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Keine Alben Sachen Vol.III

Keine Alben Sachen Vol.III

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  • Shuffle an und go: Halt stopp!! Gerade ist Zeit, Alben mal wieder ganz zu hören, von vorn nach hinten, Song für Song. Darum stellen wir und die Kolleg*innen von Uni-Vox die perfekten Alben dazu vor!

M83: Hurry Up, We’re Dreaming

Meine Liebe zu „Hurry up, We´re dreaming“ aus dem Jahr 2011 von der Band M83 habe ich ausgerechnet an dem banalen Ort entdeckt, wo auch Gründungsmitglied und Songwriter Anthony Gonzalez nach eigener Aussage seine Inspirationen beim Schreiben des Albums her bekam: im Auto. Warum es genau hier die ganze Kraft seiner monumentalen Synthesizer-Klänge mit Orchestrierung und Elektronik-Elementen voll entfalten kann, liegt auf der Hand. „Hurry up, We’re dreaming“ ist ein Soundtrack, nicht etwa geschrieben für einen Film, sondern für jede Person, für das Leben an sich.

Ein Soundtrack für jede Person, für das Leben an sich.

Das Album trägt zwar die unverkennbare Handschrift der französischen Elektronik-Dreampop-Band, benannt nach der Galaxie Messier 83, aber es ist auch eine noch fast leere Leinwand, bemalt mit musikalischen Grundfiguren, aus denen Hörende mit Pinsel und Farbe etwas ganz eigenes kreieren. Am Ende ergibt sich durch individuelle Assoziationen ein einzigartiges Gesamtbild, das bei anderen nie in derselben Form auftreten wird. Das Intro fasst die nächsten dreiundsiebzig Minuten im ersten gesungenen Vers zusammen: „We didn´t need a story, we didn´t need a real world“. Der M83-Sound ist keine Handlung, die vorgegeben ist, sie entwickelt sich durch die Hörenden selbst. Er ist nicht auf diese Welt begrenzt, sondern spielt in mehreren Welten gleichzeitig, welche auch immer sich die Zuhörer*innen aussuchen. Ganz egal was die jeweilige Person auf ihre Leinwand malt, sie wird, einmal angefangen zu hören, nur schwer vor dem letzten der zweiundzwanzig Songs wieder aufhören können.

Er ist nicht auf diese Welt begrenzt, sondern spielt in mehreren Welten gleichzeitig, welche auch immer sich die Zuhörer*innen aussuchen.

Das Album ist eine Achterbahnfahrt von langsam anschwellenden Klängen über orchestrale Höhen und Elektronik-Symphonien, die in Klaviertönen ausklingen, bis hin zu ruhigen instrumental-atmosphärischen Songs wie „Where the boats go“ oder „Fountains“. Alle Stücke stehen in einem steten Auf und Ab, einer musikalischen Bewegungsbeziehung zueinander, deswegen entfaltete sich für mich auf einer unspektakulären Autobahnfahrt auch die ganze Kraft der für M83 so typischen Tongewalt wie bei „Midnight City“, dem wohl bekanntesten Song der Band. „Waiting in a car, waiting for a ride in the dark“. Wie passend. Es war der Kontrast der Monotonie des Fahrens selbst und dem mit Spannung aufgeladenen Sound von „Hurry up, We´re dreaming“, durch den das Album meine Leinwand mit hauchdünnen Pinselstrichen bemalte, aber im nächsten Moment einen Eimer roter Acrylfarbe über eben jene kippte.

Die Songs „Soon, my friend“ und „Wait“ weisen mit Abstand am besten den typisch kraftvollen M83-Sound auf, ebenso wie das Outro. Es vereint in sich das gesamte Auf und Ab des Albums, beginnt mit einer orchestralen Ruhe, senkt sich zu einem brummenden Bass, bevor noch einmal eine epische Tongewalt entsteht und ein letzter Klang auf dem Klavier das Stück abschließt. „Hurry up, We´re dreaming“ endet, wie es beginnt: in absoluter Stille vor dem nächsten großen musikalischen M83-Sturm.
Nico Braun

Eine Leinwand mit hauchdünnen Pinselstrichen und im nächsten Moment einem Eimer roter Acrylfarbe.

Max Raabe: MTV Unplugged

Max Raabe trifft mit Sicherheit nicht jeden Geschmack, aber wer ihn und sein Palastorchester schon schätzt oder noch nicht kennt, sollte unbedingt einmal in den Genuss seines neuen MTV unplugged Albums kommen. Dieses ist mit Künstlern wie LEA, Namika, Herbert Grönemeyer oder Samy Deluxe eine etwas verrückte Mischung geworden, die man Max Raabe so erstmal gar nicht zugetraut hätte. Aber seine Texte sind wie immer so ehrlich, voller Humor und Lebenslust, dass man beim Hören das Gefühl wie von warmem Sonnenschein im Gesicht hat und die Welt sieht gleich gar nicht mehr so traurig aus. Aber man muss das Glück schon auch hereinbitten, wenn es denn mal vorbeikommt.
Malena Schlor

Kanye West: My Beautiful Dark Twisted Fantasy

Den Künstler vom Kunstwerk zu trennen ist nicht immer einfach. Kanye West manövriert sich in den letzten Jahren immer weiter in eine Richtung, die nicht nur ich, sondern auch viele andere eingefleischte Fans nicht länger gutheißen können. Doch trotz all seiner fragwürdigen PR-Stunts und verbalen Ausfälle hat Kanye den größten Teil des letzten Jahrzehnts großartige Alben produziert und die Szene geprägt wie nur wenig andere. Als Höhepunkt seines Katalogs sehen viele aus gutem Grund sein Magnum Opus My Beautiful Dark Twisted Fantasy. Denn dieses Album wird Kanye und seine Skandale noch lang überdauern.

Kanye wollte bei MBDTF an keiner Stelle auch nur den kleinsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass dies sein wichtigstes Album werden sollte. Der Opener „Dark Fantasy“ ist an Opulenz kaum zu übertreffen und alles von Nickis Minajs zwar wenig authentischem, aber märchenhaft verspieltem britischen Akzent zu den majestätischen Choralen zeigt deutlich, wie hoch Kanyes Ambitionen für dieses Werk gesteckt waren. Die Gäste passen sich gut ein und liefern gerade auf letzterem ein paar der besten Strophen des Albums ab.

Der ersten Hälfte des Albums wohnt eine unheimliche Energie inne, die entweder wie auf „POWER“ und „All Of The Lights“ in musikalischen Höhenflügen, oder wie auf „Monster“ in einem der brachialsten Beats in Kanyes Diskographie mündet.

Alles zeigt deutlich, wie hoch Kanyes Ambitionen für dieses Werk gesteckt waren.

Trotz einiger Probleme im Mix und gelegentlichem Kratzen in den Boxen klingt das Album fantastisch. Allein das Sample und die Streicher auf „Devil In A New Dress“ sind weiterhin ein Segen für die Ohren und von der Synth-Melodie auf „So Appalled“ bekomme ich noch immer Gänsehaut.

So verwundert es auch weniger, dass nahezu jedem Song ein instrumentales Outro zukommt, das den Moment noch ein wenig zelebriert und Kanyes musikalische Vision gänzlich ausreizt. Einzig auf „Runaway“ ufert dies etwas aus und man kann sich fragen, ob es unbedingt drei Minuten von Kanyes Vocoder-Gesang sein mussten. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dem Song um ein Highlight. Die wunderschöne, eingängige Melodie schafft es auf geniale Art, der Ästhetik von 808s & Heartbreak die Krone aufzusetzen. Kanyes Gesangspassagen klingen zudem so gut wie sonst nie und der Einstieg in die erste Strophe ist… nun ja, Kanye halt. Aber genau für diese Gegensätze hört man ihn und die Welt, die er auf diesem Album schafft, ist das beste Beispiel hierfür.

Kanyes Gesangspassagen klingen zudem so gut wie sonst nie und der Einstieg in die erste Strophe ist… nun ja, Kanye halt.

Ich werde nie ganz objektiv an ein Kanye-Release herantreten können. Ich habe MBDTF so oft gehört, dass die Texte inklusive des Dialogs auf „Blame Game“ und dem nachfolgenden Skit auch 10 Jahre später noch einige meiner Gehirnzellen beanspruchen. Dabei ist nicht alles perfekt. Einige Zeilen wirken heute etwas ungelenk und das Mastering könnte ausgebessert werden. Aber jedes Mal, wenn ich dieses Album anmache, fühle ich mich in meiner Bewunderung für dieses wandelnde Paradox eines Musikers wieder etwas gestärkt.
Danke an Roman von Uni-Vox!

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