernehmen verschiedene Rollen, darunter die beiden Hauptdarsteller Herkules, der Eber oder Bäume, die Herkules die Jagd erschweren. Mit Instrumenten wird zudem für die nötige Atmosphäre gesorgt. Wichtig ist das gegenseitige Feedback nach jedem Spiel: „Die Bäume waren ganz schön unfreundlich“, „Also mir hat es ganz toll gefallen“, „Es hätte noch etwas spannender sein können“. Dass der Eber zum Beispiel auf zwei Rollen statt auf vier Füßen unterwegs ist, stellt kein Problem dar.
Jedes Stück eine Überraschung
Nach der Szene mit dem Eber folgt eine weitere. Herkules ist zu Besuch bei seinem Freund und Wirt Pholus, einem Zentaur. Herkules besteht darauf, ein Weinfass von Gott Bacchus zu öffnen, obwohl der Geruch des Weins andere Zentauren anlocken würde, die Ihnen gefährlich werden könnten. Herkules ist jedoch furchtlos, was dazu führt, dass sein Freund im Gefecht mit den Zentauren durch einen Giftpfeil getötet wird.
Trotz des antiken Stoffs wird stets Bezug auf den Alltag der Behinderten genommen. „Wie ist das bei euch, wenn ihr Besuch habt?“
Texte werden für die Stücke der Theatergruppe nicht gelernt. Ein großes Ganzes entsteht durch reine Improvisationen. Daraus folgt, dass jeder Auftritt unvorhersehbar ist. Dies wird bereits bei den Proben der Gruppe deutlich. So überlegt Herkules beispielsweise laut, ob er wirklich Wein bestellen solle, oder nicht doch lieber Apfelsaft. „Also ich würde das Fass nicht aufmachen“, rät Pholus in der Szene. „Nun gut, dann lassen wir es eben zu.“, erklärt Herkules.
Obwohl Rink betont, dass die Behinderten vor Auftritten durchaus aufgeregt wären und Lampenfieber hätten, wirkt es in der Gruppe so, als hätten sie kaum Hemmungen zu schauspielern und sich in die Szenen hineinzudenken. Wie wirke ich auf andere? Blamiere ich mich? Findet mich das Publikum sympathisch? Bedenken, die Schauspielern sonst wohl oft im Weg stehen, spielen in dieser Gruppe höchstens eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die Gemeinschaftlichkeit, eine große Neugier und unbändige Spielfreude. In der Hinsicht können wir wohl einiges von den Behinderten Teilnehmern lernen.