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„Stirb, du Luder!“
Dunkel Hell

„Stirb, du Luder!“

Auf die schönsten Augen von Bamberg!“ Deutsche Bank-Chef Stoschek und Bettina Margkoff prosten sich zu. Als die 27-jährige BWL-Studentin feststellt, dass ihr Gegenüber nicht nur völlig anders aussieht als im Internet, sondern auch noch 13 Jahre älter ist als sie, verlässt sie schwungvoll die Sodabar. Stunden später hängt sie mit einer Machetenwunde im Rücken von einem Baum an der Hainbadestelle.

Wer an einen klassischen Krimifall mit Leichenfund und Auflösung dachte, wurde bei der fünften Auflage von Tarte d’Ort Bamberg im voll besetzten Stilbruch überrascht. Denn der Täter wurde nicht überführt.

Dope aus Babysocken

Dabei schien die Lösung zum Greifen nah, als die Ermittlerinnen Katharina Mahler und Agnes Reim in der WG der Toten einen Liebesbrief des Bankchefs fanden. Verdächtig fand Reim das ungleiche Pärchen nicht, „Altersunterschiede gehen ja oft Hand in Hand mit Geld!“ Und dass Geld ein knappes Gut gewesen sein könnte, darauf deutete das Dope in der selbst gehäkelten Babysocke mit Rentiermuster hin, die die Tote bei sich trug. In Wirklichkeit war jedoch alles viel komplizierter: Die Verstorbene war weder Besitzerin des Dopes noch Opfer des frustrierten Möchtegern-Liebhabers. Vielmehr wurde ihr das Dope vom eigentlichen Mörder untergeschoben, um das Motiv zu verschleiern: Bettina Margkoff war dem zwielichtigen Paul Carpe alias „Paule“ als Informantin bei Brose GmbH aufgrund ihrer Verbindung zu Stoschek zu gefährlich geworden, mit dem er selbst krumme Geschäfte am Laufen hatte. Schließlich hatte er sie mit vorgehaltener Pistole gezwungen, sich selbst zu erhängen.

Eine Machetenwunde im Nacken, die Pistole vor Augen und eine Hundeleine um den Hals klingen absurd? Der Tarte d’ort hatte noch viel mehr zu bieten, darunter Schussverletzungen im Oberschenkel einer Drogendealerin, die mit Pflastern am Knöchel behandelt wurden, ein Terzett von Helene Fischers „ Atemlos“ und ein entlaufener Hund namens Schnitzel. Was das Publikum oft zum Lachen brachte, lenkte die Kommissarinnen von der Lösung des Falls ab. Unterstützt von der Spurensicherung, kurz „SpuSi“, kamen sie schließlich zu dem Ergebnis, dass es sich um Selbstmord handelt. Sich mittels Suizid in den „Club 27“ zu Kurt Cobain und Amy Winehouse zu befördern „ist die einzige Chance, wenn man nie cool war“, konstatierte Reim kaltschnäuzig und entschwand frohgemut zum Date mit ihrer neuesten Internetbekanntschaft aus Elite Partner: Carpe, ein junger Mann, der sich scheinbar brennend für sie interessiert. Man darf gespannt sein, ob diese Verbindung ihren Weg in eine neue Folge findet.

Mord an der Hainbadestelle “Stirb, du Luder!” — Foto: Sabrina Nell

“Scheiter heiter. Hab keine Angst, Fehler zu machen.”

Im Anschluss zeigte sich das Tarte d’ort Team sehr zufrieden mit dem Abend. Entgegen aller Skepsis eine Woche zuvor erwies sich das Stilbruch als gute Location. „Ich hatte viel mehr Baratmosphäre mit mehr Geplauder befürchtet, wenn die Leute sich langweilen – aber das war gar nicht so!“, freute sich Olga Seehafer. Felix Forsbach lobte die besondere Transparenz gegenüber dem Publikum, die entstand, wenn sich die Akteure halb sichtbar auf der Bühne umzogen. Neele Leske, die für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war und normalerweise für Holterdipolter in Nürnberg spielt, steht ohnehin lieber auf kleinen Bühnen: „Ich mag dieses Kleine, Familiäre und Mukkelige so nah am Publikum. Das ist sehr intim.“ Sie störte sich auch nicht daran, dass der Mord an ihrer Figur nicht aufgelöst wurde: Das sei doch auch mal schön. Überhaupt ginge es ja auch im Improtheater darum, sich nicht an klassische Strukturen zu klammern. „Scheiter heiter! Hab keine Angst, Fehler zu machen“ heißt die Devise. Es ist besonders wichtig, im Team zu spielen und aktiv zuzuhören, „sonst kommt man gar nicht zum Ende“.

Neben aktivem Zuhören hilft den Schauspielern bei Tarte d’Ort Bamberg aber noch ein weiteres Mittel, einen groben Überblick im Kriminalfall zu behalten: Auf der Bühne hängt eine Schiefertafel, auf die Stichworte und Figurenverknüpfungen notiert werden. Ein Stilmittel, das auch dem Publikum gefällt, zumindest den Zuschauern, die es sehen können. Das Sichtfeld einiger Zuschauer in den hinteren Reihen wird durch Balken beschränkt. „Aber ich bin halt auch nur einen Meter fünfzig groß und war viel zu spät dran“, meinte eine junge Frau. „Witzig war’s trotzdem!“

Wer diesen fünften Fall verpasst und nun doch Blut geleckt hat, bekommt am 30. März noch einmal die Chance, dem Tarte d’ort im Stilbruch beizuwohnen. Beginn ist erneut um 20:15 Uhr – Wer früher kommt, erhöht die Chance auf einen der stark begrenzten Plätze. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich auf die Tarte d’ort-Mailingliste setzen zu lassen (BambergTatort@web.de), um so über die wechselnden Spielorte auf dem Laufenden gehalten zu werden.

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