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Akademischer Kleingeist?
Dunkel Hell

Akademischer Kleingeist?

  • Wenn Bamberger Lehrstuhlmitarbeiter auf frischer Tat beim Zeitungsklau ertappt werden

Aus Ausgabe 27, 2001

„Lächerlich“, „kleingeistig“, „unglaublich“. Diese und ähnliche Adjektive verwendeten die meisten OTTFRIED — Freunde in ihren Reaktionen auf den „großen Zeitungsklau“, dem ein beachtlicher Teil der letzten OTTFRIED-Ausgabe zum Opfer fiel. Da hatte sich doch tatsächlich ein promovierter Mitarbeiter eines Bamberger Lehrstuhls, dessen Namen und Geschlecht wir hier im Verborgenen lassen möchten, die Dreistigkeit erlaubt, ganze Stapel unserer Zeitung „mitgehen zu lassen“. Einen Teil der Exemplare hatten wir für unsere Leser in der Innenstadt ausgelegt, mehrere verschnürte Stapel waren dort deponiert worden, um sie am nächsten Tag weiter zu verteilen.
Offenbar wollte der Zeitungseinsammler die Ausgabe so weit als möglich dem studentischen Zugriff entziehen. Dies jedenfalls schloss eine Zeugin aus dem kurzen Gespräch, das sie mit „Dr. X“ in einer der Innenstadt-Buchhandlungen führte, wo der auf frischer Tat Ertappte eine Art „Erholungspause“ einlegte. Er hatte sich (un)geschickterweise mit einem Wäschekorb bewaffnet, um das corpus delicti gleich in rauhen Mengen abtransportieren zu können.

Groß angelegte Sammelaktion
Es freut uns natürlich, wenn sich eingefleischte OTTFRIED-Liebhaber ein privates Archiv anlegen möchten. Doch war dies nicht die hinter der groß angelegten Sammelaktion steckende Intention. Nein, hier wurde bewusst ein Teil unserer Ausgabe entwendet, um … ja, warum denn eigentlich? Dem einen (der anderen) war wohl die Tatsache aufgestoßen, dass ein am Lehrstuhl durchgeführte Untersuchung satirisch angelegte Formulierungen verwendet hatte. Die Ausdrucksweise des Artikels empfand der Wäschekorbträger offensichtlich als Gefährdung für den erfolgreichen Abschluss seiner Untersuchung. War es da nicht naheliegend und unumgänglich, das „Gefahrengut“ aus dem Verkehr zu ziehen?
Zunächst versuchten wir, die unglaublichen Vorkommnisse durch „Kurzschlusshandlungen“ zu erklären. Verstanden haben wir die Aktion indes immer noch nicht. Das ändert nichts daran, dass wir mit inbrünstiger Überzeugung ausrufen müssen: Hier wurde aus subjektiven Beweggründen versucht, die grundgesetzlich geschützte journalistische Freiheit mit Füßen zu treten! Verehrte Damen und Herren Doktoren und Professoren, ja wo kämen wir denn da hin, wenn Armeen von Wäschekorbträgern allabendlich ausschwärmten, um die öffentliche Meinung von unliebsamen Ausgaben der Süddeutschen oder der FAZ rein zu waschen? Nein, bei jedem halbwegs gebildeten Menschen würde dies wohl Hemmungsgefühle in der demokratischen Brust erwecken. Aber ein um seinen Ruf fürchtende Akademiker legte hier leider zweierlei Maß an: Nichts lag ihm augenscheinlich ferner, als seine „Studienobjekte“ auf die Ebene seriöser Journalisten vom Karat eines Spiegel- oder gar Bildzeitungsmitarbeiters zu befördern — ja, wo kämen wir denn da hin? Das Recht auf freie Meinungsäußerung, so steht es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, gilt für jeden Bürger, sei er nun Doktor, Wäscher(in) oder eben studentischer Schreiberling. Wir wollen in vorliegendem Fall sicher nicht von „Zensur“ sprechen.
Doch wohlgemerkt: Redaktion und Herausgeber von OTTFRIED nehmen sich und ihre Rechte ernst. Einige Universitätsangehörige täten ebenfalls gut daran, engagierten Studenten sowie dem Grundgesetz den nötigen Respekt angedeihen zu lassen. Und wenn dies einmal schwerer fallen sollte, so bietet das Presserecht genügend Mittel und Wege, um sich nicht in peinlichen Verzweiflungstaten ergehen zu müssen, die niemandem nützen, aber vielen schaden. Das meinen übrigens auch Juristen, und die wissen bekanntlich eine ganze Menge über rechtsstaatlich korrektes Verhalten.

Zeitungsrückgabe ohne Kommentar
Eben darum gaben wir dem Meinungswäscher schriftlich die Möglichkeit, die fehlenden Exemplare binnen Tagesfrist an von uns bestimmter Stelle abzuliefern. Dies geschah dann zwar ohne viel Zetern und Murren, aber auch buchstäblich ohne Kommentar. Wir interpretieren das als Eingeständnis schmählicher Schuld und wünschen dem Zeitungsklauer im Übrigen, dass sich zu verdienter Scham auch konstruktive Reue gesellen möge. Unsere Redaktionsbriefkästen sowie die nächste Ausgabe von OTTFRIED stehen für diesbezügliche Kommentare bereit. Das vorläufige Ende der Geschichte muss jedoch bei allen Beteiligten und der Leserschaft einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen: Wir hatten die Zeitungen zwar wieder – aber wer will in Prüfungszeiten schon die Ausgabe von vorgestern verteilen oder gar lesen? Wie die Übergabe des „Diebesgutes“ ablief, kann man übrigens auf Seite 12 nachlesen (Vorsicht, Satire! Nur für geübte Leser empfehlenswert!).

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