Lea Hruschka, Jahrgang 2001, hatte ihren journalistischen Durchbruch mit ihrem…
Laura hat schon alle Mio-Mate-Sorten außer Guarana probiert, ist im…
Heisskalt: Vom Stehen und Fallen
„Wir sind das eine Bierzu viel. Wir sind die Zigarette danach. Wir sind der Kuss im Regen. Wir sind der gute Rat von Mutti. Wir sind der Döner um Fünf. Wir sind der Föhn in der Badewanne deiner Schwiegermutter. Wir sind wie Sex, nur lauter. Wir haben heute Nacht mit dir geschlafen.
Wir sind Heisskalt”, so beschreibt sich die Band Heisskalt. 2010 gegründet, gerade am Pausieren (allerdings wollen sie im Sommer wieder auf Festivals spielen) und die erste deutsche Band, die mich so richtig mitgerissen hat.
Ihr erstes Album „Vom Stehen und Fallen” erschien 2014 und ist bis heute eines meiner Lieblingsalben, keinen einzigen Song davon kann man einfach skippen.
Es geht darin sehr viel um ein Ausbrechen-Wollen, um alle oder zu viele Gefühle und um die Gesellschaft und ihre Missstände. Um die Frage, wo das alles eigentlich noch hinführen soll. Um Werte, die man wieder einfordern will: Menschlichkeit, Wärme, Nähe. Um ein Funktionieren-müssen, aber auch darum, das Leben mal wieder richtig spüren zu wollen. Es kribbeln zu fühlen. Also um alles, was eine Jugendseele so fühlt oder fühlen kann.
Alles, was eine Jugendseele so fühlt oder fühlen kann.
„Das bleibt hier” ist der erste Track des Albums. Der ruhig anfängt, in dem die verschiedensten anderen Bandnamen versteckt liegen (das muss man erstmal checken) und der sich anhört, wie ein romantisches Gedicht. Viele der Songs tun das.
„Nicht anders gewollt” und „Nicht gewinnen” kritisieren unsere Gesellschaft, unser Funktionieren, den Normalzustand.
Mit Bezügen auf Klassendenken und den Aufruf zur Rebellion. Um den persönlichen, kleinen Kosmos in dieser großen, verrückten Welt. Die Lieder von Heisskalt sind sehr oft entweder ganz oben oder ganz unten. Feiern das Lebendig-Sein wie „Alles gut” oder stürzen ab wie „Gipfelkreuz”. Mit kleinen Stille-Momenten, nach denen der große Knall kommt. Oder mit viel Tanzbass, unterbrochen von melodischen Gitarrenläufen. „Identitätsstiftend” klingt wie ein sehr persönlicher Text. Über Zwischenmenschlichkeit und über „die Frage, wo es von allem mal genug ist um zu bleiben”.
Über Zwischenmenschlichkeit und über „die Frage, wo es von allem mal genug ist um zu bleiben”
Wie bei vielen Songs dieses Albums sind die letzten Worte auch bei „Sonne über Wien” mit die wichtigsten: „Ich werde wachgeküsst unter der aufgehenden Sonne über Wien”. Und dann: Instrumental-Part. Die Sonne geht auf.
„Bestehen“ ist ein Ruhepunkt in dem Album. Mit vielen Facetten, mit einem Klangteppich und viel Herzschmerz. Aber wenig Klischee, sehr echt klingen die gesungenen Gefühle. Denn auch das schafft Heisskalt.
„So leicht” wird vielen als heimlicher bester Song betitelt wird. Er ist ruhig, hat wenig Text und ein Ende wie eine Spirale. Ist schwerelos.
In „Kaputt” und „Zweifel” wird herausgeschrien, fast gekreischt. „Komm wir machen uns kaputt / Bevor das Funktionieren uns verrückt macht”.
Man merkt, dass es die Texte sind, die es mir angetan haben. Diese poetischen, mal persönlichen, mal systemkritischen Texte. Innerlich noch ein bisschen Teenager, ein bisschen Grunge kann man die Lieder auf „Vom Stehen und Fallen” so gut mitfühlen, mitschreien, mittanzen. Denn auch musikalisch nimmt das Album mit, ist mal laut, mal leise. Hat Ruhepole und Ausbruchsmomente.
Laura Kohler
Travie McCoy: Lazarus
Unter den Top 5 meiner persönlichen „No-Skip” Alben ist bis heute das 2010 erschienene Album „Lazarus“ von Travie McCoy. Das erste und bis heute einzige Soloalbum des Gym Class Heroes-Frontmanns dauert zwar nur knapp über 35 Minuten, sorgt aber mit jeder einzelnen Sekunde für gute Laune. Jeder der zehn Titel ist ein Hit und macht lange Autofahrten erträglicher, sonnige Frühlingstage noch besser und kann problemlos auf jeder WG-Party laufen.
Jeder der zehn Titel ist ein Hit und macht lange Autofahrten erträglicher und sonnige Frühlingstage noch besser.
Anders als noch mit seiner Band, macht Travie McCoy nun keinen klassischen Hip-Hop mehr, sondern geht bewusst auf die Mainstream Schiene und erfindet sich damit neu. Eins der wenigen Beispiele, die zeigen, dass der Mainstream nicht zwingend langweiliger Einheitsbrei sein muss.
Dazu kommt, dass er sich die (damaligen) Größen der internationalen Popszene als Feature dazu holt. So sorgt er zusammen mit Bruno Mars und dem Song „Billionaire“ für einen internationalen Erfolg und einen bis heute anhaltenden Ohrwurm. Die unverkennbare Stimme von Gnarls Barkley Sänger CeeLo Green schafft es, dass man sich beim Hören von „Dr.Feel Good“ fühlt, wie frisch nach einem Besuch bei eben diesem.
Er schafft es, mich anzustecken und in Feierlaune zu bringen.
Aber auch ohne Feature Part schafft es Travie McCoy mich anzustecken und in Feierlaune zu bringen. Mein Lieblingstitel des Albums „After Midnight“ bringt mich beim Vorglühen in Stimmung und „We’ll be Alright“ hält sie oben. Weitere Feature Parts auf dem Album sind die eher unbekannteren Indie Künstler Tim William und Colin Munroe, die dem Album wieder einen Touch geben, der an alte Gym Class Heroes Zeiten erinnert. Hip-Hop Größe T‑Pain ist ebenfalls mit von der Partie und steuert den Refrain zu „The Manual“ bei.
„Lazarus“ ist kein spektakuläres Album. Travie McCoy hat damit aber einen persönlichen Gute ‑Laune-Garant geschaffen, der ausnahmslos in allen Situationen meine Hüften zum Bewegen bringt. Er reiht sich mit dem Album außerdem in eine Liste von Künstlern ein, die Anfang der 2010er Jahre versuchen den Titel für die Partyhymne des Jahrzehnts für sich in Anspruch zu nehmen. Von LMFAO bis zu den Black Eyed Peas. Die vorderen Chartplatzierungen der Zeit sind alle eingängige Popsongs mit Hip-Hop Elementen. In diese Reihe passt jedes der Songs aus dem Album problemlos, macht aber zwei Sachen besser als alle anderen. Zum einen versucht er eben nicht zwanghaft eine Generationen übergreifende Partyhymne zu erschaffen die genauso klingt wie alle anderen. Außerdem ist Travie McCoy ein MC und Hip-Hop Künstler der sich dahingehend treu bleibt und den poppigen Teil lieber anderen überlässt. Der Sprechgesangspart bleibt also der dominantere in all seinen Liedern und verkümmert nicht zum Stilmittel der breiten Masse.
Wenn ich Travie McCoy’s Stimme höre verfalle ich automatisch in die Unbekümmertheit von damals zurück.
Es spiegelt den Zeitgeist der 2010er Jahre sehr gut wider. Ich war 17 und habe das Album auf meinem I‑Pod Touch rauf und runter gehört. Die erste Freundin, das erste (offizielle) Bier und ein Sommer mit den besten Freunden. Wenn ich Travie McCoy’s Stimme höre verfalle ich automatisch in die Unbekümmertheit von damals zurück.
Danke an Kevin von Uni-Vox
Cage the Elephant: Social Cues
Die vierköpfige Alternative-Band Cage the Elephant ist noch nicht allen ein Begriff, obwohl einige ihrer Songs, z. B. Trouble, auch mal bei deutschen Soaps im Hintergrund laufen. Die US-Amerikaner rund um Leadsänger Matt Shultz haben außerdem bereits zweimal den Grammy für das beste Rock-Album abgestaubt – zuletzt 2019 mit „Social Cues“, einem einzigen Meisterwerk.
Zum Mitfühlen, Mitleiden, aber auch Mittanzen.
Das Album beginnt mit der Hymne „Broken Boy” zum Mitfühlen, Mitleiden, aber auch Mittanzen. Schon hier zeichnen sich der mitreißende Rhythmus und die Tempowechsel an, die das Album so spannend machen. Es folgt „Social Cues”, in dem Shultz von seinem Leben im Rampenlicht singt. Mit der Line „At least you’re on the radio” spricht er sich Mut zu, wenn er Unerfülltheit und Unzufriedenheit spürt. Ein echter Ohrwurm mit großem „Sing Along”-Potential! Der dritte Song übertrifft den eben genannten aber sogar noch: „Black Madonna” geht einem mit den sanfteren, aber rhythmischen Melodien nicht mehr aus dem Kopf. Shultz’ Trennung von seiner Frau nach sieben Jahren Ehe werden nun zum ersten, aber nicht zum letzten Mal thematisiert.
„Tell me when you are ready to be real”, das fordert er hier von seiner unehrlichen Partnerin. Im nächsten Song „Night Running” hat Musiker und Produzent Beck einen Gastauftritt und bringt eine Portion Reggae mit sich. In „Skin and Bones” besingt Shultz einen langatmigen Kampf, vermutlich in seiner Ehe. Alles was übrig sei, wären „skin and bones”.
Dann folgt der ikonische Track „Ready To Let Go”. Der Song ist mit seiner anfänglichen Leichtigkeit und zunehmenden Dramatik definitiv ein weiteres Highlight des Albums. Er handelt vom Ende der Ehe im Urlaub in Pompeji, als Shultz erkannte, dass es keinen Sinn mehr hat, weiter daran festzuhalten. Mit „House Of Glass” folgt wieder ein unruhiger und schnellerer Track zum Mitschreien, bevor die Ballade „Love’s the only way” unsere Herzen schmelzen und unsere Körper mitschunkeln lässt.
Sie lässt unsere Herzen schmelzen und unsere Körper mitschunkeln.
In „The War Is Over” singt Shultz „You can build your walls, love will tear it down” und setzt damit etwas gegen den nationalistischen, aber auch individuell egoistischen Nerv unserer Zeit. In „Dance, Dance” beschreibt schon der Titel das Motto des Liedes, bevor Shultz in „What I’m Becoming” wieder ernster und selbstreflektierter ist.
Ein weiteres Highlight folgt mit „Tokyo Smoke”, bevor das Album mit langsamen, melancholischen Tönen in „Goodbye” endet.
„Social Cues” ist lyrisch und musikalisch ein Meisterwerk, in dem die vielen Facetten der Band zu hören sind.
Dass Matt Shultz ein Künstler — ja beinahe selbst eine Kunstfigur ist, erkennt man auch in den sehenswerten Musikvideos der Gruppe, in denen Matt auch mal blutüberströmt im roten Latexanzug auftritt. Das mag nicht für jeden etwas sein, doch ist es dennoch beeindruckend, die pure Leidenschaft in jedem einzelnen seiner Lieder zu fühlen. Diese Band lebt für die Kunst. Das spürt man mit jedem Ton des Albums.
Lea Hruschka
Lea Hruschka, Jahrgang 2001, hatte ihren journalistischen Durchbruch mit ihrem Artikel über den Bärentanz beim örtlichen Kindergartenfest. Dieser qualifiziert sie nun auch für höhere Aufgaben beim Ottfried.
Laura hat schon alle Mio-Mate-Sorten außer Guarana probiert, ist im Freiraum oder K&S anzutreffen, ist Zitat-Sammlerin, Hobby-Slammerin und Vollzeitfeministin.