Laura Weinmann, `99 im Schwabenländle geboren, versucht seit 2018, die…
Blut muss fließen knüppelhageldick, wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.“ Immer und immer wieder werfen sich beleibte, halbnackte Männer zu diesen Zeilen gegeneinander, raufen miteinander – bei ihnen soll das tanzen sein – und recken den Arm zum Hitlergruß. Immer und immer wieder ertönen diese Zeilen aus den Lautsprechern des Audimax in der Feki. Rund 400 Leute sind gekommen, um sich die Ausstrahlung der Dokumentation anzusehen. Die Hochschulgruppe von Amnesty International Bamberg hat dazu eingeladen und ist selbst überrascht, wie viele gekommen sind: „Wir waren ziemlich überwältigt und begeistert, dass wir in Bamberg so viele interessierte Menschen erreichen und mobilisieren konnten. Es zeigt ziemlich eindrücklich, wie aktuell und wichtig das Thema Rechtsextremismus (auch mehrere Jahre nach Erscheinen des Films) ist und es macht Mut zu sehen, dass sich so viele dafür interessieren, sich informieren, Fragen stellen, diskutieren und engagieren.”
Zu nah ist er an der Nazi-Szene, in der Nazi-Szene
Das Material der Dokumentation erstreckt sich über neun Jahre. Und über die gesamte Republik und ihre Grenzen hinaus. Thomas Kuban, Journalist, hat über 50 Einsätze hinter sich. Einsatz heißt in seinem Fall Lebensgefahr. Er besucht Rechtsrock-Konzerte, die sonst nur von Nazis besucht werden. Kuban wird bei seinen Drehs zu einem anderen: Poloshirt, Bomberjacke, Springerstiefel. So sieht er aus, wenn er sich unter Nazis begibt. Darunter verbirgt er Kamera und Mikrofone, um sein Material zu sammeln. Blonde Perücke, gelber Blazer, Sonnenbrille: So sieht er aus, wenn er die Öffentlichkeit befragt. Politiker, Polizisten, Aktivisten. Sein wahres Gesicht zeigt er nicht. Für ihn ist das Risiko zu groß, zu nah ist er an der Nazi-Szene, in der Nazi-Szene. Sein richtiger Name ist natürlich auch nicht Kuban. Doch seinen Namen zu nennen würde das Risiko beinhalten, sein Leben zu verlieren.
Seinen Namen zu nennen würde das Risiko beinhalten, sein Leben zu verlieren
Die Dokumentation schockiert. Und das nicht wenig. Nicht nur die Bilder, die man sieht. Nicht nur die Texte der Lieder, die Kuban auf Rechtsrock-Konzerten festhält. Nicht nur das Verhalten der Menschen, die diese Konzerte besuchen. Sondern auch vor allem der Fakt, wie verbreitet diese Konzerte und die Musik zu sein scheinen. Für wie viele Menschen sie „Normalität“ darstellen. Eine Gastwirtschaft wird gezeigt. Vorne trinken Otto-Normalbürger ihr Bier, im Hinterraum heben Nazis den Arm zum Hitlergruß und feiern zu menschenverachtenden Texten. Ein Bauernhof, mitten in einem hessischen Dorf. Eine Disko. Ein altes Flugfeld. Die Orte, wo die Konzerte stattfinden, sind vielfältig. Die Zuhörer nicht. Alle sind sie rechtsextrem, alle demokratiefeindlich, ausländerfeindlich, antisemitisch. Sie sind menschenfeindlich, menschenverachtend. Alle außer Kuban. Er begibt sich in Lebensgefahr, jahrelang, um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Doch erst mit Peter Ohlendorf fand er einen Regisseur, der das Projekt mit ihm gemeinsam anpackte.
Die Dokumentation lief nie in den Öffentlich-Rechtlichen, nie im Kino. Die Berlinale machte sie bekannt. Seit acht Jahren ist Regisseur Peter Ohlendorf mit dem Film auf Tour, zeigt ihn vor Publikum und sucht das Gespräch darüber. Diese Erfahrung macht die Dokumentation noch sehenswerter, das Thema noch akuter. Wer die Chance hat, sie zu sehen, sollte sie unbedingt nutzen. Danke an die Hochschulgruppe von Amnesty International, dass sie diese Chance in Bamberg geboten haben.
Laura Weinmann, `99 im Schwabenländle geboren, versucht seit 2018, die Kehrwoche auch in Franken zu etablieren. Laut ihrer Mutter hat sie eine „Schwertgosch“, also die Extremform einer großen Klappe, und was sonst könnte man damit anstellen, als sie beim Ottfried einzubringen? Nebenbei studiert sie auch noch Germanistik, Geschichte und Politik, arbeitet dabei aber eigentlich nur darauf hin, ihr geistiges Alter von 76 auch körperlich zu erreichen.