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Bremse? Denkste.
Dunkel Hell

Bremse? Denkste.

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  • Wartelisten fürs Wohnheim, unverhältnismäßig hohe Mieten, dutzende WG-Castings: Die Hürden der Wohnungssuche kennt fast jeder Student. Auch die Politik hat sich dem Thema angenommen, und so geistern seit einigen Monaten die Begriffe Mietpreisbremse und Bestellerprinzip durch die Presse. Doch worum geht es dabei, und hilft uns das überhaupt?

Abends im collegium œcumenicum Bamberg. Der Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz (SPD) hat zur Podiumsdiskussion unter dem etwas sperrigen Titel „Gutes und bezahlbares Wohnen. Soziales Mietrecht in der Praxis“ geladen. Es gibt kostenlose Getränke und Häppchen, zwischen engagierten Bürgern, interessierten Vereinsvertretern und betroffenen Vermietern sitzt kaum eine Handvoll Studierende. Und das obwohl fast jeder schon einmal darüber geklagt hat, wie schwer die Wohnungssuche in Bamberg doch ist — und wie teuer die Mieten.

„Wohnen ist ein Grundrecht. Es gibt so etwas wie einen gesellschaftlichen Konsens, dass Mieten bezahlbar sein muss“, verkündet Schwarz zu Beginn seines Statements, das er in Vertretung für den kurzfristig verhinderten parlamentarischen Staatssekretär Ulrich Kelber vorliest. Dieses Grundrecht hat sich die SPD seit den Bundestagswahlen 2013 auf die Fahnen bzw. in den Koalitionsvertrag geschrieben. Zum Juni 2015 traten dann die ersten Gesetze in Kraft: die Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip. Beide Gesetze sollen einen klaren Nutzen für Mieter bringen. Im ersten Fall werden Mietpreiserhöhungen bei Abschluss eines neuen Mietvertrages gedeckelt und dürfen nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Miete gemäß Mietpreisspiegel liegen. Das zweite Gesetz legt fest, dass die Gebühren für die Vermittlung der Wohnung durch einen Makler nun nicht mehr vom Mieter, sondern vom Besteller (meist der Mieter) bezahlt werden müssen. Gerade die Mietpreisbremse könnte für Studenten eine echte Verbesserung bewirken.

Mieten wird dadurch nicht billiger

Dr. Ulrike Kirchhoff, Vermieter-Verband

Könnte, denn tatsächlich ist sie in Bamberg noch nicht in Kraft getreten. Gemäß Gesetz entscheidet jedes Bundesland selbst, wie angespannt der Wohnungsmarkt in seinen Kommunen ist, und kann dann Gebiete ausweisen, für die die Mietpreisbremse gelten soll. Zwar hat Bayern schon zum August 144 Kommunen ausweisen lassen, Bamberg war aber nicht darunter, und hat erst jetzt beschlossen, sich selbst darum zu bemühen. Im kommenden Jahr soll es soweit sein.

Tatsächlich zeigt sich während der Podiumsdiskussion allerdings, dass die geladenen Gäste von der Wirkung der Mietpreisbremse nicht überzeugt sind. „Mieten wird dadurch nicht billiger“, erklärt Dr. Ulrike Kirchhoff vom Vermieter-Verband Haus & Grund Bayern. Zwar würden die Mieten langsamer steigen – aber eben immer noch steigen, um die rasant wachsenden Bau- und Erhaltungskosten auszugleichen. Viel besser wäre es ihrer Meinung nach, privaten Wohnungsbau zu unterstützen und die Konversionsflächen, z.B. das US-Army-Areal an der Zollnerstraße, für Mietwohnungen und kleinere Bauprojekte freizugeben. Auch Heinz Kuntke vom Bau- und Werksenat der Stadt Bamberg stimmt dieser Einschätzung weitgehend zu. Die Mietpreisbremse sei geeignet, um Auswüchse zu vermeiden, würde aber kein günstigeres Wohnen ermöglichen. Das Hauptproblem Bambergs sei, dass es zu wenig Wohnraum für den massiven Zuzug gibt. Was nicht zuletzt auch daran läge, dass neu gebaute Wohnungen fast immer im höherpreisigen Sektor liegen und somit gerade für Geringverdiener, Familien oder Studierende nicht zur Verfügung stehen.

Diese Meinung teilt auch Paul Hummer, der einen kurzen Überblick darüber gibt, wie Studierende in Bamberg die Wohnsituation wahrnehmen. Er erinnert an den Wohnungsnotstand von 2011, als zahlreiche Studenten wochenlang Couchsurfing betrieben. Seitdem hat sich die Situation zwar etwas beruhigt, jedoch nicht so sehr, wie es gerne dargestellt wird. Ein vom Studentenwerk Würzburg geplantes Container-Wohnheim auf dem Parkplatz des Wohnheims in der Pestalozzi-Straße wurde nie errichtet. Stattdessen wurden neue Plätze an der Brennerstraße, im Schäffler-Areal und auf der ERBA geschaffen – deren Preise bis zu stolzen 550 Euro pro Zimmer und Monat reichen. Für den Großteil der Studierenden ist das kaum zu leisten, vor allem wenn man bedenkt, dass der BAföG-Satz maximal 225 Euro für Mietkosten einplant.

Dieses Problem verstehen auch die anderen Teilnehmender der Podiumsdiskussion. „Der Staat hat sich in den letzten Jahren aus dem Wohnungsbau zurückgezogen. Das war ein riesiger Fehler“, bekennt Schwarz. Es beginnt eine lebhafte Debatte darüber, ob und zu welchen Bedingungen sozialer Wohnungsbau Abhilfe schaffen könnte. Bis zu 250.000 Wohnungen müssten in den kommenden Jahren gebaut werden, um die Bedürfnisse von Familien, Studierenden, aber auch Flüchtlingen zu befriedigen. Woher das Geld dafür kommen soll, bleibt offen. Die Kosten für Neubauten sind mittlerweile so hoch, dass man sie nicht durch studentenfreundliche Mieten ausgleichen kann, günstige Mietwohnungen sind schlicht nicht rentabel. Die Sorgen wurden gehört, so lässt sich der Abend zusammenfassen. Ob und wann in Berlin tatsächlich gehandelt wird, steht aber in den Sternen.

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