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Vorgespielt: Tits’n’Toads
Dunkel Hell

Vorgespielt: Tits’n’Toads

  • Höher, schneller, weiter – aber bloß nicht raus aus dem Hotel. Wir sind schließlich in Afrika. Mit Tits’n’Toads – or How to survive Neo-Corporatism zeigt die English Drama Group der Universität Bamberg eine gesellschaftskritische Satire, die den Kapitalismus in all seiner Absurdität mit viel schwarzem Humor auseinandernimmt.

Drei skrupellose Unternehmensberater jetsetten durch Länder wie Indien, Pakistan und Nigera, die sie jedoch nur durch die Fensterscheiben ihrer Luxushotels sehen. Nach draußen gehen kommt nicht in Frage: „Weißt du, was du dir für Krankheiten holen könntest?“ In ihrer Blase lebend sind sie geschützt vor Hepatitis A, B, C und D, während sie auf der ganzen Welt für Entlassungen sorgen.

„Der Kapitalismus soll die Welt retten?“ – „Nein, der Kapitalismus wird diese Welt zerstören.“

Die sechsköpfige Schauspielgruppe der Bamberg University English Drama Group greift die Handlung Johannes Nabers Films „Zeit der Kannibalen”, der 2014 die deutschen Arthouse-Kinocharts stürmte, auf und macht sie bühnenreif. Unter dem neuen Titel Tits’n’Toads bringen sie die wohl wirklich bedeutenden Werte der modernen Gesellschaft auf den Punkt: Brüste und Kröten.

Das Berater-Team besteht aus einer unglücklich verheirateten Cholerikerin; ihrer kontrollsüchtigen Kollegin, die jede Nacht im Dunkeln das Kofferpacken übt, und einem idealistischen Neueinsteiger, der die beförderte Ex-Kollegin ersetzt. Sie setzen alles auf die eigene Beförderung, während auf der anderen Seite der Fensterscheibe Bürgerkrieg tobt. Nebenbei beauftragen sie Hotelpersonal, das Zimmer nach einem Moskito abzusuchen, bezahlen Zimmermädchen für Sex und echauffieren sich über gegenseitige Intoleranz gegenüber fremden Kulturen. Als sie erfahren, dass ihr Unternehmen verkauft wird, bekommen sie ein Angebot, Vertragspartner zu werden. Doch der Triumph ist nur von kurzer Dauer.

Die Kulisse bleibt ein Hotelzimmer, das mit Bauzäunen als Fensterscheiben von der Welt da draußen abgetrennt ist – eine Metapher für das Leben in der Blase mit all seinen idealistischen Routinen. Dieses Bild der Routinen zur Weltoptimierung zieht sich durch das ganze Stück. Die Zwangsneurosen der Figuren werden durch synchrone Choreographien aller sechs Darsteller veranschaulicht. Doch Routinen helfen genau dann nicht mehr weiter, als der Konzern aufgrund krummer Geschäfte verklagt wird, die Berater untergehen und dann auch noch der Bürgerkrieg in ihre heile Welt hineinbricht. Die Darsteller unterbrechen ihre Synchronität und rennen wild über die Bühne. Die schützenden Wände des Kapitalismus sind nicht mehr sicher; ebenso wenig die Wände des Hotels, der letzte Bauzaun fällt zu Boden. So werden die Berater am Ende des Stückes von genau der Welt zerstört, die sie die ganze Zeit über ausgenommen haben.

So wenig man den Figuren im Stück das Gerede über Moral abnimmt, umso überzeugender sind die drei Hauptdarsteller in ihren Rollen der selbst- und karrieresüchtigen Unmenschen. Mit akzentfreiem Englisch und schnittigen Dialogen, treffendem Zynismus und Sarkasmus begeistern sie ihr Publikum in der Alten Seilerei. Der Applaus fällt trotzdem eher beherrscht als tosend aus, alle erschlagen von so viel realitätsnahem Schauspiel.

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