Andong, das ist nicht nur eine Provinz in Südkorea und das indonesische Wort für einen Pferdewagen, sondern auch der Spitzname von YouTuber Arseny Knaifel. Seit einigen Jahren betreibt er auf der Videoplattform einen Kanal, erst spaßhaft mit selbsterstellten Rap-Videos auf Chinesisch, seit zwei Jahren ernsthaft als Food-Channel.
Woher kommt der Name Andong?
Zum einen ist Arseny ein ungewöhnlicher Name aus Russland, der in Deutschland schon schlecht verstanden wird und den ich immer buchstabieren musste. Auf Englisch war es noch schlimmer. Mein Kanal ist ja international ausgelegt, Leute aus verschiedenen Ländern sollten den Namen richtig aussprechen können. Zum anderen war ich eine Zeit lang in China, da ist es gängig, dass sich Ausländer einen chinesischen Namen zulegen. Andong ist abgeleitet von meinem zweiten Vornamen Anton und war bisher für jeden easy auszusprechen. Das Konzept hat also gut funktioniert.
Andong wurde in Russland geboren und ist mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Nach dem Abitur studierte er Chinastudien an einer Universität in Berlin und ging für ein Austauschjahr nach China. Die Rap-Videos auf Mandarin, die er mit befreundeten Austauschstudenten in dieser Zeit auf YouTube lud und die in China viral gingen, sind noch immer auf seinem Channel abrufbar.
Wie entstehen deine Videos und wer arbeitet daran mit?
Ich habe keine festen Mitarbeiter, aber eine Art Mitbewohner. Mein Studio ist eigentlich mein altes WG-Zimmer und manchmal heuere ich meinen alten Mitbewohner an, der da noch lebt und ein guter Kameramann und Videocreator ist. Seit circa vier Monaten hilft er mir manchmal beim Filmen und beim Schnitt, das ist besonders praktisch in Corona-Zeiten. Sonst ist fast niemand anderes involviert. Es gibt da nur noch eine Agentur in den USA, die mir bei Businessgeschichten wie Abwicklung von Sponsoren, Verträgen und YouTube-Optimierung hilft. Der Prozess hinter meinen Videos sieht so aus: ich habe einen Pool an Ideen, mache mir Notizen, hole mir einmal im Monat Feedback von der Agentur, dann komme ich in die Recherchephase und ins Testkochen. Für einfache Themen baut sich so die Erzählstruktur wie von selbst. Dann schreibe ich ein Script, drehe das Rezept ab, baue die Story drum herum, zeichne das auf und suche noch Bilder oder bastle kleine Animationen. Dann wird das Video veröffentlicht.
Liest du alle deine Kommentare?
Ich lese so gut wie alle meine Kommentare. Wenn ein Video gerade neu hochgeladen ist, schaue ich häufig drauf, weil mir wichtig ist, ob es gut ankommt. Danach lese ich auch so ziemlich alle – früher war das kein Problem, inzwischen ist der Kanal aber sehr gewachsen und das nimmt relativ viel Zeit ein. Leider bin ich mir damit aber nicht mehr so sicher: Je größer ein Channel, desto mehr Scheiße kommt. Man kann 100 positive Kommentare lesen, der eine fiese bleibt aber hängen. Das macht es sehr anstrengend. Kritik, die gegen mich geht, selbst wenn ich sie unangebracht finde, lasse ich trotzdem stehen. Aber Beleidigungen gegen andere lösche ich.
Wer isst all das, was du produzierst?
Es ist so, ich will ja ehrlich sein, so eine Foodproduktion hat immer etwas Waste. Ich versuche, alles Essbare zu verwerten, nehme es mit nach Hause, esse es mit meiner Freundin oder habe es vor Covid anderen Leuten mitgebracht. Beim Testen kann es aber auch passieren, dass manche Versuche so ungenießbar werden, dass man es keinem mehr geben kann. Die andere Sache ist, dass beim Drehen die Zeit gegen dich arbeitet, Food muss ja immer frisch aussehen. Mir fallen auch mal Sachen runter, die pack ich dann schnell zurück auf den Teller. Etwas Waste entsteht leider immer, aber ich versuche es zu minimieren.
Welches deiner Videos magst du persönlich am wenigsten, welches am meisten?
Es gibt mehrere, die ich am liebsten mag! Es sind die, die zeigen, um was es in meinem Kanal geht: Food, Informationen und Travel. Eines zum Beispiel in Karelien in Russland. Das hat alle drei Komponenten und zusätzlich sind meine Großeltern drin, die finde ich sehr lustig. Ein anderes wäre das über die Streetfood-Szene in Singapur oder die Serie in Peru. Das war witzig, wir haben aus Versehen den ehemaligen Außenminister interviewt. Wir dachten, er wäre einfach ein Autor. Videos, die ich gar nicht mag, gibt es glaube ich nicht. Dinge in der Richtung streiche ich schon viel früher – wenn zum Beispiel mein Rezept nicht solide ist oder ich nichts Neues beitragen kann. Ich mag Videos nicht, wo ich mich nur hinstelle und sage, hier ist ein Gericht das ihr schon kennt und ein Rezept wo ich nichts hinzufüge. Ich bin nicht der beste Koch auf YouTube, ich versuche unkonventionelle Ansätze oder will eine coole Story erzählen.
Würdest du YouTube als Job empfehlen? Was hättest du davor gerne gewusst?
Schwierig. Meinen Channel gibt es schon zehn Jahre, damals war das ja aber noch kein richtiger Job. Da musste man sich sehr kreativ überlegen, wie man Geld machen kann. Heute ist das anders, die Möglichkeiten sind viel mehr gegeben. Man muss nur Reichweite aufbauen und wird dann von links und rechts gesponsert. Viele finden das sehr schwer, ich kenne aber keinen, der richtig guten Shit macht, bei dem das nicht geklappt hat. Als Karriereentscheidung kann ich YouTube total empfehlen, wenn man a) wirklich gut ist und was zu erzählen hat und b) bereit ist, sehr viel zu lernen, Konzepte zu analysieren und rauszufinden, warum was funktioniert. Man muss auch Abstriche machen können. Content zu 100% nach meinen Vorstellungen würde nicht funktionieren. Man muss sich der Plattform anpassen und die Schnittmenge zwischen dem, was du willst, was die Zuschauer wollen und was YouTube will finden. Außerdem muss man sich Zeit nehmen. Commitment ist wichtig. Dann kann es klappen.
Du machst alle deine Videos auf Englisch, weil du Menschen weltweit erreichen möchtest. Damit bist du in der deutschen YouTube-Landschaft ja eher alleine. Bist du trotzdem gut vernetzt?
Schon ein bisschen, ich kenne ein paar deutsche YouTuber und dann gibt es auch so Events im YouTube Space (Anm. der Redaktion: Komplex in Berlin mit vielen Studios und Sets für YouTuber). Das liegt wegen Covid halt auf Eis. Davor hatte ich nur ein kurzes Zeitfenster, wo mein Kanal schon auf dem Radar von manchen Leuten war. Schön ist aber, dass ein Skype- oder Zoomgespräch jetzt ganz normal geworden ist und man Videos mit Leuten machen kann, die ganz woanders sind. Für mich ist es trotzdem schwieriger, mit deutschen YouTubern Kollaborationen zu machen, weil ich das Gefühl habe, dass viele ungern Englisch vor der Kamera sprechen. Für mich ist es aber das Interessanteste, Perspektiven aus der ganzen Welt zu bekommen.
Apropos Covid: Corona hat auch deine Pläne stark eingeschränkt. Wie gehst du mit der neuen Situation um?
Ist natürlich scheiße für mich, da ich Travelcontent machen möchte und mein Channel langsam groß genug ist, um das zu finanzieren. Ich wollte auch Berliner Restaurants porträtieren, was mit den ganzen Richtlinien nun zu kompliziert wurde. Das sind aber ganz ehrlich Luxusprobleme. Ich muss mir halt jetzt was anderes ausdenken, um meine Hauptmission, die Welt durch die Foodlinse zu sehen und zusammenzubringen, weiterzuverfolgen. Was Corona angeht ist man als YouTuber zum Glück nicht schlecht dran.
Welche YouTuber*innen schaust du, welchen Kanal würdest du gern unterstützen?
Ich kenne viele unterbewertete Kanäle! The Way of Ramen zum Beispiel, dafür ist YouTube gemacht. Das ist ein Dude auf Hawaii, der ultra deep ins Thema Ramen machen eintaucht und das voller Passion und Authentizität von jeder Ecke durchleuchtet. Perfektes Nischending. Ein anderes Beispiel wären Colin and Samir, die analysieren YouTube von vorne bis hinten durch. Die sind super! Wenn die was erklären, verstehst du es sofort. Und last but not least Sabrina von Answer In Progress. Das ist ein kleines Team, das in liebevoll produzierten Videos alles Mögliche über die Welt herausfinden möchte.
Frühstück, Mittag- oder Abendessen?
Frühstück.
Mit wem?
Mit meinem Lieblingsfoodautor Kenji Lopez-Alt.
Was sind deiner Meinung nach die Essentials in einer Küche?
Geheimtipp: Röstzwiebeln. Geht immer, macht keine Arbeit. An Utensilien: viele unterschiedlich große Siebe!
Was verbindest du mit Bamberg?
Ich hab längere Zeit in einer Band gespielt und wir sind durch Bamberg durchgefahren und hatten da eine Stunde Mittagspause. Davor fand ich nur den Namen lustig, danach dachte ich, dass es echt unglaublich schön ist.
Wenn du es dir aussuchen könntest, Teil welcher Band wärst du gerne?
Ich wäre sehr gerne der Bassist von Carly Ray Jepsen. Sie ist meine Lieblingssängerin, obwohl ich sonst Rock oder HipHop höre. Vor Corona habe ich ein Konzert von ihr gesehen und ich glaube, das war das Beste, auf dem ich je war!
Was werden wir als nächstes von dir sehen?
Das weiß ich tatsächlich noch nicht, weil ich erst heute Nachmittag anfange, mein Thema für die nächste Produktion auszusuchen. Da mein Chipsvideo aber sehr gut angekommen ist und viele Leute nach unterschiedlichen Geschmackssorten gefragt haben, wird es vermutlich darauf hinauslaufen.
Und die letzte Frage: Wenn du ein Käse wärst, welcher wärst du?
Auf jeden Fall Butterkäse! Ich eck nicht so an.