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Der Mann mit den Möbeln

Der Mann mit den Möbeln

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  • Eigener Laden statt Alltag im Hörsaal: Moritz gibt aufbereiteten Möbeln und Dekostücken aus vergangenen Jahrzehnten neue Frische und Eleganz.
Moritz bei der Möbelaufbereitung

Bei klarem Himmel herrschen trotz Sonne eisige Temperaturen. Ein klassischer Tag im Januar eben. Moritz Waldmann arbeitet dennoch draußen vor seinem Laden „Waldmann Vintage Interior“ in der Nürnberger Straße – im Holzfällerhemd. „Ob das der Leim mitmacht?“, fragt er unsicher. Die Aufbereitung eines bereits verkauften Lowboards, schätzungsweise Mitte 50er, steht an. Zustand bei Ankauf: praktisch wertlos. Obwohl es wegen seiner Bauweise recht selten ist. Früher war auf dem Möbelstück noch eine Vitrine aufgesetzt. Die ist jetzt ab. Genutzt werden soll das Ganze nun als Fernsehtisch. Moritz Arbeit: Aus dem ziemlich dreckigen Board mit einigen Macken wieder eine stimmige, in sich geschlossene Einheit entstehen lassen. Auf dem Weg dahin muss gereinigt, geschliffen, geschraubt, aufpoliert und lackiert werden. Außerdem müssen die Schlösser und die Griffe ausgebessert, sowie die Schubladen und etliche Scharniere eingestellt werden. Die komplette Reinigung eines Fundstücks kann dabei auch mal 50 Prozent des gesamten Prozesses einnehmen. „Das ist ein bisschen wie bei der Restaurierung von Gemälden“, meint
Moritz.

Die Aufbereitung gebrauchter, angekaufter Möbel ist nun seit fast vier Jahren sein Alltag. Mit seinem alten VW Bus fährt er vor allem unter der Woche quer durch Franken. Etwas Konkretes sucht er dabei meist nicht. „Ich nehme eigentlich alles, worauf ich Bock habe und was mir gefällt.“ In der Regel finden sich im Laden dann Stilrichtungen wie Mid Century oder Art déco, ab und zu auch mal eine Antiquität aus der Biedermeierzeit. Das zieht eine durchmischt-diverse Kundschaft an. Viele kommen jedoch, um ihre erste eigene Wohnung einzigartig einzurichten.

Erste Erfahrungen der Selbständigkeit sammelte Moritz nach dem Abitur, als er mit einem Freund ein eigenes Tonstudio eröffnete, er selbst spielt Gitarre und Geige. Gerade einmal 20 Jahre alt war er da. Das Abenteuer endete mit der Corona-Pandemie 2020. Ein pandemiebedingtes Online-Studium der Elektrotechnik an der Uni Erlangen brach er aufgrund eben jener Rahmenbedingungen schnell wieder ab. Nach der Ausübung verschiedener Nebenjobs mietete Moritz eine Ladenfläche in Gaustadt an. In Waldmann Music and Interior verkaufte er damals Instrumente und Möbel. Musikalische Überreste dieser Zeit finden sich heute immer noch im Untergeschoss von Waldmann Vintage Interior. Die Möbel, jetziger Hauptbestandteil des Geschäfts, sind nach und nach hinzugekommen. Aufgrund von Platzmangel musste schnell eine neue, größere Ladenfläche her. Und selbst die über 400 Quadratmeter des neuen Standorts sind voll ausgeschöpft. Zwei Stockwerke laden hier zum Stöbern ein. Auf die Frage, wie viel er in der Woche arbeiten würde, entgegnet er: „Zu viel, würde meine Freundin sagen.“ Zwischen 40 und 50 Stunden braucht es, um neue Fundstücke abzuholen, aufzubereiten und zu verkaufen. Bis vor kurzem noch sein eigener und einziger Angestellter, bekommt er mittlerweile Unterstützung von einer guten Freundin und nun Kollegin Maria.

Trotz aller Leidenschaft bleibt eine gewisse Unsicherheit Teil von Moritz Arbeitsalltag. Der Prozess der Aufbereitung dauert mal wenige Minuten, mal mehrere Monate. Jedes Stück ist sorgfältig ausgewählt. Massenware ließe sich leichter kalkulieren. Und dann ist da ja noch die Bürokratie, die gerade in der kleinen Selbstständigkeit schnell über den Kopf wachsen. Doch solange es Spaß macht und er davon leben kann, will er die Selbstständigkeit weiterhin verfolgen. Ein aktuell laufendes Soziologiestudium fungiert als eine Art Notfallplan: „Das Thema ist interessant und einen Abschluss in der Tasche zu haben, schadet nie.“

Neben wechselhaftem Wetter kann in den Wintermonaten auch die Kälte zum Problem werden. Die Holzplatte, mit der die Oberfläche des Lowboards geebnet werden soll, hält nicht. Der Leim macht nicht mit. Also wird erst die restliche Oberfläche geschliffen. Diese plant er, schwarz zu lackieren. Eine finale Politur soll dem Board abschließend neuen Glanz verleihen. Doch daraus wird heute zeitlich nichts mehr.

Mit edler Lackierung – das fertige Lowboard.

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