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„Kämpfen ist Frauensache!“

„Kämpfen ist Frauensache!“

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  • Mädchen spielen mit Barbies und lackieren sich die Fingernägel, während Jungen draußen toben und mit Ästen Schwertkampf spielen. Mit solchen Geschlechterrollen sind wahrscheinlich viele von uns aufgewachsen, solche Rollen haben viele von uns in Film, Fernsehen und Literatur gesehen. Aber wie sieht die Situation heute aus und wie nehmen Kinder Geschlechterrollen in Bilderbüchern war? Genau das haben Dr. Lars Burghardt, Fabian Hemmerich und Anna Mues untersucht.

Wie kam es denn überhaupt dazu, dass Sie die Wahrnehmung von Geschlechterrollen bei Kindern untersucht wollten?
Lars Burghardt: Ich habe 2016 schon Bilderbücher analysiert, und zwar über 130 Stück, 6000 Figuren. Da hat uns interessiert, wie verschiedene Geschlechter dargestellt und ob Geschlechterrollen gefestigt oder aufgebrochen werden. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass in weiten Teilen klassische, gängige Stereotype vermittelt werden. Männer werden selten bei Haushalts- oder fürsorglichen Tätigkeiten dargestellt und sind mutiger und stärker, während weibliche Figuren eher emotional sind. Aus dieser reinen Produktanalyse kam dann die Idee, zu untersuchen, wie eigentlich Kinder diese Rollen wahrnehmen. Genau das habe ich mit Fabian Hemmerich und Anna Mues in der Studie untersucht.

Wie war Ihre Untersuchung aufgebaut?
Fabian Hemmerich: Zuerst haben wir nach einem passenden Bilderbuch gesucht, das sich durch „untypische” Geschlechterdarstellung anbietet, also gerade den gängigen Stereotypen sehr stark widerspricht. Da haben wir „Sigurd und die starken Frauen” gefunden, in dem die Rollenklischees über Männer und Frauen quasi „vertauscht“ sind. An passenden Stellen im Bilderbuch haben wir den Kindern dann Fragen gestellt, die sich auf bestimmte Geschlechterrollen beziehen. Wenn auf einer Seite zum Beispiel zu sehen ist, dass Männer gerade kochen, mit den Kindern spielen, nähen oder Wäsche machen, haben wir die Kinder gefragt, ob Männer das genauso gut können wie Frauen. Außerdem haben wir die Kinder dann noch nach den Gründen für ihre Überzeugungen gefragt.

So vielfältig, wie Menschen sind, so vielfältig sollten auch Bilderbücher sein.

Was sind Ihre Ergebnisse?
LB: Die Ergebnisse sind vor allem dahingehend interessant, dass das Thema Geschlecht für die Kinder gar nicht so eine große Rolle spielte. Sie haben diese untypischen Zuschreibungen in den meisten Fällen einfach akzeptiert. Andere Aspekte wiederum waren für die Kinder durchaus relevant. Wenn ein Charakter gut kochen oder nähen kann, dann haben sie es darauf geschoben, dass der Charakter einen Kochlöffel oder anderes Handwerkszeug, wie zum Beispiel Nadel und Faden, hatte. Die angenommene Kompetenz der Figuren war für sie wichtiger als das Geschlecht. Unterm Strich nehmen Kinder die untypischen Geschlechtszuschreibungen also nicht negativ war. Sie nehmen sie einfach hin und haben recht flexible Vorstellungen von Geschlechterrollen.
FH: Wir haben die Kinder zusätzlich gefragt, ob sie noch andere Geschichten kennen, in denen vor allem Frauen Abenteuer erleben. Da ist jedoch keinem einzigen Kind etwas eingefallen, was ein Hinweis darauf sein kann, dass in Kindermedien, wie zum Beispiel Bilderbüchern oder Fernsehserien, Geschlechterklischees noch eine große Rolle spielen.
LB: Wir würden uns immer für eine Vielfalt an Darstellungen in Bilderbüchern aussprechen. So vielfältig, wie Menschen sind, so vielfältig sollten auch Bilderbücher sein. Das betrifft nicht nur die Geschlechterdarstellung, sondern auch andere Aspekte wie PoC (People of Colour) oder eben auch andere Ethnien, Menschen mit Behinderung, und vieles mehr. Verschiedene Familienformen könnten auch vorkommen. Da ist noch viel Luft nach oben. Trotzdem muss man durchaus sagen, dass es einige „Nischenverlage” gibt, die ganz bewusst solche Bücher produzieren, ganz bewusst auf Vielfalt achten und sich auch vermeintlich schwierigeren Themen annehmen.

Welche weiteren Aspekte über Kinderbücher wollen Sie in Ihrer zukünftigen Forschung noch beleuchten?
LB: Ich möchte mir anschauen, wie in Bilderbüchern mit gleichgeschlechtlichen Eltern, also Regenbogenfamilien, die Geschlechterrollen verteilt werden und wie Familie in diesen Bilderbüchern beschrieben wird. Wird da eine Person zwangsläufig als der männliche oder weibliche Part beschrieben? In internationaler Forschung kam zum Beispiel zu Tage, dass in Bilderbüchern, in denen es um lesbische Paare geht, das Fehlen des Vaters immer als Problem dargestellt wird. Wie das im deutschsprachigen Raum ist, ist Gegenstand eines aktuellen Forschungsprojekts.
FH: Was ich ebenfalls für wichtig halte, ist, die Einstellungen, die Eltern und pädagogische Fachkräfte zu Diversität und der Darstellung von Diversität in Bilderbüchern haben, näher zu untersuchen. Außerdem könnte man in den Blick nehmen, ob es da Unterschiede gibt, je nachdem, um welche Facette von Diversität es geht. Vielleicht sind beispielsweise manche Eltern relativ offen gegenüber Darstellungen kultureller Vielfalt, haben aber Schwierigkeiten damit, wenn in Bilderbüchern Regenbogenfamilien vorkommen. Interessant wäre auch, zu untersuchen, ob sich an den Einstellungen der Fachkräfte etwas ändert, wenn zum Beispiel in einer Kindertagesstätte neue Bilderbücher hinzukommen, die sich durch besonders diverse Darstellung auszeichnen!

Hoffen Sie, genau diese Einstellungen durch ihre Forschung zu ändern?
LB: Ja, gerade für uns als Pädagogen ist Forschung immer von und über Praxis. Man muss nicht seinen kompletten Bücherbestand umkrempeln und Glitzer-Bücher verbannen, aber ein bisschen mehr Sensibilität für dieses Thema haben. Für Kinder ist es nicht problematisch, in der Rosa-Glitzer-Welt aufzuwachsen, wenn sie sich dieser auch zugehörig fühlen. Genau das ist eben der Punkt, es geht um Sichtbarkeit. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene ist es kein schönes Gefühl, sich nicht repräsentiert zu fühlen. Deswegen sage ich immer, es braucht nicht „korrekte Bilderbücher”, sondern Vielfalt.

Man kann ja auch mutig sein und sich für etwas anderes entscheiden.

Wenn jemand in unserer Leserschaft sich denkt: „Ach, ich illustriere und schreibe und würde gern ein Kinderbuch auf den Markt bringen.“ Was gehört in das Kinderbuch?
FH: Wir befassen uns vor allem mit der frühen Kindheit, der Lebensphase bis sechs Jahre. Gerade für Kinder in diesem Alter haben die Illustrationen in Bilderbüchern einen besonders großen Stellenwert. Da ist es wichtig, dass sich in Abbildungen Diversität widerspiegelt. Dass es zum Beispiel Jungen gibt, die lange Haare haben und rosa tragen und Mädchen, die gern auf Bäume klettern und kurze Haare haben, und so weiter. Diese Vielfalt kann man ja auch darstellen, wenn es nicht-menschliche Figuren sind. Wenn es zum Beispiel um eine Hasenfamilie geht, in der ein Hase im Rollstuhl sitzt, kann man solche Aspekte gut kindgerecht darstellen. Das halte ich für sehr wertvoll.
LB: Bei den Illustrationen würde ich mir wünschen, dass man kurz darüber reflektiert, bevor man zur Farbe greift. Dass man nicht sofort die Kleider des Jungen in Blau und Grün anmalt, sondern kurz innehält, bevor solche Automatismen ablaufen. Es ist wichtig, dass man sich erstmal darüber bewusst ist, dass man möglicherweise in einer Gesellschaft groß geworden ist, in der diese Geschlechterstereotypen gang und gäbe waren. Man muss sie ja nicht weiter porträtieren und fortführen. Man kann ja auch mutig sein und sich für etwas anderes entscheiden.

Man kann also sagen: „Die Mischung macht’s”?
LB: Genau, Bilderbücher dürfen auch einfach Spaß machen. Man darf den pädagogischen Zeigefinger nicht zu sehr in die Luft strecken, sondern gerne auch einfach mal Spaß haben. Es darf auch einfach ein schönes Ritual zwischen Eltern und Kind vorm Schlafengehen sein, gemeinsam ein Bilderbuch anzuschauen. Es geht wirklich nicht darum, nur noch „politisch korrekte Bilderbücher” und keine Glitzer-Bücher mehr im Regal zu haben. Das darf es geben. Das ist auch eine Lebensrealität. Aber es sollte eben verschiedene Realitäten geben.

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