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High on hormones
Dunkel Hell

High on hormones

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  • Was geht ab im Körper, wenn wir verliebt sind? Wirkt das wie Drogen und eine Trennung wie ein Entzug? Die Psychologin und Expertin für (Online-)Dating Pia Kabitzsch klärt im Interview über Verlieben, Herzschmerz und Cashews auf.
Wenn du heute Abend in die Bar gehst: Lieber ein Flirt oder lieber ein Glas Champagner – oder wirkt das sowieso gleich im Körper?

Pia Kabitzsch (lacht): Ich hätte Lust auf eine Mischung. Kein Champagner, aber in meinem Fall vielleicht ein Gin Tonic. Wenn dann eine spannende Person neben mir sitzen würde, auch gerne einen Flirt. Aber ich glaube, ich würde nicht in die Bar gehen, um zu flirten, sondern weil ich Bock auf einen Gin Tonic habe.

Die 30-Jährige Pia Kabitzsch hat für funk den YouTube-Kanal „psychologeek” produziert, hostet ihren Podcast „Leben ohne Packungsbeilage” und hat das Buch „It’s A Date!” über Datingpsychologie geschrieben. Ihr findet sie auf Instagram unter @piakabitzsch und @dating.psychologin Bild: Benjamin Brüggemann
Sagen wir, du hättest dich doch für den Flirt entschieden und verliebst dich. Was passiert da im Körper?

Im Gehirn kommt es zu einem bunten Botenstoff-Cocktail. Als Erstes wird das Kuschel- oder Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Es führt dazu, dass wir Beziehungen eingehen wollen oder sexuell erregt sind. Da spielt das Hormon Vasopressin auch eine Rolle. Wenn Oxytocin und Vasopressin in unserer Blutbahn aktiv sind, schüttet unser Belohnungssystem im Gehirn Dopamin aus. Das macht Verliebtsein zu einer belohnenden Erfahrung. Es fühlt sich gut an, wir möchten immer mehr haben und vermissen die andere Person, wenn sie nicht da ist. Auch wichtig ist Serotonin, das häufig als Glückshormon gilt. Das kann irreführend sein, weil unser Serotoninspiegel, wenn wir verliebt sind, erstmal im Keller ist. Gerade bei Männern. Das ist zum Beispiel auch bei Depressionen oder Zwangserkrankungen der Fall.

Welche Funktion hat Serotonin also?

Der verringerte Serotoningehalt führt dazu, dass unser Denken nicht mehr so flexibel ist wie sonst. Man kennt das ja, man kann an nichts anderes mehr denken als an diese Person. Ich war mal so doll verliebt, dass ich bei jedem Wort, das mit den gleichen Anfangsbuchstaben des Namens der Person begonnen hat, immer diesen Namen gelesen habe. Diese obsessiven Gedanken entstehen durch den Serotoninmangel. Ansonsten ist noch das Stresshormon Cortisol wichtig. Du gehst auf Dates, du schläfst vielleicht nicht viel. Sich neu kennenlernen, verlieben: Das ist zwar schön, aber auch anstrengend für den Körper und das Cortisol steigt. Der letzte wichtige Neurotransmitter ist Testosteron, das Männer und Frauen im Blut haben, letztere bloß geringer dosiert. Durch dieses fühlen wir uns bereit, eine Beziehung einzugehen.

Stichwort Stress: Warum empfinden wir das Gefühl von Verliebtsein trotzdem als etwas Positives?

Es gibt ja auch positiven Stress. Aber Stress ist nur eine Nebenkomponente, weil wir mit neuen Situationen konfrontiert werden. Er macht das Verliebtsein nicht weniger schön oder zu etwas Gesundheitsschädigendem. Es heißt, dass Leute in einer Langzeitbeziehung weniger gestresst sind und länger leben, weil sie weniger angespannt sind als am Anfang, sondern eine Person haben, der sie vertrauen und mit der sie Probleme teilen können und die sie runterbringt.

Wir sind anfangs komplett im Hormonrausch – ist das vergleichbar mit einem Drogenrausch?

Ich finde den Vergleich ein bisschen extrem. Ich glaube, ursprünglich hatte die Anthropologin Helen E. Fisher beides verglichen und festgestellt, dass Verliebtsein suchtähnliche Kriterien erfüllt. Wenn du die andere Person bei dir hast, ist das eine belohnende Erfahrung. Auch beim Drogenkonsum ist das Belohnungssystem mit dem Dopamin aktiv. Dahingehend ist es schon ein bisschen wie ein Drogenrausch, aber der ist viel extremer und gerade der Entzug ist viel krasser.

Manche sagen, Liebeskummer ist wie Drogenentzug – nein.

Es gibt ähnliche Komponenten, aber du kannst die körperlichen Symptome nicht vergleichen. Ein Drogenentzug ist sehr gefährlich. Gerade ein Alkoholentzug ist mit das Gefährlichste, was du alleine machen kannst. Beim Liebeskummer ist das nicht so extrem.

Also ist es übertrieben zu sagen, wenn ich verliebt bin, bin ich high?

High on hormones, das auf jeden Fall. Aber du kannst immer noch klarer denken, als wenn dein Gehirn von Drogen benebelt ist. Daher würde ich aus psychologisch-biologischer Sicht sagen, das ist nicht das Gleiche. Vielleicht ist es eine schwache Form von High-Sein, aber du hast viel mehr Kontrolle, als wenn du wirklich high bist.

Können wir trotzdem von diesem Gefühl, dass die andere Person uns gibt, abhängig werden? Können wir „süchtig” nach einer Person sein?

Es ist ja häufig der Fall, dass es einem gut geht, wenn die Person sich meldet und wenn sie sich nicht meldet, dann geht es einem schlecht. Die eigene Laune wird vom Verhalten der anderen Person abhängig. Das gibt es schon, aber das hast du ja immer noch selbst in der Hand. Du kannst immer noch mitbestimmen, wie groß der Einfluss der anderen Person auf dein Leben sein soll. Du solltest aber trotzdem dein Wohlbefinden nicht von ihr abhängig machen. An dem Punkt sind aber viele nicht oder noch nicht und fallen dann in ein Loch.

Aber was tun, wenn der Punkt erreicht ist, an dem es ungesund wird?

Sich erstmal bewusst werden, dass das normal ist und sich nicht verurteilen. Es ist ja auch schön, weil es bedeutet, dass man sich verguckt hat und sich da was entwickelt, wenn das von beiden Seiten kommt. Merkst du aber: Ich vernachlässige gerade meine Arbeit oder das Studium, dann ist es wichtig, eine bewusste Grenze zu setzen, Handy beiseite legen, Social Media für den Tag ausstellen, wo du die ganze Zeit Nachrichten oder Bilder von ihm*ihr sehen könntest. Wenn die Gedanken dann fünf Minuten später wieder kommen, ist das in der Klausurenphase natürlich blöd, aber dann ist es so.

Liebe lässt sich nicht steuern und auch nicht wirklich planen.

Von Wolke 7 auf den Boden der Tatsachen: Was passiert im Körper langfristig?

Das Stresshormon Cortisol geht zurück, weil du wieder entspannter und beruhigter wirst. Oxytocin spielt noch für die weitere Bindung eine Rolle. Der Testosteronspiegel nimmt ab, weil du ja schon in einer Beziehung und nicht mehr für eine neue bereit bist, zumindest, wenn du monogam lebst. Auch das Serotonin normalisiert sich wieder und damit werden die obsessiven Gedanken weniger. Es findet also alles wieder in ein Gleichgewicht. Viele verunsichert das, weil es nicht mehr so aufregend ist, sie nicht mehr die ganze Zeit an die andere Person denken oder sich der Alltag nicht mehr nur um den*die andere*n dreht. Sie denken: Das muss jetzt bedeuten, dass da was nicht stimmt, aber tatsächlich ist es genau der Punkt, wo aus Verliebtsein Liebe entstehen kann.

Und was passiert bei einer Trennung oder einem Korb?

Bei Liebeskummer kommt es zu einem sogennaten dopaminergen Vorhersagefehler im Gehirn. Wir haben in einer Beziehung oder Kennenlernphase gelernt, dass der*die Partner*in Kuscheln, Sex, oder gute Gespräche bedeutet, je nachdem, was die Beziehung ausgemacht hat.
Hier fangen die Nervenzellen im Belohnungssystem schon an zu feuern, wenn du nur an den*die Partner*in denkst oder ein Bild von ihm*ihr siehst. Das Dopamin wird ausgeschüttet und dem Gehirn zurückgemeldet, dass die Assoziation zwischen Partner*in und Belohnung noch da ist. Trennst du dich oder hast Liebeskummer und denkst an die andere Person, dann fängt das Belohnungssystem wieder an zu feuern, weil es das aus der Beziehung so gelernt hat. Diese Belohnung trifft aber nicht ein und du wirst enttäuscht. Das ist schmerzhaft.

Ist denn was am Mythos „Schokoladeneis bei Liebeskummer” dran?

Nein. Der Mythos basiert auf der Annahme, dass in Schokolade Tryptophan, eine Vorstufe von Serotonin, enthalten ist. Serotonin führt dazu, dass es uns besser geht. Bei Liebeskummer ist der Serotoninspiegel im Keller. Deswegen hat man gesagt, dass das Tryptophan in der Schokolade alles wieder besser macht. So einfach ist das leider nicht. Denn das, was Tryptophan beinhaltet, ist die Kakaobohne. Selbst wenn du Schokolade mit einem hochprozentigen Kakaobohnenanteil hast, ist der Tryptophan-Anteil immer noch verschwindend gering. Es gibt aber Lebensmittel, die wirklich helfen, das wurde auch in Studien nachgewiesen.

Grafik: Milena Wieser

Dazu zählen Cashews, Käse, Nüsse, Tofu, Soja oder Eier. Diese haben einen hohen Tryptophangehalt und können deswegen den Serotoninmangel im Körper wieder ausgleichen. Aber hier muss man auch vorsichtig sein und es gerade bei der Einnahme von Medikamenten wie Antidepressiva vorher abklären.

Hast du Tipps, was beim Herzschmerz hilft?

Kommt ein bisschen darauf an, ob du Nussallergie hast (lacht). Auf jeden Fall tryptophanhaltige Lebensmittel. Ansonsten Ablenkung. Da brauchst du am besten Freund*innen, die in fünf Minuten da sind und dich zwingen, rauszugehen und aktiv zu werden. Aber nicht Ablenken im Sinne von die Gefühle verdrängen, sondern im Sinne von aus der Situation rauskommen. Die Trauer solltest du trotzdem zulassen und das verarbeiten. Sonst schleppst du das ewig mit dir rum, stolperst schon in die nächste und übernächste Beziehung, ohne die erste Trennung verarbeitet zu haben. Das kann sich auch auf neue Beziehungen belastend auswirken. Also: Verarbeiten, Ablenken, Cashews essen.

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