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Eine Autorin, drei Bestseller
Dunkel Hell

Eine Autorin, drei Bestseller

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  • Chimamanda Ngozie Adichie – ein Name, den man sich merken sollte. Denn die preisgekrönte Autorin begeistert mit ihrem feministischen Ted Talk genauso wie mit ihren Romanen über das Leben in Nigeria, welche den stereotypen westlichen Annahmen über Afrika in keiner Weise entsprechen. Eine Rezension der Werke „Blauer Hibiskus”, „Americanah” und „We should all be feminists”.

Blauer Hibiskus: Ein Roman, der wehtut

Adichies erstes Werk ist ein außergewöhnlicher Roman, der vom schmerzlichen Überbleibsel der Kolonialzeit, von kaputten Familien und grausamer Religiosität handelt.

In „Blauer Hibiskus“ erzählt Adichie vom schwierigen Leben der 15-jährigen Nigerianerin Kambili. Sie ist still, befolgt den Tagesplan, den ihr Vater erstellt hat, betet, geht in die Kirche – und lacht nie. Ihr ganzes Leben richtet sich nach den Regeln Gottes aus – oder danach, wie ihr reicher und hoch angesehener Vater diese interpretiert. Er verkörpert das schreckliche Überbleibsel der britischen Kolonialherrschaft und der katholischen Missionarsarbeit in Nigeria. Im Glauben des Vaters ist wenig Platz für Barmherzigkeit, aber viel für Bestrafung, selbst wenn diese ihn selbst schmerzt. Doch diese Sichtweise, die sich dem*r außenstehenden Leser*in offenbart, hat Kambili nicht. Für sie ist ihr Papa ein liebender Vater, der alles zu ihrem Besten tut. Vom Leid unter dem tyrannischen Vater erzählt sie deshalb mit den lieblichen Worten einer Tochter. Sie weiß noch nicht, dass das Leben nicht so schwer sein muss. Sie kennt nur den freudlosen Alltag, den sie schon immer kennt, nicht aber das Leben, das ohne die „göttlichen“ Strafen möglich wäre. Sie nimmt das Patriarchat mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Jaja schließlich so lange hin, bis es sie beinahe umbringt.

Ihre Tante Ifeoma, eine Universitätsdozentin, und deren lebensfrohe Kinder öffnen Kambilis Augen für Freude. Sie lernt zu lachen. Ihr spiritueller Großvater, ein Traditionalist, zeigt ihr und Jaja, dass Nigeria auch andere Religionen als das Christentum kennt. Der junge Pater Amadi lässt sie die Unbeschwertheit der ersten jugendlichen Verliebtheit spüren. Doch der wachende Geist des Vaters schwebt über Kambili und erstickt jedes Lachen mit Angst. Während Jaja seinen Weg in der Rebellion gegen den Vater zu finden scheint, steckt Kambili zwischen wahrer Freundschaft, jugendlicher Schwärmerei und dem indoktrinierten schlechtem Gewissen fest. „Plötzlich schien mir, als sei Jajas Trotz wie Tante Ifeomas besondere Züchtung von Blauem Hibiskus: selten, mit dem leisen Duft von Freiheit. (…) Die Freiheit, zu handeln.“

Mit diesem intersektionalen Roman schaffte Adichie ein Stück Literatur, dass, trotz des Schmerzes, den man zwischen den Zeilen spürt, nur verschlungen werden kann. Adichies schafft es, mit Kambilis Geschichte von großen Veränderungen in Nigeria, von kolonialen und missionierten Strukturen, von Familie, Tyrannei und Freiheit und vor allem vom Erwachsenwerden unter mehr als widrigen Bedingungen zu erzählen.

Der Blaue Hibiskus ist übrigens ein wunderschönes Gewächs, das auch in einer klimatisch harten Umwelt gedeihen kann.

Americanah: Über das nicht-amerikanische Schwarz-Sein

Ausreise, Hoffnung, Chancen und Abschiebung – in Adichies 2013 erschienenen Roman „Americanah“ wird die Reise eines jungen Paares aus Nigeria dargestellt: Obinze, der seit Kindheitstagen an vom großen, chancenreichen Amerika schwärmt, dessen Literatur verschlingt und von einem Visum träumt und Ifemelu, die durch ein Stipendium genau diesen Traum für sich wahr werden lassen darf. Die beiden sind nicht bitterarm, sie leiden keinen Hunger, kein Krieg bedroht sie, sondern die Perspektivlosigkeit Nigerias lässt die junge Generation vom Leben im Westen träumen.

Die Wege der Verliebten trennen sich und treffen sich wieder – ihre Liebe und Sehnsucht nacheinander ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman. Ifemelu wird in Amerika mit den harten Realitäten des Arbeitsmarkts konfrontiert. Sie ist schwarz – eine Minderheit. Sie ist nicht-amerikanisch – eine Minderheit in der Minderheit. Über ihre Beobachtungen, die sie im Alltag mit amerikanischen Schwarzen und Weißen macht, schreibt sie einen Blog. Darin schreibt sie: „Ich kam aus einem Land, wo Rasse keine Bedeutung hatte. Ich hatte mich selbst nie als Schwarze wahrgenommen. Zu einer Schwarzen wurde ich erst, als ich nach Amerika kam.“ Sie zeigt eine Sichtweise, die die westliche Norm nicht kennt. Sie hinterfragt Dinge, die wir als „normal“ bezeichnen.

Obinze wird sein Traum vom amerikanischen Visum verwehrt, da die Einreiseregeln nach dem 11. September verschärft worden sind. Ein Touristenvisum bringt ihn immerhin nach Großbritannien, wo er im harten Alltag der Illegalität weiterlebt.

„Americanah“ ist ein Roman, der vom Fremden erzählt. Er bietet eine nicht-westliche Sichtweise auf Rassismus. Dabei wirkt er nie belehrend, sondern greift große Themen im Spektrum zweier Individuen auf. Der Roman verfolgt schlicht die Geschichte des jungen Paares, das sich aus den Augen, aber nie aus dem Herzen verliert. Im Zentrum der Geschichte steht die Sehnsucht.

We should all be feminists: Ein Plädoyer für den Feminismus

Feminismus? Was ist das eigentlich? Adichie liefert in ihrem 2014 erschienen Essay eine moderne Definition. Dabei betont sie Dinge, die banal erscheinen, jedoch mehr als dringend betont werden müssen: Erstens, das Ziel des Feminismus ist nicht die Umkehrung der Geschlechterrollen, sondern die Gleichstellung. Zweitens, auch Männer sollten Feministen sein. Sie sollten Rollenklischees, Sexualität, Erfolg und ihre Privilegien hinterfragen. Drittens, Feminismus bekämpft Sexismus und kämpft für eine egalitärere Zukunft. Diese und viele weitere Aspekte der Bewegung spricht Adichie in einfacher Sprache an und versucht so, den missverstandenen Feminismus ins richtige Licht zu rücken. Das Bild der verbitterten Feministin, die keinen Ehemann abbekommt, räumt sie zu Beginn aus dem Weg: „I decided to call myself a Happy Feminist.“ Anhand eigener Diskriminierungserfahrungen, die sie als Frau erfahren hat, hangelt sie sich dann von Statement zu Statement.

„We should all be feminists“ bietet einen hervorragenden Einstieg in feministische Literatur. Das kurze Essay schafft eine Definition, der sich viele anschließen können. Ein nicht zu vergessener Kritikpunkt ist, dass Adichie in ihrem Essay in binären Geschlechterrollen denkt und spricht. Diese nicht unerhebliche Entscheidung schließt die LGTBQ+-Bewegung nicht aus dem Feminismus aus, vergisst und unterminiert jedoch fatalerweise seine wichtige Stellung in der Bewegung.

Wer sich selbst ein Bild von Adichies Feminismus-Definition machen möchte, kann das Essay im Bamberger Katalog als E‑Text herunterladen oder in Buchform ausleihen. Für alle Lesefaulen sei der Hinweis auf Adichies Ted Talk gegeben, in dem sie das Essay vorträgt. Musikbegeisterte können Ausschnitte daraus sogar bei Beyoncés Song „***Flawless“ nachhören.

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