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Auf Getreide, Kröten und Stäbchen pinkeln — Die Geschichte des Schwangerschaftstests

Auf Getreide, Kröten und Stäbchen pinkeln — Die Geschichte des Schwangerschaftstests

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  • Die Geschichte der Schwangerschaftstests beginnt schon vor über 3000 Jahren. Dabei gibt es viele pseudo-wissenschaftliche Methoden, aber auch überraschend erfolgreiche Techniken.

Die erste Überlieferung eines Schwangerschaftstests stammt, wie das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien berichtet, aus dem alten Ägypten. Für den Test wickelte man Gerste und Weizenkörner in ein Tuch, welches mit dem Urin einer Frau getränkt wurde. War die Frau schwanger, sollten die Getreidekörner keimen. In einer Studie 1963 lag dieser Test in bis zu 85 Prozent der Fälle richtig. Die Wissenschaftler vermuteten, der erhöhte Östrogenspiegel im Urin einer Schwangeren sei dafür verantwortlich. Dazu sollte man laut der Überlieferung das Geschlecht des Kindes bestimmen können. Wenn der Weizen keimte, sei das Kind weiblich; keimte die Gerste, sei es männlich. Dafür konnten die Wissenschaftler allerdings keine Beweise finden.

Neben dubiosen Methoden wie z.B. eine Zwiebel in die Vagina der potenziell Schwangeren zu stecken und den Atem zu untersuchen, zieht sich Urin als Konstante durch die Geschichte des Schwangerschaftstest.

So gab es bis ins 17. Jahrhundert sogenannte „Pisse-Propheten“.

Sie untersuchten den Urin der Frau auf seine Farbe oder darauf, ob Nägel in ihm rosteten und Blätter ihre Farbe änderten. War das der Fall, war die Frau angeblich schwanger. Zudem vermischten sie oft den Urin mit Alkohol. Effekte könnten aufgrund er Reaktion einiger Proteine im Urin mit Alkohol entstanden sein. Eine verlässliche Prognose konnten sie deshalb aber kaum treffen. So musste man sich auf unsichere Symptome wie Wassereinlagerungen, Morgenübelkeit und Ausbleiben der Monatsblutung verlassen.

Das Bedürfnis, so schnell wie möglich über die Schwangerschaft Bescheid zu wissen, war damals wie heute groß. „Die Zahl derer, die Angst haben schwanger zu sein überwiegt gegenüber denen, die darauf hoffen. Vor allem Frauen zwischen 20 und 35 kaufen Schwangerschaftstest, selten auch Frauen über 40, die wegen des unregelmäßigen Zyklus in den Wechseljahren besorgt sind.“ Sagt Irina Psurek, Filialleiterin der Apotheke am Kranen, über die heutigen Kundinnen. Für fast alle unter ihnen gilt aber: „Sie sitzen wie auf heißen Kohlen. Viele kaufen dann lieber zwei Tests um sicher zu sein.“

Anfang moderner Forschung

Ende des 19. Jahrhunderts begann die Erforschung von Hormonen. 1920 wurde das humane Choriongonadotropin, kurz hCG entdeckt. Bis heute ist dieses Hormon die Grundlage für Schwangerschaftstests.

Die Apothekerin Irina Psurek verkauft in fast jedem Notdienst mindestens einen Schwangerschaftstest. Dabei muss man ganz bestimmte Fristen einhalten, um eine sicheres Ergebnis zu bekommen.

Sechs bis zwölf Tage nach der Befruchtung setzt sich das Ei in der Gebärmutterwand fest, ab dann stoßen die Zellen, die die Plazenta bilden, hCG aus. Die Konzentration des Hormons verdoppelt sich alle 2–3 Tage, bis es in der 10. Woche der maximale Wert erreicht. „Das ist eigentlich bei allen Herstellern das gleiche Prinzip“, erklärt die Apothekerin Irina Psurek. „Es gibt dann nur ein paar Spielereien, wie Tests mit Wochenbestimmung oder Frühtests, die schon bei einer geringeren Konzentration von hCG ein positives Ergebnis anzeigen.“

Bis zu heutigen Schwangerschaftstest waren aber noch einige Entwicklungsschritte nötig. 1927 entwickelten die Ärzte Aschheim und Zondek an Charité den ersten, auf Hormonen basierenden Schwangerschaftstest. Sie injizierten jungen, weiblichen Mäusen den Urin einer Frau. Falls diese schwanger war, veränderten sich die Geschlechtsorgane. Es setzte zum Beispiel die Reifung der Eier ein und der Uterus vergrößerte sich. Das liegt daran, dass hCG ähnliche Signale aussendet wie das Hormon, das den Eisprung verursacht. Um diese Veränderungen festzustellen, mussten die Mäuse allerdings getötet und seziert werden. Der Test lieferte zwar in 98 Prozent der Fälle das richtige Ergebnis, war auch teuer und langwierig. Deswegen wurde er nur für Spezialfälle angewandt.

Frösche als Schwangerschaftstest

In den 30er Jahren entwickelte der britische Zoologe Hogben den Test weiter. Auch er injizierte Tieren den Urin einer Frau, allerdings verwendete er den afrikanischen Krallenfrosch. Dieser laichte innerhalb von 18 Stunden nach der Injektion, wenn die Frau schwanger war. So mussten die Frösche nicht getötet werden. Ein südamerikanischer Arzt stellte fest, dass männliche Tiere noch besser geeignet waren, da sie schon nach wenigen Stunden Sperma produzierten. Diese Tests waren günstiger und so wurden bis in die 60er Jahre in allen Apotheken Krallenfrösche für Schwangerschaftstests gehalten.

In den 70er Jahren wurden Tests mit Antikörpern entwickelt. Antikörper sind Proteine, die sich an jeweils spezifische, körperfremde Moleküle wie Bakterien setzen, um vom Immunsystem erkannt zu werden. Bei den Tests musste man den Urin in eine Flüssigkeit gießen, in der das Schwangerschaftshormon hCG an Blutzellen gebunden war. Dann gab man die hCG Antikörper dazu. Wenn die Blutkörperchen verklumpen, ist die Frau nicht schwanger. Die hCG Antikörper setzen sich in diesem Fall an das hCG, das an den Blutzellen war. So kleben die Blutzellen aneinander. Ist aber hCG im Urin der Frau, wenn sie also schwanger ist, bindet das hCG schon die hCG Antikörper. Damit verhindert es, dass sich die Antikörper an das hCG an den Blutzellen setzen.

Der erste Selbsttest für zu Hause

Der erste Selbsttest wurde 1967 von der Pharmazie- Produktdesignerin Magret Crane entwickelt. Die bisherigen Tests verlangten einen Besuch beim Arzt. Das war aufgrund gesellschaftlicher Stigmata vor allem für unverheiratete Frauen unangenehm. Cranes Firma lehnte den Vorschlag aber zunächst ab – „man befürchtete Suizide von unverheirateten Frauen.“

Es gibt zahlreiche Schwangerschaftstests auf dem Markt. Die funktionieren heute aber alle nach dem selben Prinzip.

Man befürchtete Suizide von unverheirateten Frauen.

Da eine Partnerfirma in den Niederlanden doch interessiert war, entwickelten sie ein Prototyp, den „predictor“. Ab 1971 verkauften kanadische Apotheken diesen Test, in den USA wurde er aber erst 1977 zugelassen.

So groß dieser Fortschritt auch war, der Test hatte noch einige Probleme. Die zehnteilige Anleitung war kompliziert und für das Resultat musste man zwei Stunden warten. Zudem sagte der Test positive Resultate sehr zuverlässig voraus, für negative war er aber noch nicht genau genug.

Obwohl heute Schwangerschaftstests in jeder Apotheke und sogar in Drogerien liegen, ist nach der Erfahrung von der Apothekerin Irina Psurek noch vielen Frauen der Kauf von Schwangerschaftstests unangenehm: „Die meisten Frauen kommen dafür nicht mitten am Tag, sondern kurz bevor wir schließen, um möglichst wenig Publikum zu haben. Es vergeht nachts auch kein Notdienst, ohne dass jemand einen Test kauft.“

Dabei herrscht bei vielen Frauen auch noch Unwissen über die Funktion des Tests. Der Test misst die hCG-Konzentration im Urin und kann daher erst am Tag, an dem eigentlich die Periode einsetzen sollte, verlässliche Ergebnisse liefern. Den Frühtest kann man schon fünf Tage vorher nehmen, dafür ist er fehleranfälliger und wird laut Psurek auch deutlich seltener gekauft.

1988 wurde dann schließlich der erste Test entwickelt, bei dem wirklich nur ein Schritt nötig war. Dabei funktionierte der Test immer noch mit Antikörpern, allerdings reagierten diese wie auf heutigen Tests mit färbenden Molekülen. Schwangerschaftstests sind mittlerweile in jeder Apotheke günstig zu bekommen. Acht von zehn Frauen erfahren so von ihrer Schwangerschaft.

Aktuelle Entwicklungen

„Seitdem ich Apothekerin bin, hat sich dabei auch nicht mehr viel geändert.“, sagt Psurek. Allerdings hat sie eine andere Entwicklung festgestellt. „Seit es die Pille danach ohne Rezept gibt, kaufen sie auch viel mehr Frauen. Gerade junge Schülerinnen wollen oft eher die Pille danach als den Schwangerschaftstest kaufen. Wir hatten schon Mädchen, die sich die 35 Euro von ihren Klassenkameradinnen geliehen haben, damit die Eltern nichts davon erfahren.“

Es gibt bis heute noch einige Probleme mit dem Test. Frauen mit bestimmten Tumoren erhalten zum Beispiel fälschlicherweise ein positives Ergebnis. Außerdem wollen viele so schnell wie möglich wissen, ob sie schwanger sind, am besten schon am Tag nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr. Bei heutigen Tests muss man aber ein bis zwei Wochen warten. Forschungsprojekte für schnellere Ergebnisse sind Psurek aber nicht bekannt, da kein anderer Marker im Körper früher messbar ist.

Trotz der Schwierigkeiten ist der Schwangerschaftstest eine wichtige Entwicklung für die Selbstbestimmung von Frauen, die sich damit frühzeitig auf ihr Kind einstellen oder sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können.

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