Support Student Journalism!
Du liest gerade
“Kultur braucht Raum. Kultur braucht Geld. Weil sie uns zusammenhält!”

“Kultur braucht Raum. Kultur braucht Geld. Weil sie uns zusammenhält!”

Avatar-Foto
  • Mit diesem und anderen Demosprüchen ziehen Bamberger Kulturschaffende und Interessierte am Samstag, den 12.10. 24, durch die Sandstraße. Gefordert wird eine bessere Finanzierung und Anerkennung der freien Kulturszene durch eine Erhöhung des Globalbetrags Kultur von derzeit 2,5 auf 5 Prozent des Kulturhaushalts. Wie es zu dieser Forderung kommt und warum sie so wichtig ist, erfahrt ihr hier.

12. Oktober 2024. Es ist wieder die Zeit angebrochen, in der man nie weiß, was man anziehen soll. Entweder schwitzt man, oder man friert. Was auch zu schwitzen führt. Wir sind unterwegs zur Sandstraße, in der die Demo “5 Prozent für freie Kultur” stattfinden soll. Wir sind aufgeregt. Am Startpunkt angelangt begegnen uns altbekannte Gesichter aus der eigenen Bubble, junge Menschen aus aktivistischen Kontexten, aber auch viele andere: ältere Menschen, Familien, Schauspieler*innen, Künstler*innen, Erzieher*innen. Leute aus dem Stadtrat. Die Menge ist vergleichsweise bescheiden, aber sie ist ausreichend, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aufmerksamkeit für ein schon lange schwelendes Thema.

Kulturschock

Mai 2024. Die Mitglieder von Kontakt – das Kulturprojekt erhalten eine böse Überraschung. Die Miete zur Nutzung des Mettaluk-Geländes, auf dem ein buntes Kulturprogramm von Workshops, Kunstausstellungen bis hin zu Theateraufführungen und Konzerten stattfindet, wurde von der Stadt um das 29,5-fache erhöht, von 500 auf 14.570 Euro. Ein Schock. Angst breitet sich aus. War dieses Jahr das letzte Kontakt? Wird es ein genereller Trend sein? Dann ein vermeintlicher Rettungsanker: Die Stadt beschließt, dass das Kontakt weiterhin nur die gewohnten 500 Euro bezahlen muss. Der Rest soll aus dem “Globalbetrag Kultur”, einem kleinen Teil des Bamberger Haushalts, gezahlt werden. Doch die Sache hat einen entscheidenden Haken: Statt den Etat für den Globalbetrag Kultur zu erhöhen, wird das sowieso schon spärliche Geld einfach anders verteilt. Bedeutet konkret: Was die einen kriegen, wird den anderen fehlen.


Zurück in den Oktober, zurück zur Demo: Aktuell sollen vom Verwaltungshaushalt der Stadt mit 296,18 Millionen, 13.71 Millionen für den Kulturhaushalt draufgehen und hieraus lediglich 0.31 Millionen für den Globalbetrag Kultur, der die freie Szene unterstützt. Setzt man diese Zahlen zueinander ins Verhältnis, handelt es sich um einen äußerst geringen Betrag und auch hinsichtlich der praktischen Konsequenzen ist dieser unangemessen. Mittlerweile haben wir die Sandstraße verlassen, unsere Stimmen sind vom Rufen heiser geworden und die Gemüter erhitzt angesichts der finanziellen Lage der Bamberger Kulturszene.

Hinter den Kulissen

Auf dem Maxplatz sprechen wir mit Michi Schmitt, dem Sprecher des Kultursenats im Stadtrat:

Für Michi ist Kultur: wichtig und lebendig

„Dadurch, dass die Löhne und die Energiekosten gestiegen sind, ist der Verwaltungshaushalt an sich immer weiter gewachsen. Was aber nicht mitgewachsen ist, ist der Bereich der Kulturausgaben. Während der Haushalt insgesamt in den letzten zehn Jahren um die 60 Prozent gewachsen ist, ist der Kulturhaushalt nur um rund 20 Prozent mitgewachsen. Vieles ist teurer geworden, eine entsprechende Unterstützung aber nicht ausreichend gegeben, obwohl die Leute im Kulturbereich auch ihre Miete zahlen müssen, ihren Strom, etc.“

Eine Erhöhung des Globalbetrags Kultur würde nach Michi vieles verbessern. Mehr kulturelle Angebote könnten gefördert werden, es könnte mehr in die Beratung von Kulturschaffenden investiert werden. “Die Leute könnten sich jährliche Honorare zahlen und müssen sich nicht so stark selbst ausbeuten, wie sie es eh schon tun. Die Gelder, die man derzeit beantragt, reichen bei weitem nicht aus, um die Kosten für die Lebenserhaltung zu decken. Mit der Erhöhung könnte man – und das ist das Ziel – vielleicht wirklich mal von der Kunst leben.”

„Mit der Erhöhung könnte man – und das ist das Ziel – vielleicht wirklich mal von der Kunst leben.”

Für Hannah ist Kultur: politisch, kreativ, unabhängig

Ohne Frage: In andere Bereiche zu investieren, ist nicht unbedingt weniger wichtig. Den Demonstrierenden geht es auch nicht darum, für die Gesellschaft notwendige und wichtige Bereiche gegeneinander auszuspielen. Die Kultur und insbesondere die freie Szene, welche kleinere Organisationen wie das Wildwuchs-Theater, das Bamberger Marionettentheater, Blasmusikkapellen, das Lichtspiel, die Bamberger Kurzfilmtage und viele mehr betrifft, darf dabei schlichtweg nicht vernachlässigt werden. Hierbei handelt es sich um Gruppen und Projekte, die aus dem Bamberger Stadtbild und Kulturleben nicht mehr wegzudenken sind. Außerdem ist Kultur wichtig für eine Demokratie, wie Hannah Schmid, Mitglied bei Kontakt – ein Kulturprojekt, Distel Bamberg und Change e.V. deutlich macht:

“Die Kultur ist wichtig für unsere demokratische Gesellschaft, weil durch die Kultur Raum geschaffen werden kann, in dem über politische Inhalte gesprochen wird und ein Austausch stattfindet, wo man auch mal kritisch sein kann. In der freien Szene besteht vor allem durch die niedrigschwellige, selbstverwaltete Organisation die Möglichkeit, dass alle Menschen was erschaffen können, in einem Miteinander.”

Für Hans Günter ist Kultur: Menschen, Leben, Freiheit

Nachdem sich der offizielle Part der Demonstration langsam dem Ende zuneigt, werden wir noch von Hans Günter Brünker angesprochen, ebenfalls Stadtratsmitglied und Teil des Kultursenats. Er bietet uns Einsichten, die durchaus empören: Weswegen jetzt demonstriert wird, wurde im Stadtrat im Rahmen von Koalitionsverträgen schon vor etwa 4,5 Jahren behandelt: “Damals haben alle gesagt es wird ein bisschen Zeit brauchen, aber über die Zeit hinweg wollen wir auf jeden Fall den Beitrag für die freie Kulturförderung anheben. Und es ist nichts passiert.” Ob die jetzige Demonstration es ändern wird? “Ich wage mal die Behauptung, dass im Haushalt 2025 auch nichts passieren wird. Aber deswegen ist es auch wichtig, dass das Ganze im nächsten Jahr weitergeht. Steter Tropfen höhlt den Stein und ja, Menschen werden gesehen. Wenn Menschen auf die Straßen gehen, dann sehen es auch die Menschen im Rathaus.”

Es sind alle Reden gehalten und das Herzstück der Demonstration zieht weiter in das Jugendzentrum Bamberg. Sofas und Teppiche sind an die Wände geschoben, um eine Tanzfläche vor der Bühne zu schaffen, auf der zwei Bands und ein DJ Stimmung machen. Am anderen Ende des Raumes: Tische und große Töpfe mit Nudeln und Salat, alles auf Spendenbasis. Die Leute tauschen sich aus, unsere Worte verlieren sich im fröhlichen Stimmengewirr. Die Hitze der Empörung weicht der wohligen Wärme eines solidarischen Zusammenseins. Fehlt nur noch die finanzielle Sicherheit, dass es auch so bleibt.

Kommentare anzeigen (0)

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.