Elias Drost, Jahrgang '97: Das fränkisch-niederbayerische Hybrid stieß im Sommer…
Es gibt wohl keinen besseren Spielort für die Inszenierung des Jugendbuchklassikers von Mark Twain als das Gelände der Marinekameradschaft in Bamberg-Bug. Problemlos wird dort die beschauliche Regnitz zum mächtigen Mississippi, die Hainpappeln zu Urwaldriesen und der erweiterte Bootssteg zum abenteuerlichen Floß. In der Romanvorlage schippern der Junge Huckleberry Finn und der geflohene Sklave Jim ihrer Freiheit entgegen. Auch in Andreas Ulichs Bühnenfassung zieht es die beiden Abenteurer in Richtung „Ende des Flusses“. Doch Huckleberry ist hier ein Mädchen – und Jim ein Schwarzer, dem nach fremdenfeindlichen Anfeindungen und Brandstiftung an seinem Haus auch noch gekündigt wurde. Während in Bezug auf das Buch noch gestritten wird, ob es nun rassistisch sei (Twain verwendet für Jim das Wort „Nigger“), stellt sich diese Frage im Stück nicht: Schon in den ersten Dialogen können die kleinen (und großen) Zuschauer lernen, wie nebensächlich Hautfarbe und Religion sind. Huck will da erstmal wissen: „Gibt es denn mehr als einen Gott?“ „Nein“, antwortet Jim, „wir nennen ihn nur anders.“
Stellvertretend für verschiedene „Rednecks“ im Buch lässt der Regisseur später auch die Figur des rassistischen Harvey auftreten. Der möchte gerne auf Huck und Jims Floß mitfahren, weil ihm seine Brieftasche gestohlen wurde, „bestimmt von einem Schwarzen!“. Er ist der Prototyp eines unreflektiert wiedergebenden besorgten Bürgers – ein „Afd-ler“, meint sein Darsteller Daniel Reichelt. Er mag seinen Auftritt als Harvey, „einfach, um zu gucken wie den Leuten die Gesichtszüge entgleisen.“ Von Huckleberry bekommt der Bestohlene eine saftige Absage im markigen Stil der unbekümmerten Ausreißerin, gekonnt verkörpert von Astrid Haas.
Der tatsächliche Dieb des Geldes ist der schmierige Hochstapler Herzog von Bridgewater (oder nach Huck „von Spritzwasser“ bzw. „Klitschtorte“). Dieser Gesandte der „wahren Queen von London“ fährt ungefragt auf dem Floß mit, lässt sich bedienen und versucht schließlich sogar, Jim zu erpressen. Auf den ist nämlich ein Kopfgeld ausgesetzt, angeblich habe er die junge Huck entführt. Doch auch die Lektion in Sachen Ehrlichkeit lässt nicht auf sich warten: Des „Herzogs“ kriminelle Machenschaften fliegen auf, vereint gelingt es den Hauptfiguren, ihn zu überwältigen und das Happy End ist perfekt.
Pascal Averibou (Jim) und seinen Schauspielerkollegen ist die Freude am Spielen anzusehen: überzeugend singen, tanzen und fluchen sie. Begleitet wird die Geschichte von Florian Berndt an Gitarre und Schlagwerk. Sehr gelungen untermalt die Musik pantomimische Szenen, die Mutmachlieder oder den gefährlichen Sturm.
Das Stück bleibt ein Theater für Kinder, wahnsinniger Tiefgang ist nicht zu erwarten. Trotzdem lohnt sich ein Besuch auch für Ältere, einfach um Spielfreude der Protagonisten und Begeisterung des jungen Publikums zu sehen und selbst wieder die kindliche Faszination der großen Freiheit in diesem „River“-Movie zu spüren. Huckleberrys ständiges „Hau mich um!“ und das Piratenlied bleiben auch großen Kindern als Ohrwurm im Kopf. Das Ende vom Fluss ist nicht mehr weit!
Das Theater läuft noch den ganzen Sommer über bis zum 10.9. mindestens einmal pro Woche (Termine unter www.kindertheater-bamberg.de und auf der Facebookseite des Chapeau Claque). Studenten dürfen sich auf eine (potenziell nicht jugendfreie) Late-Night-Vorstellung im August freuen.
Elias Drost, Jahrgang '97: Das fränkisch-niederbayerische Hybrid stieß im Sommer 2017 zum Ottfried und ist seither fester Bestandteil der Redaktion. Sein durch den Chorgesang geschultes Organ macht ihn auf Redaktionssitzungen unüberhörbar. Mit seiner warmen Bassstimme wird er in Zukunft alle Artikel als Hörbücher einsprechen.