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Gott verhüte!
Dunkel Hell

Gott verhüte!

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Im letzten Oktober tagte eine Synode, eine Bischofsversammlung unter Vorsitz des Papstes, zu den Themen Ehe und Familie. Im kommenden Herbst steht die nächste Synode auf dem Plan. Wir trafen den Bamberger Weihbischof Herwig Gössl (48) und sprachen mit ihm über Sexualität und Wertewandel und Kritik an kirchlichen Positionen.

Herr Gössl, welche Werte waren für Sie in ihrer Studienzeit wichtig? Können Sie sich vorstellen, dass diese Positionen auch für heutige Studierende relevant sind?

Als ich selbst Student gewesen bin, war die Zeit der 68er bereits vorbei. Deshalb hatten wir eine größere Wertschätzung für Werte wie beispielsweise Freiheit. Freiheit als ein „Alles ist hinterfragbar“, bei Bekannten auch als die Abwesenheit einer ewigen Wahrheit. Ansonsten habe ich über die Erziehung und von befreundeten Priestern natürlich das eher konservative Wertesystem der Kirche vermittelt bekommen. Ich höre oft von angehenden Erwachsenen, dass ihnen nach wie vor Liebe und Treue in einer Beziehung wichtig sind und nicht nur Erfahrungen. Die Aufgabe der Kirche ist und war es immer, diese Werte hochzuhalten und den Gläubigen einen Rahmen vorzugeben, an dem sie sich orientieren können. Es gibt nicht für alle Fragen eine Antwort, aber es ist eine gute Grundlage für die Auseinandersetzung mit ihnen.

Sie sind Mitglied in der Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz. Wie sieht ihr Arbeitsalltag dort aus, mit welchen Themen beschäftigen Sie sich?

Die Kommission trifft sich drei Mal im Jahr. Dabei sind auch die Synoden ein Thema. Wir haben die Sorge, dass Ehe und Familie an Bedeutung verlieren, außerdem beschäftigt uns etwa die hohe Scheidungsrate oder die oft propagierte Gleichwertigkeit sexueller Orientierung. Dabei versuchen wir, uns auf eine gemeinsame Linie zu einigen und Handreichungen zu veröffentlichen, die auf den christlichen Werten aufbauen.

Ist es noch zeitgemäß, Verhütungsmittel per se abzulehnen?

Ich finde, dass die Ratschläge des damaligen Papstes Paul VI. heute mehr Wertschätzung erfahren als in den 1960ern. Sex ist kein Konsumgut, sondern der höchste Ausdruck der Liebe. Alles andere ist nicht menschlich und damit schon gar nicht christlich. Die Kirche muss hier einen klaren Standpunkt vertreten und ich frage mich, warum sich Menschen mit der Pille danach aufs Glatteis führen lassen. Trotz des Verhütungsverbots muss man aber jeden Fall einzeln betrachten.

Sex ist kein Konsumgut

Aber das Benutzen von Kondomen verhindert doch die Übertragung von Geschlechtskrankheiten wie beispielsweise Aids?

Papst Benedikt hat einmal gesagt, Kondome als sicheren Schutz gegen Aids dazustellen sei verantwortungslos. Da stehe ich voll dahinter, denn Kondome bieten keinen hundertprozentigen Schutz. Sicher gegen Aids helfen Enthaltsamkeit und Treue. Allerdings muss jeder die Entscheidung für sich selbst treffen. Ich kann aber nicht sagen: „Benutzen Sie Kondome!“

Je nach kontinentaler Zugehörigkeit und den dortigen Problemen vertreten die Bischöfe der Synode unterschiedliche Positionen. Kann es überhaupt zu einer gemeinsamen Position kommen?

Die afrikanischen Bischöfe vertreten in Verhütungsfragen meist eine noch restriktivere Position als die europäischen. Aber man muss natürlich einen Konsens, der die Zustimmung aller Kirchenvertreter erhält, finden. Ich glaube zwar nicht, dass es zu einer Abspaltung kommt, aber die Gefahr besteht, dass nicht alle mitgehen.

Reicht es aus, die kirchliche Lehre besser zu erklären, oder ist eine Neuformulierung nötig?

Ich bin überzeugt, dass gelebte Sexualität in eine Ehe gehört. Aber die Position der Kirche muss vernünftig an die Jugendlichen vermittelt werden. Ich habe Schüler gefragt, unter welchen Voraussetzungen sie mit jemandem ins Bett gehen würden. Die Antwort war immer Treue und Verlässlichkeit. Ich habe zwar die Erfahrung gemacht, dass jungen Menschen die kirchlichen Werte wichtig sind, aber auch, dass sie nicht gelebt werden. Deswegen müssen wir unsere Standpunkte nicht gleich umwerfen, sondern die Positionen erklären und begründen. Zudem hat sich das Bild der Ehe gewandelt: Menschen heiraten immer später und bekommen folglich auch immer später Kinder. Das bringt gewisse Probleme mit sich, wie etwa die Horrorvision der künstlichen Befruchtung. Aber auch der Druck auf Jugendliche ist gewachsen. Die Medien sexualisieren den Alltag junger Menschen, und die versuchen dem, was sie in Fernsehen und Internet sehen, gerecht zu werden. Dieser Druck wird oft verheimlicht. Die Aufgabe der Kirche ist es, in diesem Fall einen Raum für den offenen Dialog zu bieten und das Selbstwertgefühl der Jugendlichen wieder zu stärken. Der Slogan „Nichts ist unmöglich!“ funktioniert bei Beziehung und Sexualität nicht. Wenn dann der Glaube dazu kommt, nimmt das den Druck. Ich finde, dass man so glücklicher lebt.

Gegen Aids helfen Enthaltsamkeit und und Treue

Um die kirchliche Lehrerlaubnis zu erhalten, dürfen angehende katholische Religionslehrer nicht mit ihrem Partner zusammenleben. Warum müssen junge Menschen in der Angst leben, „erwischt“ zu werden?

Als Kirche muss man Überzeugungen einfordern, das ist wie in einem Betrieb. Gewisse Dinge und Ansichten müssen übernommen werden. Wie will jemand die kirchliche Lehre vermitteln, wenn er ganz anders lebt? Es ist ja auch nicht so, dass wir einen Spitzeldienst haben.

Thema Homosexualität: Warum ist ein homosexuelles Paar, das sich über Jahrzehnte hinweg treu war und möglicherweise sogar Kinder großgezogen hat, in den Augen der Kirche nicht mit einem heterosexuellen Paar gleichzustellen?

Es widerspricht der Schöpfungsordnung. Sie leben nicht das christliche Menschenbild. Manche Menschen sind einfach homosexuell. Sie sind in einer solchen Partnerschaft aber nicht in der Lage, Nachkommen zu zeugen, und erfüllen damit eine grundlegende Voraussetzung der Eheschließung nach katholischem Verständnis nicht. Wir wollen Menschen mit dieser Veranlagung natürlich nicht moralisch diskreditieren, aber eine Gleichstellung solcher Partnerschaften mit der Ehe ist undenkbar.

Der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl im Gespräch.
Papst Franziskus gilt vielen als Modernisierer. Hätte es die Synode auch unter einem anderen Papst gegeben?

Die Themen, die auf Synoden verhandelt werden, sind immer auch Probleme aus den Ortskirchen. Ob es die jetzigen Synoden mit einem anderen Papst auch jetzt gegeben hätte, weiß ich nicht, denn letzten Endes entscheidet der Papst über die Themen. Dass aber offen gesprochen werden darf hat Papst Franziskus vorgegeben. Auch inhaltlich hat er keine Vorgaben gemacht.

Im Herbst trifft sich die Familiensynode zum zweiten Mal. Was erhoffen Sie sich davon?

Ich würde mir wünschen, dass die Probleme, die die Kirchen täglich vor Ort erfahren, in einer ernsthaften Diskussion besprochen werden und eine Lösung für die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten gefunden wird. Wenn es der Kirche gelingt, das Positive an ihrer Lehre besser zu vermitteln und manchmal verständnisvoller zu antworten, wäre viel getan.

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